Wirtschaft
anders denken.

»Springpunkt« Arbeit: die 10. Marx-Herbstschule läuft in Berlin

26.10.2017
Sabine NussBei der Marx-Herbstschule im vergangenen Jahr.

In Berlin startet am Donnerstag die 10. Marx-Herbstschule – im Mittelpunkt steht bei der Jubiläumsausgabe der Begriff der Arbeit, der »Springpunkt, um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht«.

Es gibt ein Ranking mit dem Namen »Beste Arbeitgeber Weltweit«. Wer da warum draufsteht, soll hier nicht weiter interessieren – es geht um den Begriff. Denn man könnte auch sagen, die, die meist Arbeitgeber genannt werden, sind in Wahrheit die, die sich die Arbeit anderer aneignen – während die, die in der Regel Arbeitnehmer genannt werden, gar keine Arbeit »nehmen«, sondern diese eben: geben. Gegen Lohn.

Dass schon in der Art, wie über Arbeit gesprochen wird, die sozialen Verhältnisse, in denen Arbeit »gegeben« und »genommen« wird, verschleiert werden, ist eine alte Geschichte. Nicht ganz so alt ist die Marx-Herbstschule, in diesem Jahr läuft die zehnte Ausgabe – »ein Lektüre-Seminar, das auf ein Wochenende angelegt ist und seit 2008 jährlich immer Ende Oktober stattfindet«, wie es die Organisatoren beschreiben, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, linke Gruppen und der Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition. Und dieses Mal geht es um – genau: Arbeit.

Wie ein roter Faden

Gelesen werden Auszüge aus dem ersten Band von »Das Kapital«, wobei der Schwerpunkt auf den Begriff gelegt wird, »der wie kein anderer sowohl Marx‘ Kapital als auch die Geschichte des Marxismus beherrscht: Arbeit«. Der Begriff ziehe »sich wie ein roter Faden durch die gesamte Entwicklung des ersten Bandes, ausgehend vom ›Doppelcharakter‹ der Arbeit, dem ›Springpunkt, um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht‹, über die kapitalistische Anwendung, Verwertung und Ausbeutung der Arbeitskraft und ihre Kämpfe bis hin zum historischen Ursprung der kapitalistischen Lohnarbeit durch die sog. Ursprüngliche Akkumulation«, so die Organisatoren.

Am Donnerstagabend startet die Marx-Herbstschule mit einer Auftaktveranstaltung, bei der Renate Mohl, Frieder Otto Wolf und Sergio Bologna verschiedene neuere Kapital-Lesarten vorstellen – sie entstanden bereits im Vorfeld von »1968«, das hier nicht als Jahreszahl, sondern als Signum eines gesellschaftlichen Aufbruchs verstanden werden soll, der nicht zuletzt mit einer neuen Beschäftigung mit den Schriften von Karl Marx einherging. »Woher kam das Bedürfnis, ›Das Kapital‹ neu und anders zu lesen? Welche Kritiken gab es an der marxistischen Tradition? Und in welchem Verhältnis standen diese Lektüren zum politischen Kontext in den jeweiligen Ländern und dem Aufbruch von 1968?«, sind Leitfragen des Abendpodiums im Kunstquartier Bethanien in Berlin. Und wer schnell ist, kann hier noch den Livestream verfolgen. Auch die weiteren Abendpodien werden übertragen.

»Arbeit« an der Theorie und Lückenschluss

Die Herbstschule ist aber vor allem ein Projekt der selbstständigen, kritischen Aneignung des Werkes von Marx – je nach Vorkenntnis werden Gruppen gebildet, die »Arbeit« an der Theorie soll nicht zuletzt eine Lücke schließen zwischen »Marx-Experten« auf der einen Seite und Interessierten sowie politisch Aktiven auf der anderen, so die Veranstalter. Außerdem geht es um ein Angebot für jene, »die bereits eine erste Bekanntschaft mit der Marx’schen Kritik hinter sich haben, aber darüber nicht hinausgelangt sind, weil gerade für diesen nächsten Schritt« das fehlt, was die Marx-Herbstschule ist: ein Laboratorium im wahrsten Sinne des Wortes – denn das kommt vom lateinischen laborare, was »arbeiten« heißt, auch »leiden« oder »sich abmühen«.

Wie man auch im Portal marx200.org lesen kann, sollen bis Sonntag »Passagen zum Arbeitsbegriff aus dem Kapital gemeinsam in textnaher Lektüre« gelesen werden. Hinzu kommen drei große Podien mit internationalen Gästen. Auf der Liste der Teilnehmer stehen María Do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan und Angela McRobbie, die über Kritiken am Marxismus  aus den Bereichen Cultural Studies, Feminismus und Postcolonial-Studies diskutieren werden; Christian Frings, Ehrenfried Galander und Nadja Rakowitz werden sich dem Begriff der Arbeit in »Das Kapital« zuwenden.

Am Samstagabend untersucht Melinda Cooper aus marxistischer Perspektive »am Beispiel der USA, wie Familienwerte entscheidend für die konservative und freie Marktrevolution der 1980er Jahre wurden und warum sie auch heute das politische Leben so stark beeinflussen«. Thomas Kuczynski, Roberto Fineschi, OXI-Autor Michael Krätke, Paula Rauhala und Ljudmila Vasina werden am Sonntag zudem bei einer Konferenz über die »Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte« sprechen. Und eine Party gibt es auch. Das ganze Programm findet sich hier.

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