Wirtschaft
anders denken.

Ausdrücklich nicht neutral: Attac bringt einen alternativen Blick auf die Finanzkrise in die Schule

19.06.2018
AttacAttac-Aktion an der Frankfurter Börse bei Ausbruch der Krise 2008

Attac setzt seine Serie mit ökonomiekritischen Bildungsmaterialien fort. Die vierte Folge dreht sich um die Finanzkrise – und wieder geht es darum, etwas gegen eine Engführung ökonomischer Erklärungsansätze, Leitbilder und Ansichten in der Schulbildung zu tun.

Am 15. September jährt sich der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers zum 10. Mal. 2008 war das Finanzhaus in den Sog der Krise geraten, die Insolvenz markiert eines der herausstechenden Daten des großen Kladderadatsches. Jetzt versucht das globalisierungskritische Netzwerk Attac mit einem umfangreichen Bildungsmaterial »die Diskussion über die Rolle der Finanzmärkte in die Schulen« zu tragen. Es geht um globalisierte Finanzmärkte, um Grundwissen zum Börsengeschehen, die Verflechtungen mit der »Realwirtschaft«, darum, was eine Krise im Kapitalismus überhaupt ist – und wie die Vorgeschichte zu jener lief, deren »Beginn« nun auch schon zehn Jahre zurückliegt.

Wie schon beim Vorgänger »Kapitalismus – oder was? Über Marktwirtschaft und Alternativen«, mit dem alternative Bildungsmaterialien zur Ökonomie für den Schulunterricht bereitsgestellt wird, besteht das Material auch diesmal aus einer umfangreichen Sammlung von Arbeitsblättern die für die Sekundarstufe I und II sowie die außerschulische Bildung konzipiert wurden. Für Attac liegt sogar noch ein weiterer »Zeitsprung« nahe – das Bündnis hatte sich zehn Jahre vor dem Kollaps von Lehman Brothers im Juni 1998 zuerst in Frankreich gegründet. Und zwar mit dem Ziel einer demokratischen Kontrolle der internationalen Finanzmärkte, der Einhegung von Spekulation zur privaten Reichtumsmehrung, zur Stärkung des Öffentlichen gegenüber den langen Hebels – letzten Endes: um Folgen zu verhindern, die die Krise von 2008ff nach sich zog.

Soziale Folgen der »Finanzialisierung«

Ein Abschnitt des Bildungsmaterials nämlich befasst sich mit »den sozialen Konsequenzen der zunehmenden Finanzialisierung und den krisenhaften Dynamiken der Finanzmärkte am Beispiel des Wohnens. Dabei wird der Bogen von der Hypothekenkrise in den USA über die massenhaften Räumungen in Spanien hin zu den steigenden Immobilien- und Mietpreisen in Deutschland gespannt«, wie es bei dem Bündnis heißt.

Eine andere Dimension der sozialen Folgen der »Finanzialisierung« genannten langfristigen Verschiebung von realwirtschaftlichen Prozessen hin zu den Finanzmärkten, wird in den Blick genommen, wo es um die »Kosten der Bankenrettung in Deutschland« geht. Das wird in der Regel in anschaulichen Beispielen und Aufgaben gezeigt, etwa in einer Übung, bei der die Kosten für  neu einzustellende weil gebrauchte Lehrkräfte mit den 4,5 Milliarden Euro Verlust verglichen werden, »die der Staat bei der Rettung der Commerzbank gemacht hat«.

Gegen eine Engführung ökonomischer Erklärungen

Attac geht auch mit einer naheliegenden Frage offen um: Was als »gute« oder »schlechte« Krisenpolitik zu gelten hat, was als krisenverursachender Fehler in der Vergangenheit identifiziert wird, was als die folgerichtige Lehre angesehen wird, die man aus der Krise und der an diese anschließenden Politik betrachtet wird – das ist selbst wiederum Gegenstand politischer Auseinandersetzung. »Vor diesem Hintergrund ist auch das Bildungsmaterial von Attac nicht neutral«, heißt es dazu, wobei der Hinweis nicht unterlassen wird, dass »Neutralität« in gesellschaftlichen Fragen generell eine Konstruktion sein dürfte.

Attac setzt mit diesem Bildungsmaterial eine Serie fort, die dem Ziel dient, etwas gegen eine Engführung ökonomischer Erklärungsansätze, Leitbilder und Ansichten in der Schulbildung zu tun. Konkret handelt es sich um die vierte Folge in der Reihe »Wirtschaft demokratisch gestalten lernen«. Es gehe darum, »bestimmte Perspektiven« zu eröffnen und zur Diskussion einzuladen, »nicht darum, die Lernenden zu manipulieren oder gar zu indoktrinieren«. Oder so: Man müsse »hegemoniale Deutungen mit Alternativen« konfrontieren und die Agenda derer offenlegen, die mit »scheinbar neutralen Angeboten« daherkommen, aber »von unternehmerischen Lobby-Gruppen finanziert sind und mehr oder minder subtil deren (wirtschaftstheoretische) Sicht auf die Welt transportieren«. So hat es bei der Vorstellung der letzten Bildungsmaterialien zum Kapitalismus der Didaktiker Andreas Eis formuliert.

90 Seiten Aufkllärung

Auch diesmal ist die Idee, »Gegenexpertisen zu den vorherrschenden neoklassischen Sichtweisen auf wirtschaftliche Prozesse einzubringen«, seien diese »neokeynesianisch, neomarxistisch, durch die feministische Ökonomie oder andere heterodoxe Ansätze inspiriert«. Auch sollen die gesellschaftlichen Auswirkungen von Wirtschaftspolitiken, die jeweils auf unterschiedlichen ökonomischen Theorien gründen, in den Blick gerückt werden: soziale Ungleichheiten, Interessengegensätze, Machtasymmetrien und systemische Zwängen. Nicht zuletzt, um etwas gegen den Trend zur »Personifizierung ›der Märkte‹ oder ähnlich Mystisches«  in Stellung zu bringen. Nämlich Aufklärung.

Bei den Bildungsmaterialien wurde auf aktivierende Methoden und kooperative Lernformen großen Wert gelegt. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft unterstützt die Veröffentlichung der 90-seitigen Bildungsmaterialien. Sie können hier heruntergeladen und hier bestellt werden.

Geschrieben von:

Vincent Körner

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