Wirtschaft
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Bitcoin: Ist das Geld oder kann das weg? Der OXI-Überblick

29.09.2017
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Bitcoin und andere Kryptowährungen gehören längst irgendwie dazu. Man liest darüber in den Zeitungen. Im Alltag sind sie für die meisten nicht von Bedeutung. Aber theoretisch und politisch bleibt die Sache interessant.

Unlängst hatten uns die KollegInnen von marx200.org gefragt, ob Bitcoin »eigentlich Geld« seien und was Karl Marx dazu gesagt hätte. Nun letzteres wissen wir nicht, der Alte aus Trier hätte sich in einem Brief gegenüber Friedrich Engels wahrscheinlich über die Frage lustig gemacht, die dazu laufende Debatte im Großen und Ganzen als fehlgeleitet abgewatscht und heimlich gehofft, es würden doch mal so viel überwiesene Pfund von seinem Freund übrig bleiben, dass auch er, Marx, ein bisschen mitspekulieren könnte. Unsere kleine Twitterumfrage dazu hat übrigens dieses Ergebnis erbracht.

Vor ein paar Tagen hat Felix Holtermann im »Handelsblatt« die Frage aufgeworfen: »Macht der Bitcoin die Banken überflüssig – oder ist er nur ein neuer Spielchip im globalen Finanzcasino?« Seine Antwort lautete: »Keins von beidem.« Holtermanns Schulssfolgerung: »Wahrscheinlicher ist, dass dem Bitcoin schon bald eine wichtige Reservefunktion im Finanzsystem zufällt«, als theoretisches Notgeld und als Goldersatz, wobei Bitcoin in »begrenztem Umfang eine Geldfunktion übernehmen« könnten. Holtermann sieht hierin eine »nichtstaatliche Konkurrenz auf dem Markt für Tauschmittel« und nennt diese im Gefolge von Friedrich August von Hayek »heilsam«.

Bitcoin als neoklassischer Traum

Das ist eine nicht eben seltene neoklassische Sicht: Bitcoin als freie Konkurrenz zum staatlichen Monopol, Geld zu prägen, als Voraussetzung eines Wettbewerbs und eine Erfindung, die sich gegen »die staatliche Handlungsfreiheit« richte, alles Mögliche »auf Kosten der Anleger« zu tun – dies, so Holtermann, stehe »bald unter Krypto-Vorbehalt«.

Ingo Stützle von der »Prokla« hat eine ähnliche Argumentation aus der FDP schon vor einigen Jahren zum Anlass genommen, ein paar Fragen zu Kryptowährungen zu beantworten – aus einer Perspektive, die an Marx anschließt. »Bitcoins sind derzeit vor allem Spekulationsobjekt. Sie werden in der Hoffnung gekauft, sie teurer wieder verkaufen zu können«, schreibt Stützle. Das Maß bei Transaktionen mit Bitcoin bleibe das »richtige Geld«. Werde in Bitcoins hierzulande etwas verrechnet, bleibe der Euro »nach wie vor Maß der Werte und der Maßstab der Preise, das, was das Geld zum Geld macht. Dass etwas, was kein Geld ist, Geldfunktion übernehmen kann, ist nicht neu.« Stützle sieht hier »eine Diffusion« wiederbelebt, »mit der schon Marx zu kämpfen hatte: Was ist Geld, was ein Zahlungsversprechen, was Kredit und wieso bringt der Warentausch organisch immer wieder neue Formen des Handelskredits und ›Privatgeld‹ hervor?«

Als Spekulationsobjekt attraktiv

In der »Prokla« 179, deren Schwerpunkt sich der »Illusion und Macht des Geldes« widmet, hat sich Beat Weber einige »geldreformerische« Ansätzen kritisch angeschaut – darunter auch Bitcoin. »Von bestehenden Zahlungsmitteln unterscheidet sich Bitcoin in dreierlei Hinsicht«, schreibt Weber: »Es führt eine eigene Recheneinheit ein, keine Instanz fungiert als zentraler Ausgeber (somit ist Bitcoin niemals Verbindlichkeit), und seine Menge ist unwiderruflich begrenzt.« Da so weder Konvertibilität garantiert noch Geldpolitik zur Preisstabilisierung möglich ist, »richtet sich der Wechselkurs zwischen Bitcoin und offiziellen Währungen nach Angebot und Nachfrage«. Die Eigenschaft als Spekulationsobjekt mache Bitcoin zugleich als Kaufmittel unattraktiv, weil wegen der schwankenden Werte der Umsätze nicht glaubwürdig ein stabiles Verhältnis zur geltenden Recheneinheit versprochen werden kann.

Auch Weber verweist auf die neoklassische Idee hinter Bitcoin: Dass diese sinnvoll sind werde vorrangig aus dem wirtschaftsliberalen Postulat abgeleitet, »dass Wettbewerb Legitimität schafft, die dem Staat und der Demokratie abgesprochen werden: Bitcoin konkurriert etablierte Währungen und schafft so Wahlmöglichkeiten für Nutzer, Wettbewerb zwischen ›Schürfern‹ zur Beglaubigung von Bitcoin-Zahlungen ersetzt die Rolle, die im herrschenden System Banken spielen«.

