Wirtschaft
anders denken.

Als die INSM mal Recht hatte

25.05.2016
Ein Screenshot von der INSM Webseite, der ein altes Foto von Norbert Blüm beim Plakatieren seiner Rentenkampagne und eine Aufnahme von der INSM Kampagne zeigt.Foto: ScreenshotFordern diese beiden jungen Herren kräftige Lohnerhöhungen? Nicht ausgeschlossen.

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat eine Plakatkampagne zur Rente aufgelegt. Die transportiert ein paar versteckte Botschaften – aber unbeabsichtigt auch eine Wahrheit über das Rentensystem.

In der Marktwirtschaft erhält nur einen Lohn zum Leben, wer sich für andere gegen Bezahlung nützlich macht, also einen Job hat. Eigentlich. Da dieses Prinzip zielsicher zu Massenarmut und –elend führen würde, gibt es Ausnahmen: Alte, Kranke, Arbeitslose finanziert der Sozialstaat. Das Geld dafür holt er sich aus verstaatlichten Anteilen am verdienten Lohn.

Da der Lohn niedrig sein soll, um die Unternehmen nicht zu belasten, ist auch der Sozialstaat permanent knapp bei Kasse. Das gilt auch für die Rentenkasse. Um die Menschen zu beruhigen, klebte Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) in den 1980er Jahren Plakate mit dem Slogan »Denn eins ist sicher: die Rente«. Nun hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) auf eigenen Plakaten den Slogan variiert. Das Ergebnis ist bemerkenswert.

Die vom Arbeitgeberverband der Metallindustrie finanzierte INSM klebt den Spruch »Denn eins ist sicher: die Rente« mit dem Zusatz »muss erst verdient werden, bevor die Politik sie verteilen kann«. Diesen Zusatz habe Blüm damals »vergessen« beziehungsweise »verschwiegen«, so die INSM auf ihrer Internetseite und warnt: »Heute, genau 30 Jahre später, bemüht die Politik die Rente mal wieder als Wahlgeschenk.«

Was die INSM uns sagen will

Angesichts des INSM-Slogans »Denn eins ist sicher: die Rente muss erst verdient werden« kommen uns folgende Fragen:

  • Das Geld für die Rentner kommt aus der Rentenkasse. Und das Geld für die Rentenkasse kommt aus dem Lohn, den sozialversicherungspflichtig Beschäftigte verdienen. Fordert die – eigentlich ja als neoliberal kritisierte – INSM also kräftige Lohnerhöhungen?
  • Eher nicht. Eher meint sie wohl, dass die Unternehmen die Rente verdienen müssen. Da die Rentenkasse aus dem Lohn finanziert wird – will die INSM uns also klarmachen, dass nicht die ArbeitnehmerInnen den Lohn verdienen, sondern eigentlich die Unternehmen? Findet sie, dass den Firmen der Lohn zusteht? Und was verdienen dann die ArbeitnehmerInnen? Nichts?

Eine Wahrheit spricht die INSM immerhin aus: Ja, die Rente muss immer erst verdient werden, dann wird sie verteilt. Wichtig daran: Dieser Satz gilt, ganz unabhängig, ob es sich um eine umlagefinanzierte Rente handelt, bei der die LohnempfängerInnen an die RentnerInnen zahlen. Oder ob es sich um eine »kapitalgedeckte« Rente handelt, bei der gespart wird und die später ausgezahlt wird.

Warum die Rente immer umlagefinanziert ist

Die kapitalgedeckte Variante steht bei den Neoliberalen wegen der Alterung immer noch hoch im Kurs. Sie soll besser sein als das Umlageverfahren. Da sich das Verhältnis von ArbeitnehmerInnen zu RentenempfängerInnen immer mehr »verschlechtert«, also immer weniger BeitragszahlerInnen für immer mehr BeitragsempfängerInnen aufkommen müssen, haut das Umlageverfahren nicht mehr hin, so ihr Argument. Die magische Lösung: private Vorsorge per Kapitaldeckung.

Jetzt stellt die INSM mit ihrem Spruch doch irgendwie klar, dass zwischen beiden gar kein Unterschied besteht. Das wusste schon vor langem Gerhard Mackenroth, der 1952 sein berühmtes Mackenroth-Theorem formulierte: »Nun gilt der einfache und klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein ›Sparen‹ im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand … Kapitalansammlungsverfahren und Umlageverfahren sind also der Sache nach gar nicht wesentlich verschieden. Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren.«

Bei der privaten Vorsorge legen Menschen Geld an, damit sie im Alter Geld ausgeben können. Dieses Geld soll sich bis zur Rente vermehren, um den Preisanstieg auszugleichen, außerdem soll die Geldanlage Zinsen abwerfen. Das Geld vermehrt sich aber nicht von allein. Der Zuwachs muss erwirtschaftet werden, jedes Jahr aufs Neue, von den aktuell Beschäftigten und von den aktuell tätigen Unternehmen.

Die alte Masche: Jung gegen Alte

Übrigens: Die INSM hat auch eine Studie in Auftrag gegeben, nach der der Rentenbeitrag bis zum Jahre 2027 auf über 22 Prozent steigen könnte, wenn das Rentenniveau stabil bleibt und nicht wie geplant weiter sinkt. Jetzt sollen möglichst viele Beschäftigte denken: Das ist ja schrecklich!

Solche Horrorszenarien gab es schon einmal vor vielen Jahren. Um diese angebliche Bedrohung abzuwenden, hat die Politik die Renten gekürzt. Heute ist der Rentenbeitrag nicht höher, sondern niedriger als zur Jahrtausendwende. RentnerInnen erhalten, gemessen an der Wirtschaftsleistung, keinen größeren, sondern einen kleineren Teil vom Kuchen. Die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung sind von gut zehn Prozent auf gut neun Prozent des Bruttoinlandprodukts gesunken. Wenn es nach der Arbeitgeberlobby geht, sollen alte Menschen künftig noch weniger bekommen. Deshalb versucht die INSM, nochmal mit der alten Masche Junge gegen Alte auszuspielen, auf dass die Rentenbeiträge für Unternehmen nicht steigen. Die Horrorszenarien sind also kein Grund zur Beunruhigung, sondern schlicht kalter PR-Kaffee.

Geschrieben von:

Anonyme OXI-AutorInnen

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