Wirtschaft
anders denken.

Das Kind mit dem Bade

26.10.2016
Ein Korb mit frischem Gemüse aus lokalem Anbau.Foto: F Delventhal / flickr CC BY 2.0Kauf lokaler Produkte – ein Hipsterbekenntnis?

Wer bewusst lokale und regionale Produkte kauft, um etwa die Natur zu schonen, der wird in Zeiten der Globalisierung gerne als engstirniger Provinzler abgetan. Die Süddeutsche Zeitung macht mit dem Text »Local Hero« auf. Das Online-Portal der Zeitung hat dann »Lokalhelden« draus gemacht.

»Der Kauf lokaler Produkte und Dienstleistungen ist zum Hipsterbekenntnis geworden. Der neue Provinzialismus macht die Welt nicht besser, sondern unter Umständen nur dümmer«, lautet die Unterzeile zu dem Text, der berechtigte Kritik mit einem Rundumschlag verbindet, bei dem gleich alle, die sich auf regionale Produkte besinnen, weil sie es seltsam finden, eine »Flugtomate« zu kaufen, deren ökologischer Fußabdruck so groß ist, dass sie einem im Halse stecken bleiben müsste, eins auf den Deckel kriegen. Solche Rundumschläge sind ein probates Mittel, eine ganze Gruppe Menschen oder gar eine ganze Bewegung in die Tonne zu treten. Wachstums- und Globalisierungsgegner sind solche Begriffe. Schon hat man den neuen »Schwarzen Block« neu erfunden. Wer gegen Globalisierung ist, würde im Zweifelsfall auch dagegen angehen, dass die Erde sich um die Sonne dreht, oder versuchen, mit einem Sieb Wasser zu schöpfen, lautet die Botschaft.

»Local Hero«

Der Autor, Tobias Moorstedt, unternimmt den Versuch, sich von allen abzugrenzen, die in seinen Augen provinziell sind: Von den Hipstern, die es schick finden, dass ihr Wegebier aus dem Späti aus der lokalen Brauerei kommt, von den Träumerchen, die glauben, sie könnten mittels foodsharing und Selbstangebautem irgendwas an der Vernichtung des Regenwaldes ändern, von den Egoisten, die doch einfach nur bereit sein müssten, zwölf Cent mehr für das T-Shirt zu bezahlen, und schon würde der Näher in Bangladesh fair entlohnt.

Der Text wirft alle in einen Topf, mixt allerlei Vorurteile dazu, rührt die Soße um und serviert uns am Ende eine fürchterlich stinkende Brühe. Provinzialismus macht dumm, da hat der Autor völlig Recht. Aber als Gegenmittel serviert er die Lösung, anstatt Provinzheini zu sein, ein »kosmopolitischer Konsument« zu werden. Wasdasdenn?

Der kosmopolitische Prolet

»Eine bessere Globalisierung ohne Kosmopolitismus ist allerdings nicht möglich. Das Prinzip geht auf die Antike zurück und bezeichnet eine Haltung, die den ganzen Erdkreis als Heimat ansieht.« Sagt der Autor und hat Recht. »Ein kosmopolitischer Konsument kauft demnach Oliven aus Marokko und nicht von einer Burn-out-Therapie-Farm im Breisgau.(…) Ein kosmopolitischer Konsument will die besten Sardinen, die schnellsten Rennräder und die schönsten Krawatten, ist aber weit davon entfernt, es sich in seiner Best-of-WWWarenwelt gemütlich zu machen. Er liest das Kleingedruckte auf dem Preisschild und setzt sich für faire Produktionsbedingungen ein.« Konklusion des Ganzen: »Die Welt hat mehr zu bieten als das, was in die Gemüsekiste von nebenan passt.«

Danach steht niemand mehr auf. Der Hipster nicht, um den wir nicht trauern sollten, aber auch nicht jene, die sich grundsätzlich damit auseinandersetzen, ob ihr Dasein und Handeln sich tatsächlich darin erschöpfen sollte, Konsument oder Konsumentin zu sein. Kosmopolitisch oder nicht – als Konsumenten sind wir alle ReduPers (reduzierte Persönlichkeiten war der Titel eines Filmes von Helke Sander aus dem Jahr 1977). Und da möchte der Autor uns vielleicht auch haben. Zwölf Cent mehr für ein T-Shirt und schön ist. Umwelt, Planet, Klima, Landgrabbing, Rohstofferschöpfung, Wasserknappheit – das alles spielt überhaupt keine Rolle mehr, wenn wir uns nur entschließen, statt einfach Konsument oder Konsumentin zu sein, das Ganze kosmopolitisch anzugehen.

Solch einen Hipster-Blödsinn sollte man sich nicht allzu oft reinziehen. Sonst wird man unter Umständen nur dümmer.

Geschrieben von:

Kathrin Gerlof

OXI-Redakteurin

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