Wirtschaft
anders denken.

»Bad Banks«, die Sache mit der Gier und Probleme beim Füllen eines Vakuums

05.03.2018
Screenshot aus der Serie Bad Banks

Eine deutsche Serie über das Finanzsystem? »Bad Banks« ist gut gemacht. Wer allerdings hofft, nebenbei doch noch ein paar Dinge zu verstehen, wie das nun alles funktioniert mit den Krediten, dem Geld, dem System der Glastürme, wird enttäuscht.

Derzeit läuft im ZDF die Serie »Bad Banks«. Bei Arte stehen schon jetzt alle Folgen zum Binchewatchen online. Und es ist tatsächlich eine Serie geworden, die ich weggeschaut habe, wie bisher noch keine deutsche Serie vorher. Die Macher*innen klopfen sich dafür gehörig auf die Schulter und listen in ihren Statements noch einmal die ganze schlechte Presse der Vergangenheit auf, auf die diese Serie jetzt die Antwort sein soll: »Warum sind deutsche Serien so mies?«, »Wir können es einfach nicht«, »Erzählnotstand«.

Und offenbar ist »Bad Banks« bereits jetzt ein kleiner Exportschlager: Die Serie ist an HBO Europe, sowie an Sender in England, Irland, Spanien, Portugal, Australien und Neuseeland verkauft. In den Medien wird sie als »Serien-Juwel« oder deutsche Antwort auf »House of Cards« bezeichnet. Eine zweite Staffel ist inzwischen angekündigt.

In der Serie kann man der 25-jährigen Jana Liekam (Paula Beer) auf ihrem Weg an die Spitze der Bank »Deutsche Global Invest« folgen. Dem Drehbuch ging eine lange journalistisch Recherche von Autor Oliver Kiesel und Regisseur Christian Schwochow voraus, um Einblicke in das Investmentbanking zu erhalten. Das scheint immer schwieriger zu werden: Nach dem Crash von 2008 haben die meisten Banken ihre Mitarbeiter*innen noch einmal gewarnt, nicht über ihre Arbeit zu sprechen.

Ein »Gefühl« für den Betrieb vermitteln

Das Ergebnis, sagt Schwochow selbst, soll weniger das Geschehen verständlich machen, sondern ein »Gefühl« für den Betrieb vermitteln, für die Summen, um die es da geht: »Das Unglaubliche an dieser Hochfinanz ist ja nicht nur für den Laien so schwer zu verstehen, das ist auch für die Insider schwer zu verstehen.«

Die Recherche drehte sich offenbar weniger um die Hintergründe des Geschäfts, es waren eher Fragen wie: Wie laut sind die Trader beim telefonieren? Was für eine Sprache sprechen sie? Wie gehen sie miteinander um? Und vor allem: Was sind das für Menschen?

Das ist eigentlich mal schön für eine deutsche Produktion. Kann man doch sonst in jedem zweiten Tatort beobachten, wie Menschen als bloße Informationslieferant*innen durchs Bild laufen müssen und Dinge sagen, die eh niemanden berühren oder hängen bleiben. Weil man als Zuschauer*in eben nur vollgelabert wird, aber nichts erfahren kann. Gleichzeitig ist dieser einseitige Fokus bei diesem Thema auch ein Problem. Dazu gleich mehr.

Banker bei ihrem Kampf »aller gegen alle«

Man sieht also in der Serie, wie Jana lernt, niemandem zu vertrauen. Man sieht Banker bei ihrem Kampf »aller gegen alle«. Man fragt sich, wer sich mit welcher Allianz und Intrige wie verzocken könnte, wer die Milliarden für welches Projekt einfährt. Man bekommt mit, wer den Stress wie handelt, wer als erste*r zusammenbricht und wieder aufsteht. Und man stellt fest, dass das System Bank kein anderes Verhalten zulässt, als genau dieses »alle gegen alle«.

Regisseur Schwochow mag das Geschehen in der Bank deshalb auch als »Metapher der modernen Leistungsgesellschaft in hochkonzentrierter Form« verstehen.  Die Serie zeigt so, dass Banker auch nur Menschen sind: Irgendwie beschädigt, aber sie passen sich an, versuchen mit dem, was sie haben, das beste draus zu machen – und das ist eben im Investmentbanking: mehr Geld.

