Wirtschaft
anders denken.

Die staatliche Förderung der Atomkraft

11.03.2016
219 Milliarden Euro Subventionen für die Atomenergie seit 1970.Und jetzt fordern die Atomkonzerne auch noch 15 Milliarden Euro Schadensersatz.

Die Atomenergie konnte nur dank jahrelanger staatlicher Förderung in Milliardenhöhe so preiswert werden, wie sie heute ist. Wie unterscheiden sich Preise am Markt und gesellschaftliche Kosten.

Johannes Teyssen »will Gerechtigkeit« . Das erklärte der E.on Vorstandschef angesichts der Verfassungsklage der großen Energiekonzerne gegen den Atomausstieg. Es geht immerhin um 15 Milliarden Euro Schadensersatz, den die Energieversorger für den frühzeitigen Ausstieg aus der Atomkraft, den sie mit einer Enteignung gleichsetzen, fordern. Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Beschwerden sehr ernst. Es befragte Institutionen und Nichtregierungsorganisationen. Diese Woche will es mündlich verhandeln.

Die Subvention der erneuerbaren Energien

Die Forderung nach Gerechtigkeit hört man in der Regel eher von AtomgegnerInnen. Seit Jahrzehnten setzen sie sich für die Stilllegung der Meiler ein. Ob Greenpeace, Atomkraft –Nein Danke oder die Grünen, sie alle fordern den Umstieg auf erneuerbare Energien. KritikerInnen der erneuerbaren Energien bezeichnen diese als hochsubventioniert und trotzdem viel zu teuer. Die Umlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG-Umlage) macht jedem und jeder VerbraucherIn deutlich, wie teuer der Umstieg auf erneuerbare Energien ist. 6,17 Cent je Kilowattstunde, so wird transparent dargestellt, zahlen private Haushalte für die Energiewende. Es scheint, als seien die erneuerbaren Energien ohne diese Subvention durch die VerbraucherInnen nicht überlebensfähig und als wären sie der Grund für die Erhöhung der Strompreise.

Atomkraft – Leistungsstark und frei von staatlicher Subvention?

Energieversorger, die auch heute noch auf Atomkraft setzen, suggerieren, diese sei die effizienteste und preiswerteste Methode zur Energiegewinnung. Leistungsstark und unabhängig von staatlicher Förderung.

Nichts könnte falscher sein. Eine Studie des Forums ökologisch-soziale Marktwirtschaft macht deutlich, dass Atomenergie von 1970 bis 2014 mit ca. 219 Milliarden Euro staatlich gefördert wurde. Diese Summe setzt sich zusammen aus 80,9 Milliarden Euro Finanzhilfen unter anderem für Forschung, Sanierung und Stilllegung alter Meiler und 46,4 Milliarden Euro Steuervergünstigungen bei der Energiesteuer – insgesamt 127.3 Milliarden Euro reale Förderungen, die sich auf das Budget auswirken. Hinzu kommen budgetunabhängige staatliche Regelungen: 12,5 Milliarden Euro durch Vorteile im Emissionshandel und 78,9 Milliarden Euro durch die Steuerfreiheit von Rückstellungen für den Rückbau und die Stilllegung der Atomkraftwerke. Diese Kosten werden nicht wie bei den erneuerbaren Energien transparent auf die VerbraucherInnen umgelegt, sondern belasten den Staatshaushalt und werden von der Gesellschaft getragen.

Die jahrzehntelange staatliche Förderung hat die heutige Marktposition der Atomenergie erst ermöglicht. Die staatlichen Regularien zu Rückstellungen und die öffentlichen Förderungen summieren sich zu gesamtgesellschaftliche Kosten der Atomstromerzeugung, die deutlich über denen der erneuerbaren Energien liegen. Für die volkswirtschaftliche Berechnung spielen vor allem externe Kosten eine Rolle: ökologische oder soziale Folgekosten, die durch das wirtschaftliche Handeln einzelner entstehen, aber durch Dritte – in der Regel die Gesellschaft – getragen werden.

Die gesellschaftlichen Kosten sind deutlich höher

Die Schätzungen für die externalisierten Kosten der Atomenergie weichen stark voneinander ab. Je nach Szenario, Wahrscheinlichkeitsberechnung und erwarteten Folgekosten eines atomaren Unfalls und je nach Schätzung der ökologischen Folgen der Atomenergiegewinnung sowie der Kosten für Rückbau und Stillung von Atomkraftwerken schwanken die externen Kosten einer Kilowattstunde Atomstrom zwischen 0,1 Cent und 3,20 Euro. Nur ein geringer Teil dieser externen Kosten wird durch den Emissionshandel und die Energiebesteuerung „internalisiert“. In der Volkswirtschaftslehre soll die Internalisierung von Kosten Marktversagen korrigieren, also den Preis einer Ware „geraderücken“, genauer: erhöhen. So hofft man, ein „Pareto-Optimum“ – die Verteilung einer Ware, die die ökonomische Wohlfahrt einer Gesellschaft maximiert – zu erreichen. Damit werden die Umwelt und de facto auch die Gesellschaft selbst zu einer Ware, deren Unversehrtheit über die Internalisierung erkauft wird. Soweit die Theorie.

Zuletzt der Atomunfall von Fukushima vor fünf Jahren machte deutlich, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Ökologische und soziale Schäden, atomare Unfälle und ihre Langzeitfolgen werden in der volkswirtschaftlichen Rechnung weitestgehend ignoriert. Das führt zu massiven Preisverzerrungen. Schon heute wären erneuerbare Energien wesentlich günstiger als Atomenergie oder Strom aus fossilen Materialien, wenn die realen gesellschaftlichen Kosten in die Preisentwicklung miteinbezogen werden würden. Es wäre also nur »gerecht«, den Atomausstieg weiter und schneller voran zu treiben. Nicht nur, um zukünftige Katastrophen zu verhindern, sondern auch, um einer preisgünstigeren Alternative überhaupt eine Chance einzuräumen.

Geschrieben von:

Anne Schindler
Anne Schindler

OXI Projektkoordinatorin

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