Wirtschaft
anders denken.

Athen: Wachstum mit EU-Hilfe – bei Obdachlosen

03.06.2016
Durch die Krise wurden viele arbeitslos und konnten bald ihre Miete nicht mehr bezahlen.

71 Prozent der Athener Obdachlosen haben ihre Wohnung in den letzten fünf Jahren verloren. Knapp 22 Prozent sind im vergangenen Jahr obdachlos geworden. Das ergab eine von der EU und der norwegischen Regierung finanzierte Studie des Athener Obdachlosenasyl (KYADA), wie die griechische Tageszeitung Kathimerini meldet.

62 Prozent der Wohnungslosen auf Athens Straßen sind GriechInnen (38 Prozent sind demnach keine griechischen StaatsbürgerInnen, unter ihnen dürften sich viele geflüchtete Menschen befinden), mehr als 85 Prozent sind Männer. Im Großraum Athen sind mehr als 9.000 Menschen von Obdachlosigkeit betroffen.

Von den 451 Wohnungslosen, die KYADA zwischen März 2015 und März 2016 befragte, sagten knapp die Hälfte, sie seien in Folge von Arbeitsplatzverlust obdachlos geworden. Viele GriechInnen haben ihre Jobs in Folge der Krise und der drastischen Sparpolitik der letzten Jahre verloren. Aktuell liegt die Arbeitslosigkeit in Griechenland bei knapp 27 Prozent (EU-weit sind es etwa neun Prozent). Ein Drittel der GriechInnen hat keinen Zugang mehr zu medizinischer Versorgung, weil das öffentliche Gesundheitssystem darnieder liegt. Die Kinderarmut hat sich, wie das Hilfswerk SOS Kinderdörfer mitteilte, seit 2008 auf 40 Prozent verdoppelt. Das neue Sparpaket, das Athen gerade auf Druck der EU beschlossen hat, wird die Situation der Familien nach Einschätzung der Hilfsorganisation weiter verschlimmern.

Die »große Griechen-Bilanz in Bild«

Eine Ironie der Geschichte: Mitte Mai begaben sich ausgerechnet Reporter der Bild »auf die Straßen Athens«, um die »große Griechen-Bilanz in Bild« zu ziehen. Titel: »Immer mehr Griechen leben auf der Straße«.

Für Bild war die »Griechen-Rettung« in gewisser Weise ein eigenes Konjunkturprogramm. Unter Hohn und großem Getöse (»Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen«) trommelte die Springerzeitung für einen harten Kurs der Bundesregierung und forderte für die Verhandlungen mit der SYRIZA-Regierung: »Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen!« Eine Studie hat erst kürzlich die tendenziöse Griechenland-Berichterstattung deutscher Medien, allen voran der Bild, kritisiert. Nun versucht die Zeitung, mit rührseligen Geschichten über »die Menschen, welche die Griechenland-Krise besonders hart getroffen hat«, zu punkten.

Kleiner Trost: Den kontinuierlichen Sinkflug der Bild-Auflage (auf inzwischen deutlich unter zwei Millionen) konnte weder das eine noch das andere aufhalten.

Geschrieben von:

Jan Ole Arps

Journalist

Hinweis

Guter Journalismus ist nicht umsonst…

Die Inhalte auf oxiblog.de sind grundsätzlich kostenlos. Aber auch wir brauchen finanzielle Ressourcen, um oxiblog.de mit journalistischen Inhalten zu füllen. Unterstützen Sie OXI und machen Sie unabhängigen, linken Wirtschaftsjournalismus möglich.

Zahlungsmethode

Betrag