Die Farce in der Geschichte des Goldfetischs

In »konkret« hat Claus Peter Ortlieb aus wertkritischer Perspektive auch schon mit Bitcoin beschäftigt und ist dabei auf das »Schürfen« zu sprechen gekommen – also das Mining, bei dem Rechenleistung zur Transaktionsverarbeitung, Absicherung und Synchronisierung aller Nutzer im Netzwerk zur Verfügung gestellt wird, und daraus eine Belohnung resultiert, die in Bitcoin-Anteilen »ausgezahlt« wird. Ortlieb sieht im Schürfen von Bitcoin etwas verrücktes, aber doch vergleichsweise harmloses: »Es ist die Farce, als die sich Geschichte nach einem Wort von Marx wiederholt, hier die Geschichte des Goldfetischs.«

Weil sich Bitcoin aus dem Nichts erzeugen lassen »wie Buchgeld«, wird, um dennoch »Werthaltigkeit zu simulieren, (…) ihnen ein Goldkostüm umgehängt. Wie beim Gold muß erst ein gewisser Aufwand an Arbeit und Ressourcennutzung getrieben werden, bevor die Bitcoins zum Vorschein kommen. Doch das ist bloßer Schein, weil dieser Aufwand völlig unnötig ist, die Bitcoins ließen sich auch ohne ihn erzeugen«, so Ortlieb. Das macht den Unterschied zum Gold aus, denn dafür muss wirklich jemand graben, es ist also Arbeit nötig.

Falschgeld und die neoliberalen Finanzmärkte

»Letztlich handelt es sich beim Bitcoin um Falschgeld, das sich nicht einmal Mühe gibt, wie ›echtes‹ Geld auszusehen«, so Ortlieb. »Wenn es dennoch Karriere machen kann, wenn es sich ohne Probleme in Dollar oder Euro verwandeln läßt, dann kann es wohl mit dem von den Notenbanken ausgegebenen Geld auch nicht mehr so weit her sein. Tatsächlich treiben die digitalen Währungen nur eine seit Jahrzehnten anhaltende Entwicklung auf die Spitze.« Hier sieht Ortlieb den eigentlichen Humus für Bitcoin: in der Folge »des kreditfinanzierten, durch die neoliberale Deregulierung der Finanzmärkte ermöglichten Konjunkturprogramms, mit dem die Realökonomie seit fast vierzig Jahren in Gang gehalten wird«, wuchs das globale Geld- und Anlagevermögen.

»Die riesigen, im Finanzhimmel kreisenden und nach Anlagemöglichkeiten suchenden Geldmengen führen auf allen Märkten, denen sie sich zuwenden, zur Inflation, so etwa auf Aktien-, Immobilien- und Rohstoffmärkten«, die ist für Aktienbesitzer eine gute Sache, »weil sie ja ihre Aktien wieder verkaufen können«. So auch die Besitzer von Bitcoin, wobei die Ironie darin liege, dass die Kryptowährungen gern mit dem verlorenen Vertrauen in die Finanzmärkte und Zentralbanken legitimiert werden. Doch in Wahrheit und »hinter dem Rücken der Akteure gerät das Instrument dann unversehens zu einem weiteren Spekulationsobjekt. Immerhin werden einige von ihnen dabei reich.«

Bitcoin verbrauchen so viel Strom wie ganz Irland

Abschließend noch ein kleiner Hinweis auf Michael Roberts. Der kommt mehr oder minder auf dieselbe Pointe, verweist aber noch auf ein paar weitere Aspekte – unter anderem den der Ökologie. »Tatsächlich ist das größte Hindernis für den allgemeinen Gebrauch von Bitcoin und jeder anderen Kryptowährung der enorme Energieverbrauch«, so Roberts in seinem Blog. Die Rechenleistung für die Bitcoin-Dokumentation und das Mining, also das »Schürfen«, würden global inzwischen »mehr Strom als ganz Irland« verbrauchen. »Temperaturen im Umfeld von Bitcoin-Bergbau-Zentren sind in die Höhe geschossen. Vielleicht könnte diese Hitze auch ökologisch weitergenutzt werden, aber die enormen Kosten eines solchen Energie-Recycling könnte auch die Blockchain-Expansion blockieren.«

Abgesehen davon, fragt auch Roberts, ob Bitcoin »für Technikfans und für alle, die eine neue Welt jenseits staatlicher Kontrolle und jenseits von Regulierungsbehörden schaffen wollen«, eine Alternative wäre – etwas, womit » Kommunen und Individuen ohne das Diktat korrupter Regierungen Transaktionen tätigen und ihr Einkommen und ihren Reichtum vor dem Behördenzugriff schützen können – vielleicht handelt es sich sogar den Embryo einer nachkapitalistischen Welt?«

Keine Befreiung vom Wertgesetz

Aber auch hier bleibt Roberts skeptisch: »Wie bei jeder Technologie hängt im Kapitalismus alles davon ab, ob dadurch menschliche Arbeitszeit reduziert wird und ob die Produktivität von Dingen und Dienstleistungen nach ihrer Gebrauchswertseite erhöht wird oder ob es sich um eine weitere Waffe zur Steigerung von Wert und Mehrwert handelt. Kann eine bloße Technologie für sich uns wirklich vom Wertgesetz befreien – eine Technologie, die scheinbar außerhalb jeder Kontrolle eines Unternehmens oder einer Regierung steht?« Seine Antwort: »Ich denke nicht.«

Vielmehr deute alles darauf hin, »dass die Blockchain-Technologie in die kapitalistische Jagd nach Mehrwert eingespannt wird, sobald die Technologie weitere Verbreitung findet. Kryptowährungen werden Bestandteile eines Kryptofinanzwesens, nicht aber ein Medium einer besseren Welt mit freien und autonomen Transaktionen. Noch naheliegender aber ist, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen im Randbereich des digitalen Geldverkehrs bleiben werden, so wie Esperanto als scheinbar universelle globale Sprache sich gegen die Macht des imperialistischen Englisch, Spanischen und Chinesischen nicht durchgesetzt hat.«

Geschrieben von:

Vincent Körner

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