Wirtschaft
anders denken.

Die Gewerkschaften, die Rüstungskonversion und die Bundesregierung 

31.08.2018

Der DGB hat zum Antikriegstag unter anderem »für eine Politik der Abrüstung und Rüstungskonversion« geworben. Die Bundesregierung lässt dazu ein klitzekleines Förderprogramm laufen, ansonsten scheint das Thema Rüstungskonversion bei ihr auf der politischen Tabuliste zu stehen.

Anlässlich des Antikriegstages am 1. September hat der Gewerkschaftsdachverband DGB einen Aufruf zur Abrüstung veröffentlicht. Die Erinnerung an die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch Nazi-Deutschland vor 79 Jahren mahne zu »unumstößlichen« antifaschistischen und friedenspolitischen Lehren. In dem Aufruf verweist der DGB auf neue Spannungen und auf das ungebrochene Hochrüsten: »Das Risiko von militärischen Auseinandersetzungen ist so groß wie seit 1989 nicht mehr«, so der Verband. Erneuert wird die Ablehnung des NATO-Ziels, die Rüstungsausgaben zu erhöhen, nicht zuletzt, weil so Milliarden ins Militärische gelenkt würden, die dann dem Zivilen fehlten: Investitionen in Bildung, Wohnungsbau, Infrastruktur, Energiewende, soziale Sicherheit und so fort.

Der DGB fordert die Bundesregierung zudem auf, »endlich umzudenken und mit ihren EU-Partnern eine gemeinsame europäische Strategie der friedenssichernden Konflikt- und Krisenprävention zu erarbeiten«, die »bei den Ursachen von Kriegen und bewaffneten Konflikten ansetzen« müsse, was in der Konsequenz auf eine Politik der »fairen Gestaltung der Globalisierung und einer gerechteren Verteilung des weltweiten Reichtums sowie« auf »soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte« hinauslaufe. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften treten »für eine Politik der Abrüstung und Rüstungskonversion ein«.

Keine Überlegungen, keine Forschung

Bei der Bundesregierung können die Gewerkschaften diesbezüglich nicht auf große Unterstützung setzen. Wie aus einer aktuellen Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, gibt es über ein einziges Programm zur »Unterstützung von Diversifizierungsstrategien von Unternehmen der Verteidigungsindustrie in zivile Sicherheitstechnologien« hinaus keine »Überlegungen, Planungspapiere oder Mittelrückstellungen hinsichtlich einer Konversion der Rüstungsindustrie«. Bei diesem Programm ist eine ausschließlich zivile Nutzbarkeit nicht einmal Kriterium für die Vergabe einer Projektförderung. Die Regierung hat »keine allgemeingültigen Kriterien für erfolgreiche Konversionsprojekte festgelegt«. Und die Koalition unterstützt über das genannte Förderprogramm, bei dem es »um die Adaption einer militärischen Trainingsplattform zum Umgang mit psychischen Belastungen im Einsatz in den zivilen Markt (Feuerwehr, Polizei, sonstige Einsatzkräfte)« geht, auch »keine Forschung zur Rüstungskonversion«. 

Eine industriepolitische Strategie, die einen Ausstieg aus der Produktion von Tötungswerkzeugen zum Ziel hat, wird man also von der aktuellen Koalition nicht erwarten dürfen. Nicht einmal sieht es so aus, als ob ein solcher Prozess gewollt ist, abgesehen von der Auskunft, dass das Wirtschaftsministerium »plant, in Kürze wieder einen Branchendialog durchzuführen«, bei dem dann n eben der »Verteidigungswirtschaft« auch Betriebsräte und IG Metall mit am Start sind, scheint das Thema Rüstungskonversion geradezu auf der politischen Tabuliste zu stehen. Im Koalitionsvertrag wird zwar von einer restriktiveren Exportkontrolle gesprochen, das war es dann aber auch.

Wie ist der Stand der Debatte?

Wie aus den Angaben der Bundesregierung hervorgeht, beziffert diese die Belegschaften in der »Verteidigungsindustrie« auf 65.000 direkt und 45.000 indirekt Beschäftigte. Wer auf weitergehende Schritte der Abrüstung setzt, sollte eine Antwort dafür haben, was mit diesen Beschäftigten geschieht. Ähnliche Fragen sind aus früheren Zeiten bekannt (Konversion der Werftenindustrie) oder ganz aktuell – siehe etwa die Debatten über die Beschäftigten in der ostdeutschen Braunkohleindustrie. Wie ist der Stand der Diskussion über die Konversion in der Rüstungsindustrie?

