Wirtschaft
anders denken.

Bildet der Wirtschaftsteil? Zur Jugendstudie des Bankenverbandes über ökonomisches Wissen 

04.10.2018

»Der Wirtschaftsteil bildet«, schreibt die FAZ über eine Sonderauswertung der neuesten Jugendstudie des Bankenverbandes. Das wirft ein paar Fragen auf: Was für ein ökonomisches Wissen wird da von wem und in welcher Absicht produziert? Und ein kleiner Spoiler: Der Wirtschaftsteil bildet offenbar immer weniger. 

Alle drei Jahre befragt der Bundesverband deutscher Banken junge Menschen zu ihrem ökonomischen Wissen, zu den Informationsquellen und dazu, wie sie die Wirtschaftskenntnis anderer einschätzen. Nun wird über eine Sonderauswertung der Jugendstudie berichtet, laut der »ein Viertel der jungen Leute mindestens zwei- bis dreimal in der Woche den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung« lesen, wie es in der »Frankfurter Allgemeinen« unter der Überschrift »Der Wirtschaftsteil bildet« heißt. 

Das ist sicher richtig, bedarf aber einiger Anmerkungen. Erstens ist es ja nicht ganz unwesentlich, welchen Wirtschaftsteil man liest und durch welche politische Bias man also beeinflusst wird, die die ökonomische Berichterstattung in den Medien durchzieht. Zweitens könnte man angelegentlich der Jugendstudie wieder einmal zum Thema machen, was hinter der Trennung von »Politik« und »Wirtschaft« in Zeitungen für ein Denken steckt, und ob es nicht viel eher als »Politik der Ökonomie, Ökonomie der Politik« zusammengehörte?

Drittens ließe sich darüber diskutieren, was überhaupt ökonomisches Wissen ist, wann man von einem guten und wann von einem schlechten Wissensstand reden kann? In der Studie wird etwa gefragt, ob man »schon einmal von dem wirtschaftlichen Grundprinzip ›Angebot und Nachfrage‹ gehört habe und dies erklären könne. Oder zur Inflationsrate, zum Begriff Rendite, zum Investmentfonds oder zur »Kenntnis von Anlageprinzipien«. Nicht gefragt wurde hingegen, das Beispiel mag manchem etwa überspitzt erscheinen, nach dem Wissen über die Rolle lebendiger Arbeit bei der Mehrwertproduktion oder den Kapitalfetisch. Es gibt zugegebenermaßen auch nicht viele Wirtschaftsteile von Tageszeitungen, aus denen man etwas darüber erfahren könnte.

Hier geht dann viertens los: Was bezweckt eine solche Studie abseits der interessanten Erkenntnisse darüber, wie der Wissensstand von Jüngeren ist und wo sie sich informieren? Der Bundesverband deutscher Banken wird ein Motiv darüber hinaus haben, kundigere Menschen sind wohl auch eher Kunden – und nehmen eher Dienstleistungen in Anspruch, die nicht uneigennützig von Unternehmen feilgeboten werden, welche in diesem Bundesverband ihre Vertretung sehen. Im Hintergrund oszilliert zudem die Forderung nach einem eigenen Schulfach »Wirtschaft«, auch hier dann die Frage sich unmittelbar anschließt: Wer soll die Lehrpläne machen? Der lobbyistische Einfluss von Unternehmen auf die Bildung ist ja auch schon länger und eher kritisch ein Thema. 

Interessant ist zudem fünftens: Der Wirtschaftsteil bildet offenbar immer weniger. Denn ein Vergleich der Ergebnisse mit denen der Jugendstudie 2015 zeigt, dass damals deutlich mehr Jüngere regelmäßig den Wirtschaftsteil lasen. Wie die FAZ aus der Sonderauswertung 2018 meldet, »liest ein Viertel der jungen Leute mindestens zwei- bis dreimal in der Woche den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung«. 2015 waren es noch fast ein Drittel (30 Prozent ) der 14- bis 24-Jährigen. Bei den 21- bis 24-Jährigen ging der Anteil auch zurück: 2018 sagten laut FAZ ein Drittel, sie würden mindestens zwei bis drei Mal pro Woche den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung lesen; 2015 waren es in dieser Altersgruppe noch 42 Prozent. 

Das ändert sicher nichts an dem Befund, dass regelmäßige Lektüre von Zeitungen das ökonomische Wissen »signifikant« erhöht. Man wird aber nicht einfach so sagen können, »der Wirtschaftsteil bildet« – man muss sich schon der Mühe unterziehen, auch zu fragen: worüber, wen und mit welchen Ergebnis für die politökonomische Meinungsbildung.

Geschrieben von:

Svenja Glaser

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