6,55 Euro von jedem Bürger: Staatsleistungen an die Kirchen erreichen neuen Rekordstand
Der bayerische Kreuzerlass hat viele Schlagzeilen gemacht – deutlich mehr als eine Meldung, die über das Verhältnis von Staat und Kirche eigentlich viel mehr aussagt. Immerhin geht es ums Geld. Um viel Geld. Um 17,9 Milliarden Euro Staatsleistungen seit 1949.
Der bayerische Kreuzerlass hat viele Schlagzeilen gemacht und viel Kritik hervorgerufen – deutlich mehr als eine Meldung, die über das Verhältnis von Staat und Kirche eigentlich viel mehr aussagt. Immerhin geht es ums Geld. Um viel Geld. Um die Staatsleistungen an die Kirchen. »Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden mittlerweile 17,9 Milliarden Euro ausgezahlt, und jedes Jahr wird mehr Geld überwiesen«, so formuliert es Johann-Albrecht Haupt von der Humanistischen Union, welche die Zahlen recherchiert hat. Allein in diesem Jahr an die beiden großen Kirchen ging demnach in diesem Jahr die Rekordsumme von 538 Millionen Euro. Eine Übersicht weist zudem die einzelnen Zahlungen der Länder an die beiden Kirchen pro Jahr seit 1949 aus. Heruntergerechnet gehen 2018 an die evangelische Kirche rund 314 Millionen, an die katholische rund 224 Millionen Euro. Je Einwohner in Deutschland kommt man so auf einen Betrag von 6,55 Euro.
»Bei den Staatsleistungen handelt es sich um zweckbindungsfreie staatliche Zahlungen an die evangelischen Landeskirchen und die katholische Kirche«, heißt es bei der Humanistischen Union. »Sie werden von allen Bundesländern – mit Ausnahme von Hamburg und Bremen – Jahr für Jahr an die beiden großen Kirchen in Deutschland überwiesen. Wofür und wie die Kirchen sie verwenden, darüber sind sie keinerlei Rechenschaft schuldig.«
Nicht nur der Verband, sondern auch Grüne und Linkspartei setzen sich seit längerem für einen Stopp dieser Form der Kirchenfinanzierung ein. »Die Zahlungen werden allgemein als Entschädigung für Enteignungen im Zuge der Reformation bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts begründet«, so die Humanistische Union. Die 1919 in Kraft getretene Weimarer Reichsverfassung (Artikel 138) sowie das Grundgesetz (Artikel 140) schreiben als Folge der Trennung von Staat und Kirche eigentlich auch die Ablösung der Staatsleistungen, also die Beendigung dieser Zahlungen, vor. Gezahlt wird unterdessen weiter.
Nicht verwechselt werden sollten die Staatsleistungen mit leistungsgebundenen Zahlungen an Kirchen bzw. kirchliche Träger, bei denen die öffentlichen Hände etwa konkret für sozial-karitative Aktivitäten, den Betrieb von Schulen, Kindergärten und so weiter, für Maßnahmen der Entwicklungshilfe an die Kirchen Geld überweisen. Was die Steigerung der Staatsleistungen angeht, heißt es bei der Humanistischen Union: »Die stetige Anhebung der Staatsleistungen erklärt sich aus der in den Kirchenverträgen festgelegten Koppelung an die Entwicklung der Beamtenbezüge. Der Rückgang der Zahl der Kirchenmitglieder wird dagegen nicht berücksichtigt.«
Die FAZ schreibt, die evangelische Kirche verlor 2010 bis 2016 etwa zwei Millionen Mitglieder, die katholische Kirche etwa eine Million Mitglieder. Die Kirchen selbst stehen einem Ende der Staatsleistungen gar nicht mal ablehnend gegenüber, sie verweisen allerdings darauf, dass dann »eine angemessene Abschlusszahlung« erfolgen müsse. Auch diese leite sich aus der Verfassung ab. Die Zeitung erinnert darüber hinaus noch an Schätzungen des Publizisten Carsten Frerk, laut dem die jährlichen Zahlungen an die Kirchen aus öffentlichen Mitteln in Wahrheit insgesamt im zweistelligen Milliardenbereich liegen. Laut Frerk, der dies für 2009 berechnete, kommen dann neben 9,3 Milliarden Euro Kirchensteuer noch rund zehn Milliarden Euro jährlich »aus staatlichen Zuweisungen, Kostenübernahmen, Steuerbefreiungen, Einnahmeverzichten oder Zuschüssen« zusammen.
Foto aus: A. Ludorff, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Soest / Gemeinfrei
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