Wirtschaft
anders denken.

Der Gratismut der Zombies: Wie die 6b der FDP einmal knapp aber deutlich am Punk vorbeischrammte

07.05.2018
Neoliberale

Der Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen bietet Aufkleber in umgeschriebener Antifa-Optik feil – in schönstem Pink und mit der Parole »Neoliberale Aktion«. Über geistige Armut in reichen Gesellschaften und das Scheitern ironisch gemeinter Selbststilisierung.

»Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ›ungeheure Warensammlung‹«, so beginnt ein recht altes Buch, von dem zuletzt oft die Rede war, geschrieben von einem Autor, über den nun für eine Weile auch erst einmal alles Unwichtige gesagt sein dürfte. Einen Aufkleber, den die Liberalen Hochschulgruppen derzeit im Webshop der FDP feilbieten, könnte man zum Anlass nehmen, den Satz ein wenig abzuändern. Er würde dann von der geistigen Armut handeln, die in Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, recht verbreitet ist. 

Diese Variante der Kritik müsste die Schlechtigkeit hervorheben, mit der FDP-Nachwuchsapparatschiks sich hier in einer Symbolwelt suhlen, von der sie wahrscheinlich gar nicht viel Ahnung haben. Schlimmer noch, der Aufkleber sollte deshalb harsche Kritik auf sich ziehen, weil er zwei Dinge auf eine Ebene hebt, die da doch gar nicht stehen: Antifaschismus und Neoliberalismus. Eine Unterart dieser streng am Motiv orientierten Kritik würde außerdem darauf verweisen, dass die Verbindung von »neoliberal« mit Insignien der EU recht eigentlich alles über dieses Europa sage … q.e.d.

Zur Geschichte des Symbols

An dieser Stelle ein kleiner Einschub zur Geschichte des Symbols: Im Mai 1932 überfielen im Reichstag Mitglieder der NSDAP-Fraktion kommunistische Abgeordnete, deren Partei rief daraufhin die Antifaschistische Aktion aus, im Frühsommer wurde diese offiziell gegründet. Zu jener Zeit tauchte auch das Logo erstmal auf: zwei nach rechts stürmende Fahnen im Kreis, der den Namen der Aktion wiedergibt. Die Gründungsgeschichte der Antifaschistischen Aktion sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die KPD in jener Zeit den verhängnisvollen Kurs der Sozialfaschismusthese verfolgte, die in der SPD den »Hauptfeind« sah und  zur Spaltung der Arbeiterbewegung führte. 

Später wurde das Antifa-Logo in der linken Szene der Bundesrepublik wieder populär – es diente der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation als Symbol, die elf Antifa-Gruppen im Sommer 1993 gegründet hatten. Die AA/BO löste sich im Jahr 2001 allerdings schon wieder auf – doch das Logo blieb als Erkennungszeichen der linken Szene. Noch einmal später versuchten (und versuchen) allerdings auch Rechtsradikale, das klassische Symbol der Antifaschistischen Aktion für sich zu reklamieren und umzudeuten. Dies, kann man unter anderem hier lesen, geschehe »aus taktischen Gründen« und sei »zudem Provokation gegenüber der linken Szene«.

Ziemlich lächerlicher Gratismut

Womit wir dann auch wieder bei der »Neoliberalen Aktion« im FDP-Hochschulgarten wären. »Der Shop der Freiheit«, programmiert vom »Design.Sorgenfrei«, bietet die Aufkleber in der umgeschriebenen Antifa-Optik für 2,50 Euro pro 50 Stück feil – in schönstem Pink. Fände man noch ein Einhorn auf dem Motiv, die Sache wäre als Symbol der Ironisierung perfekt: Da markiert sich jemand selbst als neoliberal in Zeiten, in denen das weithin als igitt gilt. Das wäre fast schon wieder Punk.

Ist es aber eben auch nur fast. »Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus« (Colin Crouch) ist schließlich nicht bloß eine Legende und ein radikaler Markt-Aberglaube weiterhin anzutreffen – und das keineswegs nur im Fanshop der 6b der FDP. Sondern bei den Bauchrednern des Kapitals, in den Wirtschaftsredaktionen und selbst im Apparat sozialdemokratisch geführter Ministerien.

Schlimmer, weil subtiler wirkungsvoll: Der Neoliberalismus ist auch im Alltag, im Reden, in den Beziehungen der Leute untereinander erfolgreich gewesen, die nur noch wenig Solidarität kennen, die ein Leben führen, in dem die Sehnsucht nach Selbstbestimmung umgeschlagen ist in Vereinzelung, einer Lage, in der der Einzelne heute für sein ökonomisches Schicksal vollständig verantwortlich gemacht wird, damit desozialisiert, seiner gesellschaftlichen Einbettung entkleidet. Eine der Folgen: Soziale und ökonomische Zusammenhänge werden als moralische Qualitäten gedeutet. Die neoliberalen Zombies sind nicht nur unter uns, wir sind teils selbst zu welchen geworden.

Man könnte sagen: Das, was gern Neoliberalismus genannt wird, hat einen ziemlich großen Sieg eingefahren. Und einen Scherbenhaufen hinterlassen. Das ist kein Grund zur Freude, sondern immer öfter zum Heulen, wie ein Blick aus dem Fenster in Richtung Wirklichkeit zeigt. In so einer Lage sieht auch eine ironisch gemeinte Selbststilisierung als »radikale Minderheit«, als »letzte Verfechter des Richtigen«, eben: als Neoliberale nur noch nach einem aus: nach ziemlich lächerlichem Gratismut.

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