2012 räumte Jürgen Brühl von der IG Metall ein, dass das Thema »leider seit 10 bis 15 Jahren brach« liege, »übrigens auch bei der Friedensbewegung«. Er appellierte damals gegenüber der »Tageszeitung«, die »Debatte über Diversifikation und auch Konversion – also die Auffächerung des Sortiments und die Umwandlung von militärisch Nutzbarem in zivil Nutzbares – wieder aufzunehmen«. In einem Papier der Gewerkschaft aus demselben Jahr hieß es, »die Politik« müsse »Diversifikations- und Konversionsprojekte in der wehr- und sicherheitstechnischen Industrie fördern«. Zukunftsweisende Konversion müsse sich auf »neue zivile Produktsegmente« orientieren, »und nicht alleine auf eine Verbreiterung der Produktpalette im Bereich der inneren Sicherheit setzen«. Man setze zudem auf »die  notwendige staatliche Förderung von Grundlagenforschung, Innovationsvorhaben und strategisch wichtigen Zukunftsprogrammen insbesondere für Konversionsprojekte«. Auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall 2015 wurde unter anderem die Forderung beschlossen, »dass der vom Bundeswirtschaftsministerium geplante Inno- vationsfonds für Diversifikationsprojekte angemessen erhöht wird und auch Betriebsräte sowie die IG Metall antragsberechtigt werden«.

Ziel: Beschäftigung sichern

Angesichts der Position der aktuellen Bundesregierung könnte man sagen, die Erwartungen der Gewerkschaften an die Politik in dieser Frage haben sich nicht erfüllt. Das 2016 von der Bundesregierung aufgelegte »Innovationsprogramm zur Unterstützung von Diversifizierungsstrategien von Unternehmen der Verteidigungsindustrie in zivile Sicherheitstechnologien« hat für dieses Jahr einen Etat von 3,8 Millionen Euro. In den vergangenen drei Jahren sind insgesamt rund 21,5 Millionen Euro geflossen. »Der Fonds ist nicht nur unter der Überschrift Schwerter zu Pflugscharen zu sehen, sondern hat das Ziel, Beschäftigung in der Branche perspektivisch zu sichern«, so hat es vor einem Jahr IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger formuliert. Damals hieß es in der Presse, »die Branche hat eine jahrzehntelange Verkleinerung hinter sich«. Und weiter: »Schon aus diesem Grund wollen viele Arbeitnehmervertreter bei der Umwandlung in zivile Produktion mitmachen.«

Derweil versuchen Gewerkschafter von unten die Debatte am Laufen zu halten. Dieser Tage gründete sich in Niedersachsen eine »Gewerkschaftliche Initiative für aktive Friedenspolitik und Militär- und Rüstungskonversion«. Abrüsten und Militärkonversion seien »das Gebot der Stunde«. Man strebe »ein friedliches Niedersachsen mit sozial-gesicherten, ökologischen, rüstungs- und militärfreien Arbeitsplätzen« an und unterstütze deshalb »Initiativen, die sich für Militär- und Rüstungskonversion einsetzen«. Sicher ist: Die Bundesregierung gehört nicht dazu. 

Auch Kritik am DGB

Kritik wurde allerdings auch an der Haltung des DGB laut, weil diese nach Ansicht des Portals german-foreign-policy.com nicht weit genug geht. So habe sich der Gewerkschaftsverband in seiner Erklärung zum Antikriegstag weder »von den deutschen Streitkräften distanziert«, noch »wendet er sich gegen die todbringende Produktion deutscher Rüstungskonzerne«. Die Autoren erinnern zudem an eine Stellungnahme des DGB zum »Weißbuch« des Bundesverteidigungsministeriums aus dem Jahr 2016, in dem die Bundesregierung aufgefordert werde, für »faire Wettbewerbsbedingungen« auf dem europäischen Rüstungsmarkt zu sorgen und ihre »Verantwortung« für die Beschäftigten der »wehrtechnischen Industrie« wahrzunehmen.  

Geschrieben von:

Svenja Glaser

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