Wirtschaft
anders denken.

Auf Profitkurs: Die Deutsche Wohnen und der »Mietenwahnsinn«

20.04.2018
Foto: Michela Simoncini / flickr CC BY 2.0

Die Deutsche Wohnen SE ist zum Wachstum verdammt. Dies verlangt nach weiteren Mietpreissteigerungen. Über maximale Profite, börsennotierte Wohnungsunternehmen, Shareholder und Mieter. Ein Beitrag aus dem Schwerpunkt der Aprilausgabe von OXI.

Wohnen ist eine Ware wie jede andere auch. Sie unterliegt den kapitalistischen Verwertungsbedingungen einer immer von den Kapitaleignern angestrebten maximalen Profitrate. Dies ist ein unumstößlicher Fakt im Kapitalismus.

So wundert sich dann allenfalls der ökonomische Laie, wenn auch privatwirtschaftliche Unternehmen der Wohnungswirtschaft maximale Renditen mit dem Verkauf oder der Vermietung von Wohnungen erzielen. Da macht die wegen ihrer Geschäftspolitik heftig in der Kritik stehende zweitgrößte Immobiliengesellschaft in Deutschland, die Deutsche Wohnen SE, keine Ausnahme.

Verkäufe von Werkswohnungen durch den Chemiekonzern Hoechst AG und der »Heimstätte« des Landes Rheinland-Pfalz an die Deutsche Bank waren 1996 der Gründungsakt für den heutigen Immobilienkonzern mit Sitz in Frankfurt am Main. Zukäufe der Berliner staatlichen Wohnungsbaugesellschaften, GEHAG GmbH, und der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft, GSW, kamen später hinzu. Die Entstehung verdankt die Deutsche Wohnen SE demnach weitgehend einem neoliberal intendierten Verkauf von öffentlichem Eigentum – also einer Entstaatlichung.

Knapp 55 Prozent des Kapitals der Deutsche Wohnen SE befinden sich heute im Streubesitz. Größte Aktionäre sind zurzeit Massachusetts Financial Services mit 9,94 Prozent und BlackRock Inc., der weltweit größte und mächtigste private Finanzfonds, mit 9,52 Prozent, sowie die Norges Bank (Central Bank of Norway) mit 6,93 Prozent. Interessanterweise ist auch der größte deutsche Immobilienkonzern, die Vonovia SE, mit 4,99 Prozent Miteigentümerin der Deutsche Wohnen SE. Im Jahr 2015 hatte die Vonovia versucht, die Deutsche Wohnen komplett feindlich zu übernehmen, was aber nicht gelang. Die Abwehrschlacht hat die Deutsche Wohnen SE seinerzeit etwa 33 Millionen Euro gekostet.

Seit 2006 ist der Deutsche Wohnen Konzern an der Börse notiert. Im MDAX erreichte die Aktie bisher aber nur stark volatile Werte zwischen 4,59 und 59 Euro. Der Preis je Aktie liegt zurzeit bei gut 35 Euro. Bei gut 354 Millionen ausgegebenen Aktien liegt die Marktkapitalisierung bei etwa zwölf Milliarden Euro. Im Jahr 2017 lag der Gewinn je Aktie nach Steuern bei 4,88 Euro und die Dividende je Aktie bei 0,80 Euro. Die Shareholder der Deutsche Wohnen SE werden demnach von ihrem Unternehmen bestens bedient. Von 2013 bis 2017 wurden Gewinne in Höhe von 915,6 Millionen an die Eigentümer ausgeschüttet.

Maximale Profite gehen immer zulasten der Kunden eines Unternehmens. Bei der Deutsche Wohnen SE sind es die Mieter, wenn die Shareholder maximal befriedigt werden wollen. Des einen Freud ist in der Ökonomie des anderen Leid. So stoßen denn auch die steigende Mietpreisentwicklung auf dem Berliner Markt im Allgemeinen und die Geschäftspolitik der Deutsche Wohnen SE im Besonderen bei vielen Mietern auf heftige Kritik.

Neben den zu hohen Mieten werden Wohnungsmängel und auch die Beeinflussung des Berliner Mietpreisspiegels beklagt. Der Grund: Schon seit Längerem setzt das Management der Deutsche Wohnen SE fast nur noch auf sogenannte Core-Plus-Regionen, in denen ein weiteres erhebliches Mietpreissteigerungspotenzial vermutet wird. In diesen als dynamisch eingestuften Wachstumsmärkten will der Konzern in den nächsten Jahren kräftig investieren und wachsen.

