Wirtschaft
anders denken.

Afrikas Handelspolitik vor großen Herausforderungen

03.04.2019
Foto: SteKrueBe , Lizenz: CC BY-SA 3.0Stückgutumschlag im Hafen Cotonou

Die Debatte über eine WTO-Reform, über eine afrikanische Freihandelszone und über einen neuen Partnervertrag zwischen der EU und Afrika läuft. Die drei Vorhaben haben weitreichende Folgen für unseren Nachbarkontinent.

Über Handelsfragen hört man fast nur, wenn US-Präsident Trump neue Zölle gegen chinesische Importe erhebt oder Mexiko und Kanada zwingt, ein neues Handelsabkommen abzuschließen. Doch abseits des Trump’schen Handelsgetöses wird über eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO), über eine afrikanische Freihandelszone und über einen neuen Partnervertrag zwischen der EU und Afrika diskutiert. Die drei Vorhaben haben weitreichende Folgen für unseren Nachbarkontinent.

Die Zukunft des Handels zwischen EU und Afrika

Seit Mitte 2018 verhandeln die EU und die Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) ein neues Partnerschaftsabkommen. Es wird das Cotonou-Abkommen ablösen, dass seit 2002 die entwicklungs- und handelspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und den AKP-Staaten geregelt hat. Auch das neue Abkommen soll eine Laufzeit von 20 Jahren haben und die Leitlinien der Zusammenarbeit definieren.

Bei den handelspolitischen Zielen des neuen Partnerschaftsabkommens finden sich Überschneidungen zwischen der EU- und der AKP-Position. Beide Verhandlungspartner wollen Produktionskapazitäten im Globalen Süden aufbauen und die Wertschöpfung in den AKP-Staaten stärken (hier und hier). Die Methoden zur Erreichung dieser Ziele unterscheiden sich jedoch grundlegend.

Die EU will die Wettbewerbsfähigkeit der AKP-Staaten durch eine Verbesserung des dortigen Investitionsklima erreichen. Bürokratische Hürden bei der Gründung eines Unternehmens, der Registrierung von Eigentum oder bei behördlichen Genehmigungen sollen abgebaut, Infrastrukturen hingegen aufgebaut werden. Der EU-Ansatz setzt auf einen möglichst freien Zugang für ausländische Investoren und auf die Kraft des freien Marktes. Zudem sollen die AKP-Staaten ihre eigenen Unternehmen nicht subventionieren und ausländische Investitionen schützen. Die Themen Investitionen und Wettbewerbspolitik waren schon während der Verhandlungen um die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) zwischen der EU und Afrika ein heißes Eisen und wurden von afrikanischen Staaten verhindert.

Allerdings zeigen zahlreiche Fallstudien aus der Entwicklungsforschung, dass der Fokus auf das Investitionsklima nicht ausreicht. Erfolgreiche Länder wie viele der asiatischen „Tigerstaaten“ setzten auf eine vom Staat gesteuerte Industriepolitik, die eine Diversifizierung der Wirtschaft zum Ziel hatte. Eine solche Industriepolitik wäre auch für die von Rohstoffexporten abhängigen afrikanischen Staaten relevant.

Die AKP-Staaten vertreten dementsprechend die Position, dass sie Investoren Regeln und Pflichten setzen dürfen. Darunter fallen auch Investitionsbedingungen wie die Übertragung von Technologien an einheimische Unternehmen. Ein Wettlauf zwischen den Staaten um möglichst geringe Standards zur Anlockung von ausländischen Investoren solle aktiv verhindert werden. 

Auch bei der Handelspolitik widersprechen sich die EU- und die AKP-Position. Die EU sieht die in den letzten zwei Dekaden mit einigen afrikanischen Staaten abgeschlossenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) als großen Erfolg der bisherigen Partnerschaft. Viele afrikanische Staaten lehnen die EPAs jedoch ab, auch da sie die regionale Integration und Bemühungen zur Gründung einer afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) unterlaufen (s. unten). 

WTO-Reform – ein Ausweg aus der Sackgasse?

Die 1994 gegründete Welthandelsorganisation soll die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Staaten regeln. Mit verschiedenen Abkommen wird der Abbau von Handelsbarrieren im Güter- und Dienstleistungshandel sowie der Schutz des geistigen Eigentums geregelt. Doch seit 2001 befindet sich die WTO in der Sackgasse. Mit der damals gestarteten sogenannten Doha-Entwicklungsrunde sollten die Entwicklungsländer besser in den Welthandel integriert werden. Doch über den Inhalt der Doha-Runde wird seitdem gestritten. Die Handelsrunde kann erst beendet werden, wenn alle 164 WTO-Mitgliedsstaaten zustimmen. Die WTO befindet sich seit Jahren in einer Sackgasse. Und die Industrieländer versuchen nicht erst seit Trump verstärkt bilaterale Handelsabkommen wie CETA, TTIP oder die EPAs an der WTO vorbei abzuschließen.

