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Absturz mit Grundeinkommen

03.05.2017
Foto: Ulysse Bellier / Wikipedia CC BY 2.0 Sein Vorschlag eines Grundeinkommens interessierte niemanden - der sozialistische Kandidat Benoït Hamon.

Ein »allgemeines Einkommen« für alle. Der sozialistische Spitzenkandidat Benoït Hamon erhielt im ersten Wahlgang nur gut sechs Prozent, auch wegen dieser Forderung.

Die einzige innovative Idee im französischen Präsidentschaftswahlkampf stammt vom größten Verlierer mit lediglich etwas mehr als sechs Prozent Stimmenanteil im ersten Wahlgang – von Benoït Hamon, dem offiziellen Spitzenkandidaten des Parti Socialiste (PS). Er wurde freilich von der eigenen Parteispitze um Manuel Valls und François Hollande so wenig akzeptiert wie seine Idee vom garantierten Grundeinkommen. Dieses heißt auf Französisch »revenu universel«; und meint wörtlich übersetzt etwas anderes als das deutsche Wort, nämlich »allgemeines Einkommen«.

Was damit gemeint ist, ist denn auch noch etwas unklarer als der deutsche Begriff vom garantierten und bedingungslosen Grundeinkommen, obwohl Hamon – im Gegensatz zu den deutschen Vorkämpfern vom ehemaligen dm-Manager Götz Werner und einigen Spitzenmanagern bis zur Linkspolitikerin Katja Kipping – die Höhe des Einkommens und den Kreis der Anspruchsberechtigten klar begrenzte.

Grundeinkommen à la France

Die Vorstellung von einem »Grundeinkommen« ist in Frankreich nicht ganz neu, aber bedeutend weniger stark im Blickfeld als hierzulande. Schon 2010 forderte die vom Linksliberalen Dominique de Villepin gegründete Splitterpartei »Solidarische Republik« ein »Bürgereinkommen von 850 Euro« monatlich für alle. Außerhalb der Wissenschaft und der Fachpresse wurde das Thema wenig beachtet, geschweige denn debattiert. Auch Hamons Vorstoß für ein »allgemeines Einkommen« war im Wahlkampf 2017 so neu und so unbekannt, dass Hamons Gegner kaum darauf eingingen. Die Konkurrenten Hamons konzentrierten sich auf die Polemik gegen den Linken Jean-Luc Mélenchon und dessen Sympathien für Hugo Chavez‘ Venezuela und Castros Kuba. Sie warfen Mélenchon vor, Frankreich einen »Sozialismus ohne Öl und ohne Sonne« aufzwingen zu wollen. 188 weltweit bekannte ÖkonomInnen, darunter zwölf Nobelpreisträger, wandten sich in einem Atemzug gegen europakritische Punkte in Mélenchons Wahlprogramm und gegen den offen antieuropäischen Kurs des Front National. Hamons Forderung erwähnten sie dagegen mit keinem Wort.

»Allgemeines Einkommen« und Bürgerversammlung

Hamon setzte im Wahlkampf vor allem auf die Themen Soziales und Umwelt. Dazu gehörte: die Erhöhung der Mindestlöhne, die Schaffung von 500.000 Arbeitsplätzen im Sozialsektor, eine Steuer für SpitzenverdienerInnen und ein neues Arbeitsrecht. Und eben ein »allgemeines Einkommen« für »Arbeiter, Angestellte, Selbständige und Studenten«, die weniger als 2.200 Euro netto monatlich zur Verfügung haben. Er formulierte diese Idee im Kontext der digitalen Revolution und des damit verbundenen Abbaus von Arbeitsplätzen in der Industrie und im Dienstleistungssektor.

Das »allgemeine Einkommen« sollte in zwei Etappen eingeführt werden: 2018 wollte Hamon das soziale Mindesteinkommen (anstelle von Sozialhilfe) um zehn Prozent auf 600 Euro erhöhen; alle 18- bis 25-Jährigen sollten einen Anspruch auf ein existenzsicherndes Einkommen erhalten. In der zweiten Phase sollte eine »große Bürgerkonferenz« über ein allgemeines Einkommen beraten und über dessen Höhe bestimmen; als Untergrenze nahm er 750 Euro monatlich an. Hamon rechnete mit Gesamtkosten von rund 470 Milliarden Euro im Jahr. Finanziert werden sollte das Projekt mit dem Wegfall von bisherigen Sozialleistungen (Familiengeld, Wohngeld, Mindesteinkommen) und mit Steuererhöhungen von bis zu hundert Prozent.

Auch Fachleute, welche die Idee nicht ablehnen, kritisierten, das Konzept von Hamon sei vage, unterkomplex und werde der sozialen und politischen Tragweite des Vorhabens nicht gerecht. So formulierten es die kritischen ÖkonomInnen der Gruppe Économistes atterrés und der Fondation Copernic in ihrer Broschüre »Brauchen wir eine allgemeines Einkommen?« Ein solches solidarisches Gesellschaftsprojekt komme – so der Tenor der Broschüre – ohne ein sorgfältig begründetes und solide durchgerechnetes Finanzmodell nicht aus. So scheiterten in der Schweiz zwei Volksabstimmungen über ein Grundeinkommen (2011 und 2016), wohl auch weil dessen Finanzierung nicht transparent war.

Im ersten Wahlgang gab es in Frankreich nicht einmal eine ernsthafte Debatte über Hamons Projekt. Die liberale Tageszeitung Le Monde prognostizierte schon zehn Tage vor der Wahl, das einzig Unbekannte sei das Ausmaß der Demütigung an den Wahlurnen, die Hamon mit dem Vorschlag zu gewärtigen habe. Der Vorschlag wurde entweder als »utopisch« auf die Seite geschoben oder ganz ignoriert. Viele von Hamons Parteigenossen – angefangen bei Manuel Valls und François Hollande – hatten nur ein mildes Lächeln für Kandidaten und Vorschlag übrig.

Geschrieben von:

Rudolf Walther

Historiker

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