Sexismus der Branche ist ein großes Thema

Der Sexismus der Branche ist ein großes Thema in der Serie: Die permanente Erniedrigung durch die Chefs; die Jana und andere täglich erleben. Bei einer Siegesfeier greift sich Chef-Investor Gabriel Fenger (Barry Atsma) auf einmal eine Reinigungskraft, stellt sie der angetrunkenen Runde als »seine Frau« vor, die sich daraufhin kaum mehr einkriegen können. Dann sind da die zahlreichen sexuellen Dienstleistungen, mit denen die Kundenmanager der »Global« andere Investoren dazu bringen wollen, doch noch ein paar (hundert) Millionen mehr für das neue Projekt locker zu machen.

Es gibt eine Verbindung zwischen der transnationalen, Anzug-tragenden Männlichkeit des Investmentbankers und der aus »Fight Club«: Als Janas Kollege Adam (Albrecht Schuch) gerade gefeuert wurde, da sieht man, wie er Nachts im Rudelkampf auf einer von Autoscheinwerfern beleuchteten Wiese, einem Typ, der schon lange keine Anstalten mehr macht, sich zu wehren, immer wieder die Faust durchs Gesicht zieht. Das ist wohl das Adrenalin, das jetzt rausmuss, wenn er nicht mehr toxischen Papiere verkaufen kann: no risk no fun. Und klar ist es spannend anzuschauen, wie zwei Frauen – Jana und Christelle Leblanc (Désirée Nosbusch) – sich an die Spitze dieses Systems manövrieren.

Wer allerdings hofft, nebenbei doch noch ein paar Dinge zu verstehen, wie das nun alles funktioniert mit den »Bad Banks«, den Krediten – und vor allem: Was das mit dem Rest der Gesellschaft zu tun, was diese Leute dort oben in ihren Glastürmen veranstalten, der wird enttäuscht.

Eine inhaltliche Leerstelle und wie sie zu füllen wäre

Was in der Serie vom Finanzsystem vermittelt wird, habe weniger mit der Welt nach dem Lehman-Crash zu tun, als mit einer simplen Buchhaltungsfälschung, »die schummelnde Serienbank (wirkt) wie ein Achtjähriger, der beim Halma verliert und aus Frust einen Spielstein verschluckt«, schreibt Zeit Online. Nun also zu dieser inhaltlichen Leerstelle und der Frage, wie sie zu füllen wäre.

In dieser bewegt sich zum Beispiel auch Investment-Chef Fenger, der an einer Stelle darüber sinniert, wo eigentlich das Geld aus dem Automaten herkomme – er habe ja keine Ahnung. Seufz. Und ganz am Ende noch einmal Jana selbst: »Wo kommen die zwei Millionen auf meinem Konto her?«, fragt sie nach gewonnenem Showdown.

Die Antwort der Kolleg*innen lautet dann: Egal, aufhören Gedanken zu machen. Ebenso wenig gibt es eine Antwort auf die Frage, die Christelle Leblanc (Desirée Nosbusch) zu Beginn ihres Paktes mit Jana Liekam stellt: Wofür machst du das? Stille. Später wird Janas Freund eine Deutung anbieten, als er sie verlässt und zu seiner Ex-Freundin zurückgeht, die einfach nur glücklich sei, und nicht ständig das Vakuum in sich mit der Anerkennung anderer auffüllen müsse.

Ein Gegenentwurf und eine problematische Metapher

Das ist also der präsentierte Gegenentwurf gegen das »alles ist so kompliziert, versteht eh keiner«: einfach glücklich sein, ein Kind haben die zwei auch, so geht wohl ein »gesundes« Leben. Tatsächlich schwerkrank in der Serie ist der Leipziger Bürgermeister Peter Schultheiß (Jörg Schuttauf), der kurz vor seinem Tod noch die Finanzierung des Großbauprojekts »Leipzig 2025« mit Hilfe von Jana und der »Global« sicherstellen will. Doch dazu wird es nicht kommen, und so stirbt er am Schluss auf einem Autobahnrastplatz. Wer möchte, könnte darin die problematische Metapher sehen, wie das böse, krankes Kreditsystem einen gesunden Körper zerstört hat.

