Wirtschaft
anders denken.

City Plaza Hotel Athen – wo Gäste ein Zuhause finden

28.01.2017
Eine Gruppe Kinder mit Plakat vor dem Eingang des City Plaza Hotels.Foto: Χώρος Στέγασης Προσφύγων City Plaza FacebookIn der Krise ist in Athen ein Ort der Gastfreundschaft entstanden - Für Geflüchtete und ihre Kinder.

Das ehemalige 3-Sterne-Hotel im Zentrum Athens ging in der Wirtschaftskrise Bankrott, wurde besetzt und dient nun Geflüchteten als Wohnort. Ein ermutigendes Beispiel dafür, wie aus Krisen Gutes entstehen kann.

»The 3-star City Plaza Hotel in Athens is well known for its cosy and friendly atmosphere that will make you feel at home.« So warb das 7-stöckige Hotel im Athener Stadtzentrum noch vor seinem Bankrott unter den Lasten der griechischen Wirtschaftskrise. Doch der Werbespruch von damals scheint heute besser zu passen denn je: Seit April 2016 ist das Hotel besetzt und das Zuhause von über 400 Geflüchteten, darunter 180 Kindern geworden. Für die »gemütliche und freundliche Atmosphäre« sorgt auch, dass die BewohnerInnen im besetzten City Plaza sich kollektiv um die gemeinsamen Mahlzeiten, ärztliche Versorgung, Rechtsberatung und Bildung kümmern. So genießt das Hotel nun europaweite Bekanntheit, als Vorzeigebeispiel einer etwas anderen Art der Gastfreundschaft.

Als Anfang 2016 ein europäisches Land nach dem anderen die Grenzen dichtmachte, blieben rund 60.000 Geflüchtete in Griechenland im Transit stecken. Für die freiwilligen AktivistInnen dort wurde nun neben der Seeenotrettung und Notversorgung auch die Wohnungsfrage zur dringenden Aufgabe. Das über Jahre leerstehende City Plaza Hotel mit 140 möblierten Zimmern und den noch funktionierenden Küchen- und Sanitäranlagen schien sich anzubieten. Rund 100 Geflüchtete und 150 AktivistInnen der Initiative solidarity2refugees besetzten das Gebäude, putzten es und errichteten gemeinsam eine Infrastruktur für dauerhaftes kollektives Wohnen.

Ein Symbol für die Ironie der Geschichte

Dieses Hotel hat einen besonderen Charme. Als ich es im Dezember 2016 besuchte, musste ich schmunzeln: Ein Hotel ist üblicherweise ein Ort, der für die Mobilität von TouristInnen und Geschäftsleuten steht, für diejenigen, die sich in der EU frei bewegen dürfen – und sich eine Übernachtung im Hotel leisten können. Die Ironie der Geschichte ist, dass es die Krise in einen Ort für den Umgang mit der Mobilität der Migration verwandelt hat. Hier können Geflüchtete als Reisende gedacht, hier kann das realisiert werden, was für die Staaten der EU als schiere Unmöglichkeit erscheint. City Plaza steht so für das doppelte Scheitern der EU in den letzten Jahren – im Umgang mit der Finanzkrise und mit den Fragen der Flucht.

Das Gebäude trägt noch Überbleibsel seiner Vergangenheit: Gemäldekopien des griechischen Malers Fasianos hängen an den Wänden, breite Sessel und riesige Spiegel befinden sich in ehemaligen Lounges und Konferenzräumen, die nun Gemeinschaftscafés und kollektive Speisesäle geworden sind. Der 1980er-Jahre-Pseudomodernismus mischt sich mit der Ästhetik einer Besetzung. An den Wänden hängen Zettel, die die nächste Vollversammlung ankündigen, Angebote für Deutschkurse oder die Sprechzeiten der Ärztinnen und Ärzte. Kinder spielen in den Fluren, im Café tönt abwechselnd griechische und arabische Popmusik oder einfach nur Rihanna.

Hier wird etwas realisiert, was für die Staaten der EU unmöglich zu sein scheint.

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Im Hotel wird alles angeboten, was Neuangekommene brauchen: eine Apotheke, Sprachkurse, Übersetzungshilfen, ein Friseur, eine Bibliothek, Rechtsberatung und drei warme Mahlzeiten am Tag. Diese Dienstleistungen werden von EinwohnerInnen und AktivistInnen organisiert, die nötigen Entscheidungen werden in wöchtlichen Vollversammlungen gemeinsam getroffen. »Das wichtigste ist, dass wir uns hier sicher fühlen«, meint Bahar Askavzadeh, eine Schriftstellerin aus Afghanistan. Das Essen ist nicht genau ihrs, meint sie, aber seitdem sie ihr eigenes Zimmer hat, kann sie wieder schreiben. Im City Plaza begann sie ihr neues Buch über das Leben auf der Flucht.

Arztpraxis, Sprachschule, Schlafplatz und vieles mehr

Für Olga Lafazani, eine griechische Aktivistin des Netzwerks Dyktio, ist das Wohnen und Arbeiten im besetzten Hotel eine neue Erfahrung von politischer Arbeit. Den Aufbau von Beziehungen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft beim Kochen oder Putzen, aber auch die Konflikte, die dabei manchmal entstehen, nimmt sie als eine Praxis politischer Transformation wahr – sowohl für Athener AktivistInnen als auch für die Geflüchteten oder die NachbarInnen im Stadtteil, der bisher eine Hochburg der Nazis der Goldenen Morgenröte war. City Plaza ist, so formuliert es Olga, ein politisches Projekt, keine NGO. Denn die BewohnerInnen des Hotels seien nicht passive EmpfängerInnen von Dienstleistungen, sondern müssten sich aktiv an der Besetzung beteiligen, um weiterhin dort leben zu können. Das Hotel verstehe sich als ein Beispiel dafür, dass selbst ohne staatliche Hilfe die Wohnungsfrage von Geflüchteten in einer Stadt wie Athen gelöst werden könne.

Das bedeute aber nicht, dass man sich damit zufrieden gebe, die Aufgabe des Staates zu übernehmen, erklärt die Initiative. Als Teil der sozialen Bewegung gegen das europäische Grenzregime fordern die HotelbewohnerInnen ein Ende der Ghettoisierung von Geflüchteten in Lagern; stattdessen wollen sie in offenen Zentren in den Städten untergebracht werden, mit Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung und Bildung. City Plaza kritisiert den »rassistischen und beschämenden Deal« der EU mit der Türkei und fordert offene Grenzen, sichere Fluchtrouten und die Legalisierung von Geflüchteten in Griechenland, ohne Abschiebungen in die Türkei.

Und schließlich fordern sie unsere Solidarität: City Plaza lebt von Eigeninitiative, aber auch von Spenden. Für die rund 800 warmen Mahlzeiten am Tag, Schulmaterialien, Medikamente, Verbände, für Seife, Toilettenpapier und alles, was der Alltag von 400 Menschen so erfordert, ist das Hotel auf uns angewiesen. Auf europas-bestes-hotel.eu kann man bequem auch aus Deutschland spenden und dieses wahnwitzige Experiment der etwas anderen Art griechischer »Philoxenia« unterstützen.

 

Eine Kurzfassung des Artikels erschien in der OXI Dezemberausgabe.

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Geschrieben von:

Margarita Tsomou

Autorin

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