Da bleiben dann die nicht mehr als »strategisch wertvoll« eingestuften Wohnungsbestände in Core- und Non-Core-Regionen auf der Strecke. Hier finden keine Investitionen mehr statt, sondern vielmehr Desinvestitionen. Man versucht, die Wohnungen an andere Immobiliengesellschaften zu verkaufen oder den Mietern zum Kauf anzubieten. Beides macht natürlich den Mietern heftigen Stress.

Die allgemeine schlechte Situation auf dem Wohnungsmarkt für Mieter kommt dabei der Geschäftspolitik der Deutsche Wohnen SE entgegen. Immer mehr Menschen wollen in Städte und Ballungszentren ziehen. Hinzu kommt die Flüchtlingsproblematik. Beides lässt die Nachfrage nach Wohnraum stark ansteigen. Bei einem nur knappen Angebot legen natürlich die Mietpreise kräftig zu.

Hinzu kommt: Die Vermögenden stehen nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte im Jahr 2007, und in Folge niedriger Zinsen, unter einem hohen Anlagedruck. Sie müssen ihr Geld, das sie in der Krise nicht verloren haben, weiter rentierlich anlegen. Hier bietet ihnen allgemein der Immobilienmarkt einen sicheren »Flucht-Hafen«. Sie kaufen Immobilien, wo sie nur können. Allein in Berlin wurden 2016 Immobilien im Wert von rund 16,2 Milliarden Euro verkauft. Auch das treibt die Preise nach oben. Die Immobilien werden teurer, was sich letztlich ebenso in steigenden Mieten niederschlägt.

Wohnen ist zwar ein gesellschaftliches Basisgut und laut Europäischer Sozialcharta ein Menschenrecht, weil jeder Mensch schlicht auf eine Wohnung angewiesen ist. Und das Bundesverfassungsgericht hat das Mietrecht unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums gemäß Artikel 14 Grundgesetz gestellt. Dies alles nutzt aber konkret dem einzelnen Mieter nichts, wenn sich die Wohnungen auf den Märkten verknappen und die ungehinderten radikalen Marktgesetze die Mieten und Immobilienpreise explodieren lassen. Eine Substitution, wie sie bei vielen anderen Gütern möglich ist, lässt sich nur schwer bewerkstelligen. Die Nachfrage nach Wohnraum ist weitgehend preisunelastisch. Kommt es hier zu Nachfrageüberhängen und die Angebotsseite wird zudem noch auf regionalen Märkten von wenigen großen Unternehmen wie der Deutsche Wohnen SE beherrscht, dann sind Mietpreissteigerungen ohne adäquate Gegenleistungen keine Grenzen gesetzt. In der Folge kommt es zu einer Ausbeutung von Mietern.

Die mit vielen Mängeln behaftete und von der Politik zum 1. Juni 2015 eingeführte staatliche Mietpreisbremse ist zwar besser als ihr Ruf, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin in einer Studie festgestellt hat. Sie ist dann aber auch nicht die Lösung des Wohnungsmarktproblems. Politik muss die Ursache des Problems beseitigen. Und dies bedeutet, die Wohnungsknappheit mit öffentlich finanzierten und bereitgestellten Wohnungen zu beseitigen. Dem stehen jedoch privatwirtschaftliche Profitinteressen von Wohnungsunternehmen entgegen. Diese haben nicht das geringste Interesse an der Aufhebung der bestehenden Knappheitssituation auf den Immobilienmärkten. Im Gegenteil: Je knapper der Wohnraum, umso höher fallen die Profite aus!

Das gesamte Vermögen der Deutsche Wohnen SE lag Ende 2017 bei 20,5 Milliarden Euro. Davon waren 19,8 Milliarden Euro Anlagevermögen. Das Vermögensportfolio umfasste dabei 163.000 Wohn- und Gewerbeeinheiten mit einem Fair Value von rund 18,9 Milliarden Euro, ohne die auch zum Portfolio zählenden Pflege-Immobilien. Rund 75 Prozent des hier als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilienbestandes der Deutsche Wohnen SE entfallen dabei auf den Großraum Berlin. Hier hat das profitorientierte private Immobilienunternehmen eine eindeutig marktbeherrschende Stellung, wenn es um die Verteilung und Bepreisung knappen Wohnraums geht.