Leider bleibt als erfahrbare Konsequenz des scheinbar abstrakten »Spiels« in verglasten Hochhäusern und des Crashs neben dem Tod des Leipziger OB’s: Schlangen vor den Geldautomaten und ein paar Vermummte auf Frankfurts Straßen. Das ist für viele aber offenbar schon Horror-Vorstellung genug, wie hier in der Besprechung der Berliner Morgenpost mit dem Titel »Arte-Serie ›Bad Banks‹ zeigt die böse Welt der Hochfinanz« zu lesen ist:

»Menschen schreien durcheinander. Die Wortfetzen, die durch die Luft fliegen, klingen bedrohlich: ›Wo ist mein Geld?‹, ruft einer. ›Mein Erspartes ist weg‹, ein anderer. Ein Mann bricht vor einem Bankautomaten zusammen, der sich weigert, Geld auszuspucken. ›Leer‹ – dieses Wort prangt auf dem Display. Die Bank ist pleite. Die Menschen drehen durch, legen Feuer auf den Straßen. Es herrscht Ausnahmezustand. Wie gut, dass mit der nächsten Szene erst einmal wieder Ruhe einkehrt.«

Entsprechend bodenständig geht auch die »Bild« mit der Serie um: Paula Beer, zitiert die Bild, »hat für ihr Geld lieber etwas in der Hand. ›Wenn ich zwei Euro verdient habe und zwei Euro für Brötchen wieder ausgebe, fühlt sich das irgendwie besser an.‹« Und Désirée Nosbusch soll der Zeitung gesagt haben: »Wir leben in einer Welt voller Gier, da kann immer nur der nächste Crash kommen.« Die Überschrift, klar: »Hier geht’s um Sex, Macht, Gier und Drogen«.

Charakterfragen: Alles eine Sache von Gier?

Zwar wird in der Serie klar, dass, wer in dem System Bank nach oben kommen will, kaum eine andere Wahl hat, als ständig mehr Millionen anzuschaffen. Aber wer das nur anhand der Charakterentwicklung erzählt, kommt eben nicht über Kategorien wie »Gier« hinaus. So überschreibt das ZDF die Serie selbst mit der Frage: »Welchen Preis hat deine Moral?«

Dabei ist »›Gier‹ eine angemessene Eigenschaft in einem Wirtschaftssystem, das nur ein Ziel kennt: immer mehr Gewinn. (…) Der Gewinn kennt keine objektive Obergrenze. Es gilt schlicht: je höher, je besser. Damit ist das System ›gierig‹. Es ist unersättlich, anders als Menschen, deren Bedürfnisse irgendwann immer gestillt sind.«

Man kann das nachlesen, ich kann hier schreiben, dass das Investment-Banking eben nichts »krankes« oder »gieriges« Anderes ist, sondern ein Weg, Kapital zu mobilisieren, um auf den zukünftigen Grad der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft zu wetten. Aber versuch so einen Satz mal in einer Serie unterzubringen, oder eben: zu erzählen, was diese Gesellschaft im Inneren zusammenhält und »die da oben« mit »denen da unten« verbindet – und zwar jenseits des Textes.

In »Bad Banks« hätte zum Beispiel Janas Freund, der mitbekommt, wie seine Freundin immer tiefer in das Bankensystem gesaugt wird, sich auf die Suche machen können, um zu verstehen, wie das Ganze funktioniert. Vielleicht trifft er sich sogar mit einem ehemaligen Freund, einem früheren Soziologie-Studenten, der nun Taxi-Fahrer ist, am Adorno-Denkmal des Westend-Campus und lässt sich etwas Nachhilfe in Sachen Kapitalismus geben. Dann versucht er mit seinem geballten Wissen Jana von den Schattenseiten ihres Tuns und den systematischen Bedingungen des Unrechts zu überzeugen. Und dann… Dann doch lieber der Satz mit dem Vakuum.

Geschrieben von:

Sebastian Dörfler

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