Wirtschaft
anders denken.

100.000 Wohnungen pro Jahr

28.08.2019
MichaelGaida, Pixabay

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hat ein Sondermemorandum zur Wohnungskrise vorgelegt und ein kommunales Wohnungsbauprogramm im Umfang von 100.000 Wohnungen pro Jahr vorgeschlagen. Den linken Ruf nach Enteignung großer Vermietungskonzerne sehen die ÖkonomInnen skeptisch.

»Der Wohnungsmarkt ist zum Schauplatz von Verteilungskämpfen verkommen. Deutschlandweit fehlen mehr als eine Million Wohnungen. Vor allem in den Ballungsräumen wird Wohnen stetig teurer und für viele Menschen unbezahlbar. Trotz frei verhandelbarer Mieten im Neubau entwickelt der private Markt keine ausreichende Bautätigkeit. Wer jetzt weiter auf Marktkräfte setzt, verfestigt die Spaltung der Gesellschaft.«

Mit diesen begleitenden Worten hat jetzt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik ihr Sondermemorandum zur Wohnungskrise veröffentlicht. Die Diskussionen um mögliche Enteignungen von Vermietungskonzernen und jene um den Berliner Mietendeckel verweisen auf die Dringlichkeit des Themas – aber auch um die Tiefe der Kontroversen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht »Venezuela« gerufen wird, wenn es um Eingriffe ins Eigentum im Sinne gesellschaftlicher Bedürfnisse geht. Und immer bleiben auch viele Fragen offen oder jedenfalls widersprüchlich, etwa, wenn es um die möglichen Folgen sozial begründeter Eingriffe in den Markt geht – wer baut dann noch, hört man dann immer wieder.

Ums Bauen geht es dem Sondermemorandum »Gutes Wohnen für alle« vor allen Dingen. »Nur durch ein angemessenes Wohnungsangebot kann der Druck im Markt dauerhaft vermindert werden«, heißt es bei den kritischen ÖkonomInnen, die entsprechende politische Entscheidungen fordern. Ihr Vorschlag sieht ein kommunales Wohnungsbauprogramm im Umfang von 100.000 Wohnungen pro Jahr vor. Dafür müsste ein öffentliches Investitionsvolumen von 18 Milliarden Euro locker gemacht werden, nach der  Memogruppe solle der Bund 40 Prozent davon aufbringen. Beim Rest soll die gegenwärtige Finanzierungslage helfen: »Die verbleibenden 60 Prozent können durch Kreditaufnahme der kommunalen Wohnungsgesellschaft finanziert werden, denn die öffentliche Hand muss weder hohe Zinsen zahlen noch hohe Renditen erzielen.« Zudem könne »serieller Wohnungsbau die Baukosten deutlich senken«. So solle »ein neuer Grundstock an öffentlichem Wohneigentum aufgebaut werden. Darüber hinaus kann eine moderne Wohnungsgemeinnützigkeit den Markt entlasten«.

»Enteignung letztlich nicht zielführend«

Für die in der gesellschaftlichen Linken geführte Debatte interessant ist die Skepsis der AutorInnen, was die inzwischen durchaus populäre nach Enteignung von Vermietungskonzernen betrifft: »Die Enteignung von privatem Wohneigentum ist dabei letztlich nicht zielführend. Sie ändert am fehlenden Wohnungsangebot nichts. Die mit einer Enteignung verbundenen Entschädigungszahlungen würden Finanzinvestoren mit Mitteln für neue Spekulation ausstatten«, so die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.

»Angesichts der großen Probleme ist es wichtig und richtig, die Eigentumsfrage zu stellen«, so heißt es in dem zwölfseitigen Sondermemorandum. Die ÖkonomInnen unterstreichen auch die Verdienste der Berliner Initiative »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« – schreiben aber ein dickes Aber hinter deren Forderung, nach Artikel 15 Grundgesetz große Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen und mit Gewinnerzielungsabsicht zu vergesellschaften. Warum? Anders als bei den Rekommunalisierungen lokaler Versorger, bei denen in den vergangenen Jahren kommunalpolitischer Fehler korrigiert wurden, gehe es im Immobilienbereich »um weit größere Vermögenswerte«, zudem sei die rechtliche Situation »völlig anders«.

Entscheidend sei, dass Rekommunalisierungen von Stadtwerken »nicht billig, aber leistbar« gewesen seien, dies sei aber nicht einfach auf den Wohnungsbereich zu verallgemeinern: Hier »wären erhebliche finanzielle Mittel aufzubringen, die bei der Finanzierung kommunalen Wohnungsbaus fehlen würden.« Das Sondermemorandum spricht mit Blick auf Berechnungen der EnteignungsbefüworterInnen vom Versuch, die »Quadratur des Kreises« zu schaffen: »Das Privateigentum muss geachtet werden, aber seine Vergesellschaftung soll nicht viel kosten.« Es komme aber »nicht nur darauf an, die Eigentumsfrage zu stellen. Sie muss auch realistisch beantwortet werden«.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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