»Demokratischer Skandal«: Moscovici kritisiert Griechenland-Kredite
Der EU-Währungskommissar Moscovici nennt das laufende Kreditprogramm für Griechenland einen »demokratischen Skandal«. Es geht auch um die künftige EU-Struktur. Doch soviel Selbstkritik passt nicht jedem.
An diesem Dienstag werden die Abgesandten der internationalen Gläubiger Griechenlands wieder mit ihren Kontrollen beginnen – die Ferien sind vorbei. Nicht aber vorbei ist die Debatte über die umstrittenen Kreditprogramme, ihr Zustandekommen und die sozial und ökonomisch folgenreichen Auflagen, die EU, der Rettungsschirms ESM, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds der linksgeführten Regierung in Athen aufgebrummt haben.
Das wird nicht nur von SYRIZA seit langem kritisiert, auch aus der linken Politik Europas und von ExpertInnen gab es immer wieder harsche Absagen an diese Programme. Nun hat sich auch EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sehr deutlich dazu geäußert – und das laufende Kreditprogramm als »demokratischer Skandal« kritisiert. Am Rande einer Konferenz im italienischen Cernobbio wurde der Franzose gegenüber dem Corriere della Sera präziser: Es gehe ihm nicht um den Inhalt der in den vergangenen Jahren getroffenen Entscheidungen, sondern um die Art und Weise, wie sie zustande kamen.
Die Frankfurter Allgemeine fasst Moscovici so zusammen: »Die in der Eurogruppe versammelten Finanzminister des Euroraums hätten hinter verschlossenen Türen ohne ein Minimum an parlamentarischer Kontrolle „Pläne von Technokraten beschlossen, die das Schicksal von Menschen bis ins Detail prägen«. Dies sei geschehen, ohne dass die Medien wirklich wüssten, was gesagt worden sei, und ohne dass es klar festgelegte Kriterien oder Leitlinien gebe.« Das Blatt wundert sich dann, dass die von Moscovici so bezeichneten TechnokratInnen »also auch aus seiner eigenen Behörde« kommen, was noch kein Grund sein muss, Kritik sein zu lassen.
Es gibt einen Hintergrund, und der ist Moscovicis Kurs in der Debatte über eine mögliche Vertiefung der Währungsunion – hier will der Franzose, dass die Eurogruppe transparenter und demokratischer wird, außerdem verlangt er, dass das politische Entscheidungszentrum in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen des Euroraums von der Eurogruppe in die EU-Kommission wechselt und dass sich der Wirtschafts- und Währungskommissar zum Finanzminister für den Euroraum weiterentwickelt.
Hierin sieht die FAZ nun ihrerseits einen Skandal: »Moscovicis Einlassungen sind nicht nur deshalb haarsträubend, weil der Franzose so tut, als ob er am angeblichen Skandal nie beteiligt gewesen sei. Vor allem stellt er die Dinge inhaltlich auf den Kopf«, schreibt das Blatt in einem Kommentar. Die demokratische Legitimation der so genannten Rettungspakete sei gegeben, weil nationale Parlamente darüber befinden – auf allen Seiten. Was die Frankfurter Allgemeine dann »Moscovicis merkwürdige Aussagen« nennt, zielt aber ja eher auf die Zukunft, also auf die Frage, ob man es anders machen könnte.
»Auf dieser Basis lässt sich die Diskussion über die Zukunft der Währungsunion nicht führen«, sagt die FAZ. Es könnte sein, dass es also genau anders herum ist: Mehr Moscovici wagen, könnte ja heißen, mehr Selbstkritik der EU-Institutionen und mehr Änderungsspielraum für ein anderes, neues Europa ermöglichen. Das ist dringend nötig. Dafür freilich müsste der Franzose auch am Ball bleiben.
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