Im Brief an seine Aktionäre schreibt der Vorstand im März 2017: »Unser Fokus auf deutsche Ballungszentren, und hier insbesondere Berlin, zahlt sich aus und wird durch die anhaltend positive Entwicklung der Mieten, des Leerstands und der erzielten Verkaufspreise untermauert.«

In der Tat: Die Deutsche Wohnen SE zeigt eine stark positive wirtschaftliche Entwicklung. Die Umsatzerlöse des Immobilienriesen lagen 2017 bei fast 1,2 Milliarden Euro. Seit 2013 haben sich die Umsätze verdoppelt. Das operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) ist von 2013 bis 2017 von 349 Millionen Euro auf fast drei Milliarden Euro um 760 Prozent gestiegen. Zieht man das Finanzergebnis ab, so ist der Gewinn vor Steuern mit gut 1.090 Prozent im selben Zeitraum sogar noch mehr gestiegen, von 218 Millionen Euro auf fast 2,6 Milliarden Euro.

Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass die Deutsche Wohnen SE ein beachtlicher Steuerzahler ist. Von 2013 bis 2017 wurden gut 2,4 Milliarden Steuern an den Fiskus abgeführt. Der Gewinn nach Steuern lag kumuliert bei fast 5,7 Milliarden Euro, jahresdurchschnittlich in den letzten fünf Jahren demnach bei gut 1,1 Milliarden Euro. Bei Umsatzerlösen von rund 1,0 Milliarden Euro impliziert dies eine durchschnittliche Umsatzrendite nach Steuern von 110 Prozent. Ein unglaubliches, geradezu obszönes wirtschaftliches Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Umsatzrendite der gesamten deutschen Wirtschaft bei nur etwa 3,5 Prozent liegt.

Auch die Profitrate, der Gewinn auf das eingesetzte Eigenkapital, ist seit 2014 hoch zweistellig. 2017 lag die Profitrate nach Ertragsteuern bei 17,4 Prozent und die Gesamtkapitalprofitrate bei 9,2 Prozent. Und dies bei einer sehr hohen Eigenkapitalquote von 48 Prozent. Das Eigenkapital lag dabei absolut bei fast 9,9 Milliarden Euro. Bei solchen wirtschaftlichen Ergebnissen kommt bei jedem Kapitalisten pure große Freude auf.

Es gibt aber auch Wasser im Wein. Im Profit vor und nach Steuern sind nämlich beträchtliche Buchgewinne aus einer »Fair-Value-Anpassung« der Immobilienbestände enthalten. Die Deutsche Wohnen SE nutzt hier die rechtlich mögliche Bewertung ihres Portfolios nach internationalen Bewertungsmethoden. Die Konzernjahresabschlüsse werden dabei gemäß den International Financial Reporting Standards (IFRS) erstellt.

Hier können im Gegensatz zum deutschen Bewertungsrecht nach Handelsgesetzbuch (HGB) die einzelnen Vermögensgegenstände zu aktuellen Marktpreisen in der Bilanz bewertet und in Ansatz gebracht werden. Im HGB sind als Bewertung dagegen nur die originären Anschaffungs- oder Herstellungskosten erlaubt. Die Höherbewertung des aktivierten Immobilienportfolios nach internationalem Recht hat bei der Deutsche Wohnen SE allein in der Gewinn- und Verlustrechnung im Jahr 2016 zu einem Buchgewinn in Höhe von fast 2,7 Milliarden Euro geführt. 2015 waren es gut 1,7 Milliarden Euro.

Hierzu bemerkt der Vorstand im Lagebericht des Unternehmens 2016 nur kurz und knapp: »Auf der Bewertungsseite konnten wir ein Rekordergebnis erzielen.« Im Konzern-Geschäftsbericht 2015 macht der Vorstand zu den Buchgewinnen etwas längere Ausführungen: »Die in den Vorjahren gestellten Weichen hinsichtlich der Konzentration unseres Portfolios auf Core-Plus- und Core-Märkte tragen spätestens seit 2014 Früchte. Die anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnraum führt zu überdurchschnittlichen Miet- und Preissteigerungen in den Ballungszentren. Die Deutsche Wohnen profitierte davon unter anderem mit einem Bewertungsgewinn von rund 1,7 Milliarden Euro.«

