Wirtschaft
anders denken.

Welche Auswirkungen haben Spardiktate auf Frauen und Geschlechterverhältnisse?

02.07.2018
aus der Covergestaltung der besprochenen Studie

Wo die sozialen Folgen der Kürzungsprogramme und Privatisierungsvorgaben schon kaum benannt werden, stehen die speziellen Auswirkungen von Austeritätspolitik auf Frauen meist erst Recht im Schatten der Aufmerksamkeit. Eine Serie von Studien der Luxemburg-Stiftung nimmt sich des Themas nun an.

In den offiziellen Äußerungen zum Abschluss des dritten Kreditprogramms für Griechenland war viel von »Erfolg« die Rede, sogar ein »Ende der Krise« wurde ausgerufen. Dass die von den Gläubigern durchgesetzten Auflagen soziale und ökonomische Folgen hatten, wird dabei weitgehend ausgeblendet. Und selbst wenn jemand wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz im Bundestag sagt, »wenn man dort genau hinschaut, dann stellt man fest: Es sind sehr, sehr viele Reformen unternommen worden«, wird immer noch nicht genau hingeschaut. Immerhin hat Scholz im Parlament einen Halbsatz über die »Bürgerinnen und Bürger Griechenlands, die viel auf sich genommen haben«, verloren.

Wo die sozialen Folgen der Kürzungsprogramme und Privatisierungsvorgaben schon kaum benannt werden, stehen die speziellen Auswirkungen der Austeritätspolitik auf Frauen erst Recht im Schatten der Aufmerksamkeit. Die Linkspartei-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung legt jetzt unter dem Titel »Austerity, Gender Inequality and Feminism after the Crisis« eine ganze Reihe von Länderstudien vor, in denen sich dieses Themas angenommen wird. »Das Mantra des Sparens zu Gunsten eines ausgeglichenen Haushaltes, besserer Wettbewerbsfähigkeit und der Schuldenvermeidung hat verheerende Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen sowie auch generell auf die Geschlechterbeziehungen«, heißt es dazu bei der Stiftung. »Die Studien zeigen eine Topografie dessen, welche Auswirkungen das Spardiktat in Europa auf Geschlechterverhältnisse hat.« Um Länder wie Spanien und Irland geht es dabei genauso wie um Russland oder Polen.

Die Politikwissenschaftlerin Aliki Kosyfologou hat sich die Lage in Griechenland dafür angeschaut. Die Kürzungsprogramme hätten »neue Formen der Diskriminierung« für Frauen mit sich gebracht, heißt es in ihrem Länderbericht unter anderem. »Was die Arbeitsbedingungen und den Beschäftigungsstatus betrifft, scheinen die Frauen in Griechenland nach wie vor stark von der Krise betroffen zu sein.« Dies zeige sich unter anderen in den deutlich höheren Arbeitslosenquoten. Der Gender-Aspekt der Krise zeige sich aber nicht nur bei den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Beschäftigung, Löhnen, Arbeitsbedingungen und Armut, sondern auch in den »unverhältnismäßigen Auswirkungen der Sparpolitik auf Frauen«.

Die soziale Krise, die durch die Sparpolitik ausgelöst wurde, habe »geschlechtsspezifische Gewalt« zunehmen lassen. »Die Langzeitarbeitslosigkeit, das Fehlen eines stabilen Arbeitsplatzes und die Zerstörung von Sozialdiensten haben in vielen Fällen eine männerzentrierte und diskriminierende Geschlechterteilung verstärkt«, heißt es weiter. Dies habe »verschiedene Formen der Gewalt gegen Frauen hervorgebracht«, eben »physische, psychische und wirtschaftliche«. In der Studie geht es um die »geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Sparmaßnahmen in Griechenland und insbesondere deren Auswirkungen auf das Leben von Frauen, auf Arbeitsbeziehungen, politische Partizipation, zwischenmenschliche und innerfamiliäre Beziehungen, Pflege, geschlechtsspezifische Gewalt sowie soziale und politische Rechte«.

Besondere Folgen hatte die Krisenpolitik insofern, als sie den öffentlichen Sektor am stärksten traf – also jenen Bereich, in dem Frauen vor der Krise den überwiegenden Teil der Angestellten ausmachten. Erheblich wirkten sich auch die Reformen im Sozialversicherungssektor aus. »Mutterschaftsgeld, bezahlter Urlaub, andere Zulagen, Zugang zu reproduktiven Gesundheitsdiensten bleiben eng mit der versicherten Person verbunden. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der nicht versicherten Frauen und Männer in den Sparjahren stark zugenommen hat, sind viele Frauen von ihrem Recht auf Zugang zu Sozialversicherung und Pflege ausgeschlossen«, heißt es in der Studie.

Für deren Erarbeitung wurde unter anderem auf Daten der griechischen Statistikbehörde und anderer europäischer Behörden zurückgegriffen; außerdem wurden Forschungsarbeiten über geschlechtsspezifische Aspekte der sozialen Bewegung in Griechenland 2010-2015 berücksichtigt. In der Wochenzeitung »Der Freitag« berichtet Elsa Koester ausführlich darüber, dort findet sich auch ein lesenswertes Interview mit Alex Wischnewski, die die Studie über die Auswirkungen der Sparpolitik für Frauen in Deutschland beigesteuert hat.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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