Die EU-Kommission hat im September 2018 ein Konzept zur Reform der WTO vorgelegt (hier). Um den Stillstand zu durchbrechen, schlägt die Kommission die Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip vor. Handelsthemen und Liberalisierungsvorschläge, denen nicht alle Mitglieder zustimmen wollen, sollten laut Kommission auch durch eine Mehrheit beschlossen werden können. Die Vorteile sollten dann allen Ländern zugutekommen, aber kein Land sollte gezwungen werden, an der Liberalisierung teilnehmen zu müssen. Die Handelsminister der Afrikanischen Union lehnen diesen Vorschlag dennoch ab. Sie befürchten, dass afrikanische Interessen – wie der Schutz der eigenen Landwirtschaft und die Erlangung handelspolitischer Spielräume zur eigenen Industrialisierung – komplett von der WTO-Agenda verschwänden.

Überraschend ist, dass die EU-Kommission auch inhaltliche Reformvorschläge macht. Sie wird damit kaum als neutraler Mittler wahrgenommen werden. So fordert sie, dass staatliche Subventionen der einheimischen Wirtschaft stärker kontrolliert werden sollten und dass ausländische Investoren nicht zum Transfer von Technologien und zur Zusammenarbeit (Joint Ventures) mit einheimischen Unternehmen gezwungen werden dürften. Diese Forderungen richten sich vor allem gegen China und die dortige Industriepolitik. Setzt sich die EU-Kommission mit ihren Forderungen jedoch durch, nimmt sie anderen aufholenden Ländern diese industriepolitischen Werkzeuge.

Auch sollten laut EU-Kommission Sonderbehandlungen und Ausnahmen („Special and Differential Treatment“) hinsichtlich der Handelsliberalisierung für Entwicklungs- und Schwellenländer begrenzt werden. Die afrikanischen Handelsminister und andere Entwicklungsländer fordern hingegen eine Ausweitung der Sonderbehandlungen und Ausnahmen. Schon die aktuellen Regeln würden ihre Industrialisierung behindern und das Erreichen von Entwicklungszielen erschweren (hier).

Auffällig ist: Während die EU-Kommission vor allem für europäische Unternehmen und gegen China argumentiert, fordern die afrikanischen Handelsminister, dass das Entwicklungsthema weiterhin im Zentrum der WTO-Verhandlungen stehen solle.

Die afrikanische Freihandelszone im Geflecht der EPAs

Im März 2018 haben 44 afrikanischen Staaten eine Afrikaweite Freihandelszone (AfCFTA – African Continental Free Trade Area) beschlossen. Mittlerweile ist diese Zahl auf 52 angestiegen. 18 Staaten haben den Handelsvertrag schon ratifiziert. Er tritt bei 4 weiteren Ratifizierungen in Kraft (Stand 11. Februar 2019, hier). Nigeria hat den Vertrag als zweitgrößte Volkswirtschaft Afrikas jedoch noch nicht unterzeichnet.

Bisher umfasst die AfCFTA den Waren- und Dienstleistungshandel sowie ein Protokoll zur Streitbeilegung. In einer zweiten Verhandlungsphase sollen auch eine einheitliche Wettbewerbs- und Investitionspolitik sowie Regeln über geistiges Eigentum verhandelt werden (hier).

Ziel der innerafrikanischen Freihandelsbestrebungen ist ein größerer gemeinsamer Markt. Dadurch soll die Quote des innerafrikanischen Handels von mageren 16% auf Werte wie in Europa (70%) oder Asien (50%) steigen. Durch größere Absatzmärkte sollen afrikanische Unternehmen und Industrien wachsen und dadurch effizienter und wettbewerbsfähiger produzieren (hier). Nach Berechnungen der UN Wirtschaftskommission für Afrika (UNECA) kann der innerafrikanische Handel allein durch den Abbau von Zollschranken um 52% wachsen. Zwar würden die Staaten circa 4 Milliarden US-Dollar an Zolleinnahmen verlieren, doch die Vorteile vor allem durch geringere Konsumgüterpreise seien 4 mal höher (hier). 

Entscheidend wird sein, wie die Vor- und Nachteile verteilt werden. Länder mit industrieller Basis wie Südafrika, Kenia oder Ägypten könnten weitaus mehr profitieren, während weniger entwickelte Länder eventuell hohe Einnahmeausfälle verkraften müssen und ihre Industrien weiter marginalisiert werden (hier).

Konflikte gibt es auch zwischen den Handelsabkommen der EU mit afrikanischen Staaten (EPAs) und der afrikanischen Freihandelszone. Die EU hat verschiedene EPAs mit unterschiedlichen Regionalblöcken Afrikas beziehungsweise nach komplizierten Verhandlungen mit Einzelstaaten abgeschlossen. Staaten, die ein EPA mit der EU ratifiziert haben, müssen die Handelsvorteile, die sie anderen Staaten mit dem Afrikanischen Freihandelsvertrag gewähren, auch der EU gewähren. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft könnte daran zerbrechen, warnt der französische Ökonom Jacques Berthelot (hier).

Carlos Lopez, der die Afrikanische Union bei den Post-Cotonou Verhandlungen repräsentiert, schreibt zudem, dass die EPAs den innerafrikanischen Handel schwächen und die Industrialisierung Afrikas behindern würden. Forschungen deuten an, „dass es der beste Weg für Afrika sei, die Afrikanische Freihandelszone zu stärken und die EPAs sterben zu lassen“, so Lopez (hier).

Foto: Stückgutumschlag im Hafen Cotonou / SteKrueBe / CC BY-SA 3.0

Geschrieben von:

Nico Beckert

Nico Beckert engagiert sich bei PowerShift e.V. für eine andere Handels-, Rohstoff- und Klimapolitik

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