Wirtschaft
anders denken.

»Ach, in den Medien«: Wambach, die plurale Ökonomik und ein schönes Beispiel dafür, wie Framing geht

07.06.2018
Tasch Michael ,Lizenz: CC BY-SA 4.0Symbolbild "Leermeinung". Was Lustigeres fiel uns nicht ein.

Achim Wambach führt den »wichtigsten Ökonomenverband in Deutschland« und »distanziert sich klar von pluraler Ökonomik«. Anmerkungen zu einem Interview, das selbst ein schönes Beispiel für die Engführung des Denkens in den Wirtschaftswissenschaften ist. 

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein weithin gefragter Ökonom, so etwas wie ein Multifunktionär vielleicht sogar, Sie können sich in einem ganzseitigen Interview mit einer großen Sonntagszeitung ausbreiten, und ganz am Ende kommt das Gespräch auf die plurale Ökonomik und die Debatte über ideologische Engführung und fehlenden Pluralismus in den Volkswirtschaften – und Sie antworten dann mit Blick auf diejenigen, die sich für mehr Vielfalt in der Ausbildung und Forschung engagieren: »Ach, in den Medien wird diese Bewegung sicher immer wieder auf Resonanz stoßen.«

Nun, Achim Wambach weiß natürlich auch, wie Framing geht: Da sind also »die Medien«, die interessieren sich für Dinge, von denen sie auch nicht viel verstehen, was teils ja auch stimmt, das führt zu einer Resonanz, die in Wahrheit keine ist. Nämlich: »inhaltlich hat uns die plurale Ökonomik nicht weitergebracht«. Das macht dann schöne Schlagzeilen wie »Ökonomenverband hält Kollegen für rückwärtsgewandt« oder Teaser wie »Der wichtigste Ökonomenverband in Deutschland distanziert sich klar von pluraler Ökonomik, die seit der Finanzkrise vermehrt Zulauf gefunden hat.«

Merke: Was sich an kritischer Haltung und Skepsis gegenüber den »führenden Ökonomen« oder der Glaubensbereitschaft gegenüber den Modellen und Prognosen ihrer Denkschulen in die Gehirne der Leserinnen und Leser eingeschrieben haben könnte seit der letzten großen Krise, die auch eine der vorherrschenden Volkswirtschaft war, soll nun wieder überschrieben werden – mit dem Tenor: Ein bisschen Kritik und Debatte war ja ganz ok, aber »wenn es darum geht, die nun in den Fokus gerückten Probleme anzupacken – etwa die Beurteilung von systemischen Risiken oder die Auswirkungen der neuen Bankenregulierung – da hilft die Reaktivierung alter Denkschulen nicht weiter. Dafür braucht man eine ordentliche ökonomische und ökonometrische Ausbildung.« Heißt irgendwie auch: Was die plurale Ökonomik da treibt ist »unordentlich«.

Schwingt oft kapitalismuskritische Agenda mit

Das kommt von Wambach nicht überraschend, nicht lange her, da sprach er davon, »der pluralen Ökonomenbewegung« gehe »es vielfach mehr um Politik als um Wissenschaft, da schwingt oft eine markt- und kapitalismuskritische Agenda mit«. Auch das könnte man in die Abteilung Framing packen: Er dreht die Kritik der pluralen Ökonomik an der Agenda der bisher »führenden Ökonomen« einfach um, die besagt, diese würden sich hinter einer Objektivitätsfiktion verschanzen, ihre Ratschläge und Einlassungen laufen aber ganz klar selbst auf eine politische Agenda hinaus, nur ist die eben alles andere als kapitalismuskritisch.

Interessant ist, wie die Zeitung mit dem Interview umgeht. Die Überschrift lautet »Das Vertrauen wurde erschüttert«, und wenn man weiterliest, erfährt man, dass das Gespräch sich auch um »die Realitätsferne der Wirtschaftswissenschaft« drehen soll. Wambachs Antwort »Das Vertrauen wurde erschüttert« zielt aber gar nicht darauf, sondern auf die Frage der Weiterwirkung von Verträgen nach einem politischen Wechsel (hier: von Obama zu Trump). Auf die dann folgende Bemerkung der Zeitung, »Erschüttert wurde auch das Vertrauen in Ihre Wissenschaft, die Volkswirtschaftslehre«, verteidigt Wambach eher die Zunft, die zwar manches in Modellen nicht hinreichend berücksichtigt habe, weil es »bis dahin im realen Leben keine so großen Probleme bereitet« hätte – aber in Wahrheit sei das Ganze den Ökonomen »aber auch vor der Finanzkrise« klar gewesen.

Über die Frage, ob »bei der Umweltökonomik, der Energieökonomik, im Finanzbereich oder auch der Finanzwissenschaft«, wie es Wambach behauptet, »nichts von den Pluralen« komme, sollen Leute urteilen, die sich  besser auskenne. Hier nur noch ein kleiner Hinweis auf zwei Sätze in den Antworten Wambachs, den man als ein schönes Beispiel für die Engführung des Denkens nehmen könnte.

Den Kopf in der Röhre stecken lassen

Die »Welt« formuliert es so: »Der Vorsitzende des Vereins für Socialpolitik sagt, was Volkswirte heute bräuchten.« Und Wambach wörtlich: »Wenn die Studenten Ringvorlesungen dazu organisieren, um die historischen Denkschulen besser zu verstehen, dann finde ich das sinnvoll. Aber sie sollten nicht glauben, dass dies das Rüstzeug ist, mit dem sie später im Wirtschaftsministerium oder bei der Europäischen Zentralbank arbeiten werden.«

Was wird hier eigentlich gesagt? Dass es schon okay ist, auch mal Karl Marx zu studieren und John Maynard Keynes wirklich zu lesen. Dass das aber unnützes Wissen ist, weil die Anforderungen des Marktes (hier: Arbeitsmarkt) und der begrenzte ökonomische Horizont der real existierenden Institutionen wirtschaftspolitischer Steuerung ein solches Wissen gar nicht nachfragen. Oder kurz gesagt: Hier rät ein Ökonomenverbandschef dem wissenschaftlichen Nachwuchs dazu, den Kopf in der Röhre stecken zu lassen, weil man nur so Multifunktionär werden kann und sich in ganzseitigen Interviews über das Medienecho einer pluralen Bewegung lustig machen kann.

Studentinnen und Studenten aller Fakultäten, hört die Signale.

Geschrieben von:

Tom Strohschneider

Journalist

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