Wirtschaft
anders denken.

Enteignung nur ohne Allgemeinwohl

15.07.2021
Hierfür enteignet auch die CDU: Eine Autobahn-Brücke in einer großen BaustelleFoto: Projekt_Kaffeebart auf PixabayFür Autobahnen enteignet auch die CDU

Es gibt noch Hoffnung: Im September stimmen die Berliner:innen über die Enteignung von Wohnungskonzernen ab. Die sonst so enteignungsfreudige CDU kocht vor Wut.

Die Debatte über den Berliner Mietmarkt ist in vollem Gange. Die Sozialisierung großer Wohnungsfirmen steht im Raum, CDU und FDP toben. „Wir warnen davor, wenn hier Alt-Sozialisten die Axt anlegen wollen“, sagte der Berliner CDU-Fraktionschef Burkard Dregger über die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Und: „Meine Fraktion steht zum Grundrecht auf Eigentum.“ Spoiler: Das könnte nicht falscher sein.

Schaut man nämlich genau hin, finden CDU und CSU den Entzug von Eigentum gar nicht so schlecht: Von 2009 bis 2020 wurden in Deutschland jährlich im Schnitt 137 Enteignungsverfahren durchgeführt. Die Union war mit Abstand für die meisten davon verantwortlich. Die CDU-geführten Landesregierungen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Brandenburg sind Spitzenreiter beim Enteignen.

Die Union scheint also gar nicht so un-sozialistisch zu sein, wie sie sich gern gibt. Blöde nur, dass sich die Enteignungen, für welche die Unionsparteien verantwortlich sind, fast ausschließlich auf solche zum Bau von neuen Bundesstraßen, Autobahnen und Tagebauen beschränken. Aber ganze Dörfer für ein Kohlerevier einzustampfen – das ja nun mal auch nötig! Dient ja dem, äh, Allgemeinwohl!

Schön wär’s: Kohle hat keine Zukunft. Und auch mit neuen Autobahnen sorgt die Bundesregierung weder für die Umwelt, noch für bessere Mobilität. Die Straße ist mit 72 Prozent der Verkehrsträger, der in der EU die meisten Emissionen verursacht. Die Schiene ist nur für 0,5 Prozent verantwortlich. Stillgelegtes Schienennetz zu reaktivieren und bundesweit für einen ordentlichen ÖPNV zu sorgen, wäre viel billiger – und würden Enteignungen gar nicht erst nötig machen.

Doch Taschengelder aus Auto- und Kohlelobby gibt es schließlich nicht ohne Gegenleistung. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass sich die Union, wenn es um die Vergesellschaftung großer Wohnkonzerne in Berlin geht, plötzlich wieder als Kämpferin für Marktwirtschaft und Eigentum gibt.

Also ausgerechnet dann, wenn von einem Eigentümerwechsel tatsächlich die ganze Hauptstadt etwas hätte. Denn nicht nur in Berlin wird die Wohnungsnot immer größer: Ärmere Haushalte müssen in deutschen Großstädten für Miete inzwischen rund 46 Prozent ihres Einkommens aufwenden. Was im Interesse von Immobilienhändlern wie Christoph Gröner ist – und dessen Taschengeld über 300.000 will sich die Berliner CDU natürlich nicht entgehen lassen.

Was lernen wir daraus? Enteignungen und Vergesellschaftungen sind möglich und bei weitem nicht das Teufelszeug, als das sie die Union im Zusammenhang mit „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ darstellt. Auf die Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes, welche Enteignungen und Sozialisierungen regeln, berufen sich regelmäßig auch Unionspolitiker:innen. Auch CDU und CSU machen also Sozialismus. Nur eben Sozialismus für große Konzerne und Lobbyisten. Wenn die profitieren, dann sind Enteignungen wieder okay. Verrückt.

Doch Hilfe ist in Sicht: Ende Juni erreichte „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ das nötige Quorum des Volksbegehrens – damit wird in Berlin am 26. September über die Vergesellschaftung privater Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen abgestimmt. Die CDU startet dann wahrscheinlich mit Konfrontationstherapie. In eigener Sache.

Geschrieben von:

Victor Meuche

Praktikant bei OXI

Hinweis

Guter Journalismus ist nicht umsonst…

Die Inhalte auf oxiblog.de sind grundsätzlich kostenlos. Aber auch wir brauchen finanzielle Ressourcen, um oxiblog.de mit journalistischen Inhalten zu füllen. Unterstützen Sie OXI und machen Sie unabhängigen, linken Wirtschaftsjournalismus möglich.

Zahlungsmethode

Betrag