Wirtschaft
anders denken.

Ein bedingungsloses Kapitaleinkommen? Der OXI-Überblick

18.09.2017
Foto: Ronald J Scott / GNU FDLMountains in Alaska, 1992

Was hat es mit dem Konzept eines umverteilenden Staatsfonds auf sich, den das gewerkschaftsnahe Institut IMK jetzt als langfristigen Beitrag gegen Ungleichheit vorgeschlagen hat? In Alaska wird etwas ähnliches bereits praktiziert. Und auch die soziale Dividende ist eine Idee, die schon länger im Raum steht.

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat den Aufbau eines Staatsfonds vorgeschlagen, der aus Steuern, Vermögensabgaben und Neuverschuldung gespeist wird, in Wertpapieren investiert und eine »soziale Dividende« an alle Bürger ausschüttet. Die Idee hat etwas, sie wäre »als Wahlkampfforderung vielleicht das utopische Plus gewesen, für das es sich wirklich lohnt zu kämpfen und das für Euphorie und eine Wechselstimmung im linken Lager hätte sorgen können«, heißt es in einem Kommentar. »Leider kommt die Idee für diese Wahl zu spät.«

Das mag sein, ist aber auch nur die halbe Wahrheit – denn Überlegungen zu einem bedingungslosen Kapitaleinkommen gibt es schon länger. Ja, das Konzept eines umverteilenden Staatsfonds wird bereits praktiziert. Und wer über die den Vorschlag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung diskutieren will, sollte deshalb nach Alaska blicken.

Schon über 20 Milliarden US-Dollar ausgeschüttet

Der US-Bundesstaat errichtete den Fonds aus den Einnahmen aus der Ölförderung nach einem Volksentscheid Mitte der 1970er Jahre und führte eine soziale Dividende ein, die seit 1982 ausgezahlt wird. Die nahezu bedingungslose Zahlung aus dem Alaska Permanent Fund betrug im vergangenen Jahr 1.022 US-Dollar, im Jahr davor 2.072 US-Dollar. Seit dem Start der sozialen Dividende wurden über 20 Milliarden US-Dollar an die Bewohner Alaskas ausgeschüttet.

Der Berliner Ökonom Giacomo Corneo befürwortet ebenfalls einen umverteilenden Staatsfonds und schreibt mit Blick auf das Beispiel Alaska, dort habe es Anfang der 1980er Jahre die höchste Einkommensungleichheit in den USA gegeben, heute gehöre der Bundesstaat zu denen mit der geringsten Ungleichheit.

Corneo hat die Idee eines umverteilenden Staatsfonds auf die Bundesrepublik bezogen. Ein solcher Fonds »mit einem Marktwert i.H.v. etwa 35 Prozent des deutschen BIP läss sich nicht von heute auf morgen errichten. Ein realistisches Ziel wäre, binnen einer Periode von fünfzehn bis zwanzig Jahren einen solchen Fonds allmählich aufzubauen. Das Gros seiner finanziellen Ausstattung sollte aus staatlicher Neuverschuldung und Kapitalsteuern stammen«, heißt es in einem Diskussionspapier aus dem Mai dieses Jahres.

800 bis 900 Euro pro Jahr für jeden hierzulande

Es gebe gute Argumente für eine solche Konstruktion, schreibt Corneo, unter anderem wirke eine wiederkehrende soziale Dividende wie ein Bürgerrecht und macht es jeder Regierung schwer, das Kapital des Fonds für andere Ausgaben zu verflüssigen. Die soziale Dividende repräsentiere mit ihrer Gleichheit zudem das gesellschaftspolitische Ziel der gleichberechtigten Teilhabe aller Bürger und sei längerfristig offen für »die Einführung neuer individueller Konten, die Sabbatjahre und Annuitäten im Alter finanzieren können«. Das wiederum wäre ein Beitrag zur grundlegenden Reform der Rente.

Corneo hält eine soziale Dividende in Höhe von 800 bis 900 Euro pro Jahr in Deutschland für machbar. Dies wäre also »kein existenzsicherndes Grundeinkommen, gleichwohl ein bedeutsamer Beitrag zur Einkommenssituation von Geringverdienern und Großfamilien. Da ihr einheitlicher Betrag die niedrigen Einkommen überproportional steigen ließe, würden die Einkommensungleichheit und das Armutsrisiko sinken«, so der Ökonom.

Statt Kapitaleinkommen auch »soziale Erbschaft« denkbar

Auch Corneos Berliner Kollege Timm Bönke sieht einen solchen umverteilenden Staatsfonds »als alternatives Instrument zur Förderung inklusiven Wachstums«. Er präsentierte auf der Konferenz »Ungleichheit als wirtschaftspolitische Herausforderung« einige Überlegungen dazu. Alternativ zu einem »kleinen Bürgergeld« könnte die soziale Dividende auch in einer »soziale Erbschaft« bestehen, die einmalig in einem bestimmten Alter an jeden Bürger ausgezahlt wird. Auch so könnten nichtvermögende Haushalte, das sind praktisch die Hälfte, an Wirtschaftswachstum und steigenden Kapitaleinkommen partizipieren.

Ganz ähnliche Ideen verfolgte auch der Ökonom Anthony Atkinson in seinem Buch »Ungleichheit. Was wir dagegen tun können«. Er habe »den Staatsfonds als ein wichtiges Instrument« verstanden, »um die Probleme wachsender Ungleichheit zu bekämpfen«, so formuliert es Corneo. Für ihn wiederum bietet ein umverteilender Staatsfonds »ein beträchtliches gesellschaftspolitisches Potenzial.« Auch könne man demokratisch in einem Richtlinienkatalog festlegen, »dass die Anlageentscheidungen des Fonds ethisch gebunden sein sollen. Seine Erträge sollten nicht von Konzernen stammen, die den Frieden, die Menschenrechte oder den Umweltschutz aufs Spiel setzen.«

Varoufakis‘ Idee einer allgemeinen Basisdividende

Eine abgewandelte Idee hat der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis vorgeschlagen: eine allgemeine Basisdividende, die sich aus allen Kapitalrenditen speist. Dabei soll »ein fester Anteil aller Börsengänge einem öffentlichen Treuhandvermögen zugeführt« werden, aus dem dann eine allgemeine Basisdividende bezahlt würde. »Faktisch würde die Gesellschaft so zum Anteilseigner an jeder Kapitalgesellschaft, und die Dividenden würden gleichmäßig an alle Bürger verteilt«, so Varoufakis im vergangenen Jahr in einer Debatte um die so genannte Robotersteuer. »Tatsächlich würde, wenn höhere Gewinne und ihre automatische Umverteilung mittels allgemeiner Basisdividende die Einkommen steigerten, dem Wohlfahrtsstaat mehr Finanzmittel zur Verfügung stehen.«

Der Ökonom argumentierte dabei auch mit Blick auf die laufende industrielle Revolution: Diese »beruhten auf Maschinen, die von großen Erfindern in glorifizierten Schuppen  erbaut wurden und von schlauen Unternehmern gekauft wurden, die Eigentumsrechte an den Einkommensströmen verlangten, die ›ihre‹ Maschinen hervorbrachten. Die heutige technologische Revolution ist durch die zunehmende Vergesellschaftung der Produktion des Kapitals gekennzeichnet. Eine praktische Reaktion bestünde darin, die Einkommensrechte an den großen Einkommensströmen zu vergesellschaften, die das Kapital jetzt hervorbringt«, so Varoufakis.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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