Wirtschaft
anders denken.

Brexit: 51,9 Prozent sagen LEAVE

24.06.2016

Die Würfel sind gefallen. Es ist entschieden. Mit knapper Mehrheit haben die Briten für ein Ausscheiden aus der Europäischen Union (EU) gestimmt. Damit ist eingetreten, was seit Ausbruch der Eurokrise immer befürchtet und von vielen zu verhindern versucht wurde: Ein Land verlässt die Staatengemeinschaft.

Die Folgen sind vielleicht noch nicht ganz auszumachen. Sie hängen auch davon ab, wie die EU jetzt mit ihrem Abtrünnigen verhandelt. Eins aber ist gewiss: Sie werden nicht zu unterschätzen sein. Innerhalb kürzester Zeit ist das Pfund auf ein jahrzehntelanges Minus abgestürzt. Die Finanzmärkte geraten wieder in Panik.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind das Eine, die politischen das Andere. Auch wenn die EU hauptsächlich das Europa des Kapitals ist, so spielt ein Zerbrechen der EU lediglich denjenigen in die Hände, die ein Zurück zum Nationalstaat wollen, die wieder überall Schlagbäume sehen wollen. Überall feiern die Rechtspopulisten ihren Sieg.

Dabei trifft der Brexit die Linke Europas quasi im Wachkoma. Anders als vor einem Jahr, als Berlin und die Troika der griechischen SYRIZA-geführten Regierung, die ein Ende der Austeritätspolitik wollte, die Pistole auf die Brust setzte, gab es diesmal keine Demonstrationen. Die Europäische Zentralbank wurde nicht blockiert. Man kann sagen, auf der linken Seite nahm man die Debatte um den Brexit lediglich interessiert zur Kenntnis.

Denn das Nein kam von der falschen Seite. Das britische »No« ist kein griechisches »Oxi«, es ist kein »Nein« zum Neoliberalismus, es ist ein »Ja« zu Rassismus und Chauvinismus.

Das britische No ist kein griechisches Oxi, es ist kein Nein zum Neoliberalismus, es ist ein Ja zu Rassismus.

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Und gerade das ist das derzeitige Problem der Linken. Der Widerstand gegen ein Europa der Eliten kommt derzeit hauptsächlich von rechts und nicht von links. Die Abgehängten und vor allem diejenigen, die sich vor dem sozialen Absturz fürchten, glauben lieber an reaktionäre als an progressive Lösungsansätze.

Vielleicht hat dies auch damit zu tun, das die Linke quasi eines ihrer Markenzeichen hat schleifen lassen. Jüngst konstatierte der Berliner Sozialforscher Wolfgang Merkel gegenüber Zeit Online, dass junge Linke sich nicht mehr wirklich für Verteilungs- und Klassenfragen interessieren. Das zentrale progressive Anliegen sei mittlerweile die unbedingte Gleichstellung von Minderheiten.

Natürlich sind diese Kämpfe eine »Sine qua non« für linke Politik. Ohne den Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Homophobie und Co ist es nicht emanzipatorisch, wenn man die Verteilungsfrage stellt. Doch ein kosmopolitischer Humanismus ist nicht alles. Im Kampf um die Köpfe muss man leider auch frei nach Bertolt Brecht konstatieren: Die Angst um das Fressen kommt vor der Angst um die Moral.

Insofern lässt sich der Kampf um die unentschlossene Mitte nur gewinnen, wenn man den Rechten bei der sozialen Frage wirklich etwas entgegensetzt. Dabei geht es vielleicht weniger um das richtige wirtschaftspolitische Konzept, als vielmehr darum, dass man zeigt, dass man es ernst meint. So ist die Linke auch immer dort im Aufwind, wo sie dies tut.

Insofern heißt es wieder ran an die Klassenfrage. Überall auf der Welt steht der Feind am oberen Ende der Gesellschaft.

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