Wirtschaft
anders denken.

Gestiegene Arbeitskosten: Der OXI-Überblick

11.09.2017
Foto: Cherie A. Thurlby / gemeinfrei

In Deutschland sind die Arbeitskosten gestiegen. Mehr als in vielen anderen EU-Staaten. Was heißt das? Der Blick allein auf das Niveau ist viel zu begrenzt, allenfalls kann man damit lohnsenkende Stimmung verbreiten. In Wahrheit ist der deutsche Wettbewerbsvorteil immer noch gravierend.

„Arbeitskosten in Deutschland deutlich gestiegen“, meldete dieser Tage die Deutsche Presse-Agentur – und berichtet: „Deutlich höhere Gehälter haben den Faktor Arbeit im zweiten Quartal dieses Jahres in Deutschland verteuert. Die Bruttoverdienste lagen 2,9 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums“. Hintergrund sind neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die vergangene Woche veröffentlicht wurden: „Die Arbeitskosten setzen sich aus den Bruttoverdiensten und den Lohnnebenkosten zusammen. Die Kosten für Bruttoverdienste erhöhten sich im zweiten Quartal 2017 im Vergleich zum zweiten Quartal 2016 kalenderbereinigt um 2,9 Prozent, die Lohnnebenkosten stiegen um 0,3 Prozent“, so die Bundesstatistiker.

Aber was heißt hier „deutlich gestiegen“? Helfen kann zum Beispiel ein Vergleich: In den anderen EU-Ländern lagen die Veränderungsraten der Arbeitskosten laut Statistischem Bundesamt im Schnitt bei 1,7 Prozent; in einigen Ländern Osteuropas fielen sie für den Zeitraum zweistellig aus, in Finnland, den Niederlanden und Luxemburg waren sie sogar rückläufig.

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat nun auch neue Daten zu den Arbeitskosten vorgelegt – sie helfen bei der Einordnung weiter. Zwar ist Deutschland was die Privatwirtschaft angeht mit Arbeitskosten von im Schnitt 33,60 Euro pro Stunde unter den EU-Hochlohnländern – aber dort eher „im unteren Bereich“, so die IMK-Expertin Ulrike Stein. Im Euroraum insgesamt betrugen die Arbeitskosten knapp 30 Euro pro Stunde. Stein weist aber auf einen wichtigen Punkt hin: Der Blick allein auf das Niveau der Arbeitskosten ist viel zu begrenzt und kann unter der Losung „zu teuer“ – siehe der Sound der oben genannten Meldung – dann auch dazu beitragen, in der öffentlichen Debatte lohnsenkende Stimmung zu machen.

„Richtigerweise muss man den Kosten auch die Produktivität gegenüberstellen“, so Stein. „Die Relation zwischen Arbeitskosten und Produktivität sind dann die sogenannten Lohnstückkosten. Diese Lohnstückkosten haben sich in Deutschland deutlich schwächer entwickelt als in allen anderen europäischen Ländern.“ So betrachtet kann also von zu hohen Arbeitskosten hierzulande keine Rede sein. „Der hohen Entlohnung steht eine mindestens ebenso hohe Produktivität entgegen.“

Arbeitskosten und Lohnstückkosten

Zwei Dinge kommen hinzu: Zwar liegt die Steigerung der Arbeitskosten pro Stunde in der Privatwirtschaft mit 2,5 Prozent im Jahr 2016 zwar deutlich über dem Schnitt im Euroraum – aber erstens war der Anstieg anderswo auch deshalb so schwach, weil die Arbeitskosten in den Krisenländern stagnierten oder erneut sanken. Zweitens sind die Lohnstückkosten heute zwar auch stärker gestiegen als der Euroraum-Durchschnitt (um 1,8 Prozent im Jahr 2016) – das aber hat die über Jahre hinweg andauernde niedrige Lohnstückkostenentwicklung noch kaum kompensiert. „Es besteht also weiterhin ein deutlicher preislicher Wettbewerbsvorteil Deutschlands“, so IMK-Forscherin Stein.

Letzter und für die Einordnung der Veränderungsraten der Arbeitskosten wichtiger Punkt: Man muss zwischen den verschiedenen Sektoren unterscheiden und die Beziehungen mitbedenken, die aus den unterschiedlichen Niveaus von Arbeitskosten resultieren: Im Verarbeitenden Gewerbe liegen die Arbeitskosten bei 39 Euro – im Dienstleistungsbereich aber nur bei knapp über 30 Euro. Nirgend sonst in der EU ist das Missverhältnis zwischen Industrie und Dienstleistung so groß. Was bedeutet das? „Vom vergleichsweise niedrigen Arbeitskostenniveau in den deutschen Dienstleistungsbranchen profitiert auch die exportstarke Industrie, die dort Vorleistungen nachfragt“, erklärt Stein. Das mit in die Berechnung einbezogen ergibt sich laut IMK für die Industrie ein Kostenvorteil von rund vier Euro pro Stunde. „Damit profitiert die deutsche Industrie wie in keinem anderen Land von den vergleichsweise niedrigen Arbeitskosten im privaten Dienstleistungssektor.“

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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