Wirtschaft
anders denken.

Ein bisschen FDP, ein bisschen DM-Partei

09.03.2016
Ein alter 10-D-Mark-Schein und mehrere MünzenFoto: Uwe Paulat / flickr CC BY-ND 2.0 LizenzDie D-Mark! Sehnsuchtswährung einer Mehrheit der AfD-WählerInnen.

Was will die AfD? Wirtschafts- und sozialpolitisch steht die Anhängerschaft der Rechtsaußen-Partei zwischen Standortnationalismus und Marktradikalismus.

Immer wieder geriert sich die AfD als Anwalt der »kleinen Leute«. Führende VertreterInnen der Rechtsaußen-Partei machen allerdings gern auch gegen »neosozialistische Ideologen« und »realitätsferne Sozialromantik« Front – und erklären: »Deutsche Wirtschaftsinteressen müssen im In- und Ausland als oberstes Interesse umgesetzt werden.« Nun zeigt eine Umfrage unter den Mitgliedern, was ein Teil der AfD-Anhängerschaft auch wirtschafts- und sozialpolitisch denkt. Ihnen wurden verschiedene Aussagen vorgesetzt, über die sie abstimmen konnten – bisweilen gab es allerdings nur eine Option und keine Wahl.

Mehr Zuverdienst, weniger Sozialabgaben für Beschäftigte

91 Prozent stimmen zum Beispiel der Forderung nach einer Alternative zum Arbeitslosengeld II zu – wobei das Hartz-System offenbar nicht wegen seiner repressiven Elemente und der für die Armutsverhinderung viel zu geringen Höhe abgelehnt wird. Als Alternative wollen die AfD-AnhängerInnen eine »aktivierende Grundsicherung«, die mehr Zuverdienstmöglichkeiten eröffnen soll, praktisch aber eine staatliche Subventionierung von Billigjobs darstellen würde. In eine ähnliche Richtung geht die Forderung, die Unternehmensbeiträge zur Sozialversicherung im Falle der Weiterbeschäftigung von Menschen im Rentenalter zu streichen – dafür sprechen sich 75 Prozent der AfD-AnhängerInnen, die an der Umfrage teilnahmen, aus.

54 Prozent votierten überdies für eine Abkehr von der verpflichtenden gesetzlichen Unfallverpflichtung für Beschäftigte – diese sollen sich unter der Losung »Flexibilität« freiwillig entscheiden: »Es findet sich eine Vielzahl von privaten Angeboten, mit deren Hilfe Unfallrisiken angemessen abgesichert werden können. « Generell hält man bei der AfD die Sozialabgaben zu hoch«. »Auch der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands leidet darunter«, heißt es – weshalb »grundlegende Reformen« angestrebt seien. Welche das sind, sagt die Vorgabe in der Umfrage nicht.

Den Sozialausgleich abschaffen

Was die Krankenversicherung angeht, zielte die Frage der AfD an ihre AnhängerInnen auf den »Sozialausgleich«, also die nicht mehr paritätische Finanzierung durch UnternehmerInnen und Beschäftigte. Die meisten Mitglieder votierten in der Umfrage dafür, die Unternehmen völlig von Gesundheitsabgaben zu befreien – es solle »eine Basisversorgung durch eine allgemeine Krankenkasse« geben, wobei die AfD »den Sozialausgleich abzuschaffen« gedenke, »so dass alle Bürger dieselbe Prämie zahlen müssen«. 24 Prozent wollen eine »freie Wahl der Krankenkasse ohne Bemessungsgrenze und Sozialausgleich«, 19 Prozent wollen »das bisherige System« beibehalten.

Ein neues unternehmerfreundlicheres Steuersystem

Ein wenig nach FDP klingt die kurze Passage zur Steuerpolitik: 93 Prozent der AfD-AnhängerInnen stimmen der Aussage zu: »Die AfD ist für ein Steuersystem, das einfacher und gerechter ist«, es soll kleine und mittlere Einkommen entlasten – aber wie das geschehen soll, bleibt unklar. Denn zugleich soll es »Steuererhöhungen und neue Steuern« nur »im Einklang mit der Steuer- und Abgabenbremse geben«. Diese »Bremse« soll ähnlich wie die Schuldenbremse angelegt sein, und »die maximale Summe der Belastung auf einen bestimmten Prozentsatz im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt« festschreiben. Dafür sprachen sich 89 Prozent der AfD-WählerInnen aus.