Auch 2017 wurde mit 2,4 Milliarden Euro wieder ein riesiger Bewertungsgewinn auf den Immobilienbestand erzielt. »Die aktuelle Marktdynamik zeigt ganz klar«, erklärt Philip Grosse (CFO der Deutsche Wohnen SE), »dass wir unseren strategischen Fokus sehr frühzeitig richtig gewählt haben. Den größten Wertzuwachs im Portfolio sehen wir mit knapp 2,2 Milliarden Euro in unserem Core-Plus-Segment und hier in erster Linie im Großraum Berlin mit rund 2,0 Milliarden Euro. Aber auch an unseren Core-Standorten konnten wir aufgrund der positiven Entwicklung Aufwertungen von rund 0,2 Milliarden Euro vornehmen.« Zum 31. Dezember 2017 war das Deutsche-Wohnen-Portfolio mit 1.886 Euro je Quadratmeter bewertet (Vorjahr: 1.580 Euro). Dies entspricht einer Steigerung von 19,4 Prozent.

Insgesamt konnten so von 2012 bis 2017 gut 8,0 Milliarden Euro an Buchgewinnen vereinnahmt werden. Dagegen fällt das Ergebnis aus der eigentlichen Wohnungsbewirtschaftung von 2012 bis 2017 mit gut 2,8 Milliarden Euro schon fast bescheiden aus. Und das Ergebnis aus Immobilienverkäufen lag lediglich bei rund 260 Millionen Euro.

Man muss also vorsichtig als Mieter mit der Kritik an der Deutsche Wohnen SE sein. Zumindest muss man das Ergebnis differenziert betrachten: Die hohen Profite erzielt das Unternehmen überwiegend nur aus Höherbewertungen ihres Wohnungsbestandes und nicht aus dem, was aus der Vermietung des Wohnraums nach Abzug aller Kosten übrig bleibt.

Im Finanzergebnis helfen zurzeit die niedrigen Zinssätze, den Zinsaufwand bei der Deutsche Wohnen SE klein zu halten. Sollten die Zinsen jedoch wieder anziehen und sollte sich die Verknappung am Berliner Wohnungsmarkt auflösen, könnte die Deutsche Wohnen SE durchaus in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen. Der Zinsaufwand würde bei einem hohen Verschuldungsgrad von 107,7 Prozent steigen und bei gleichzeitig sinkenden Mieteinnahmen würde sich das operative Ergebnis der Wohnungsbewirtschaftung verschlechtern. Darüber hinaus müssten dann wohl bei rückläufigen Mieten Wertberichtigungen auf den Immobilienbestand vorgenommen werden. Aus den heute vorliegenden Buchgewinnen könnten so schnell hohe Buchverluste werden, die das Eigenkapital empfindlich abschmelzen würden. Im Befund bedeutet das: Die Deutsche Wohnen SE ist zum weiteren Wachstum verdammt. Dies verlangt nach weiteren Mietpreissteigerungen.

Die Deutsche Wohnen SE beschäftigte Ende 2017 rund 2.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Der Personalaufwand lag bei knapp 54,0 Millionen Euro. Das waren totale Arbeitskosten je Beschäftigten von lediglich 26.900 Euro im Jahr. Darin enthalten sind noch die Sozialversicherungsbeiträge des Unternehmers. Da überrascht es dann nicht, dass der 2017 von den Beschäftigten erarbeitete Profit je Beschäftigten bei 858.950 Euro lag. Mehr Ausbeutung geht nicht!

Und so gibt es dann auch neben der Mieterkritik bei der Deutsche Wohnen SE viel Stress mit den Beschäftigten. Die Gewerkschaftszeitschrift »Mitbestimmung« titelte im Dezember 2016 »Immobilienkonzern verbreitet Angstkultur«. Das Unternehmen werde, so eine ehemalige Führungskraft, vom Vorstandsvorsitzenden Michael Zahn »autoritär« und »sehr hierarchisch« geführt. Dagegen glaubt das Management, die Deutsche Wohnen »als attraktiven Arbeitgeber in der Immobilienbranche etabliert zu haben«.

Außerdem wird durch eine Zerschlagung in viele kleine GmbHs und Tochtergesellschaften sowie durch die Umfirmierung in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) die Etablierung einer unternehmensbezogenen Mitbestimmung nach dem 1976er Mitbestimmungsgesetz bewusst vom Management verhindert. Zwar gibt es einen sechsköpfigen Aufsichtsrat, dieser besteht aber nur aus Kapitalvertretern. Und auch Betriebsräte akzeptiert der Immobilienriese offensichtlich nicht.

Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontrup ist Wirtschaftswissenschaftler an der Westfälischen Hochschule und Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Im März 2018 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. Dieser Beitrag erschien zuerst in der April2018-Ausgabe von OXI.

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