Eine Formulierung zur Steuerhinterziehung wie noch in den alten »politischen Leitlinien« der AfD, die 2014 unter der Ägide von Bernd Lucke beschlossen worden waren, sucht man in der Umfrage vergebens. Dafür eine Passage, nach der sich die AfD »für die Wiederherstellung von Bank- und Steuergeheimnis« einsetzt – 80 Prozent der AnhängerInnen votierten in der Umfrage dafür. Auch wird das Lied des Bürokratieabbaus gesungen: 93 Prozent der Mitglieder wollen »deutliche Vereinfachungen zum Beispiel beim Hunger nach statistischen Daten, beim betrieblichen Beauftragtenwesen, bei betrieblichen Sicherheitsbestimmungen und Bürokratieabbau beim Mindestlohn«.

Apropos Mindestlohn. Mehrfach hatten AfD-PolitikerInnen sich gegen die gesetzliche Lohnuntergrenze ausgesprochen. Da macht ein Teil der Mitgliedschaft der Rechtsaußen-Partei aber nicht mit. Knapp 50 Prozent sprachen sich bei dem Thema in der Umfrage für »Option 3« aus: Der Mindestlohn wird als Korrektur der »Position der Niedriglohnempfänger als schwache Marktteilnehmer gegenüber den Interessen der Arbeitgeber als vergleichsweise starke Marktteilnehmer« betrachtet – und als Schutz »vor dem durch die derzeitige Massenmigration zu erwartenden Lohndruck«. Knapp 40 Prozent der AfD-AnhängerInnen wollen allerdings eine »Reform« des Mindestlohns – beziehungsweise seine Abschaffung.

»Der Euro ruiniert Europa«

In der Euro-Politik gibt es unter den Rechtsaußen eine Mehrheit für »eine Volksabstimmung über den Verbleib Deutschlands im Euro, sofern die EU nicht unverzüglich zu den ursprünglichen Stabilitätsgrundsätzen des Euros zurückkehrt – das heißt zum Vertrag von Maastricht: keine Transferunion, keine Staatsfinanzierung durch die EZB, keine Kollektivhaftung der Mitgliedsstaaten, keine rechtswidrigen Dauerrettungen«. 93 Prozent stimmen der Aussage zu, die AfD strebe »nationale und marktwirtschaftliche Lösungen bei Haftung und Bankenaufsicht« an. Und aus »Sorge um unser Geld« wollen 81 Prozent »auch darüber nachdenken«, ob »grundsätzlichere Reformen am Geldsystem« möglich sind – welche, bleibt offen. Allerdings wird gefordert, dass »das Gold der Bundesbank ausschließlich im deutschen Inland gelagert werden« soll.

Kultur? Privat gefördert!

Zwei Drittel der AnhängerInnen halten »ein gewisses Maß an staatlichen Kultursubventionen für unumgänglich«, wollen diese aber »an die selbst erwirtschafteten Einnahmen der Kulturbetriebe« koppeln. Ein Viertel lehnt die öffentliche Förderung von Kultur sogar ab: 25 Prozent sagten, »staatliche Subventionen für Kulturbetriebe sind grundsätzlich abzuschaffen. Sie werden häufig missbräuchlich im Dienste der ›political correctness‹ eingesetzt. Private Förderung und Mäzenatentum sind ausreichend.«

An der Umfrage, die in zwei Etappen im Dezember und Februar durchgeführt wurde, beteiligten sich laut der AfD etwa 30 Prozent der angeschriebenen Mitglieder. Die Programmfindung läuft bereits seit Jahren, bereits vor der Abspaltung des konservativ-neoliberalen Flügels um Parteigründer Lucke Mitte 2015 ging es los – seither ist die AfD aber noch weiter nach rechts gerückt. Wie weit, wird sich auch im Programm niederschlagen: Darüber soll ein Parteitag Ende April, Anfang Mai in Stuttgart befinden.

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