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Der Roboter wird nie die Rente zahlen

11.03.2017

Wenn Roboter statt Menschen arbeiten, sollen sie auch Steuern zahlen, schreibt Wolfgang Kessler auf oxiblog.de. Das klingt erst mal logisch. Klingt aber auch nur so. Eine Replik.

Zunächst mal stimmt Kesslers grundlegende Annahme nicht, dass durch die Digitalisierung immer mehr Beschäftigte von Robotern und Computern ersetzt werden. Das gilt zwar in vielen Einzelfällen und Bereichen, aber gesamtwirtschaftlich ist die Beschäftigungsentwicklung nicht technologisch, sondern durch die ökonomische und soziale Entwicklung bestimmt. Bisher sind die Produktivitätszuwächse trotz neuer Technik niedriger als in früheren Jahrzehnten, und die Beschäftigung steigt. Wo sie gesunken ist, etwa in Südeuropa, ist das die Folge ökonomischer und durch neoliberale Politik verstärkter Krisenprozesse, nicht der Digitalisierung.

Wertschöpfung durch Maschinen? Gibt es nicht

Noch problematischer ist Kesslers Annahme, mit der Technisierung der Wirtschaft würde die Wertschöpfung durch Maschinen immer bedeutender und der Lohnanteil deshalb notwendig abnehmen. Dies verkennt, dass Wertschöpfung und die Aneignung der geschaffenen Werte gesellschaftliche Prozesse sind. Wertschöpfung als Produktion des in Geld ausgedrückten Werts der Güter und Dienstleistungen, die für Geld erworben werden können, erfolgt durch Erwerbsarbeit. Selbst wenn einzelne Produktionsprozesse vollautomatisch sein sollten, gilt dies gesamtwirtschaftlich.

Unter kapitalistischen Verhältnissen wird ein erheblicher Teil dieser Wertschöpfung vom Kapital angeeignet bzw. einbehalten, in der Form von Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Maschinen und Roboter schaffen keine Werte und zahlen auch keine Steuern, sondern das müssten ihre Eigentümer tun. Wie hoch der Anteil der Löhne an der Wertschöpfung, die Lohnquote ist, ist keine Frage der Technik, sondern der Kräfteverhältnisse in der gesellschaftlichen Verteilungsauseinandersetzung. Technische Bedingungen spielen dabei eine Rolle, wichtiger sind ökonomische Entwicklungen, politisch gesetzte Rahmenbedingungen und die Organisiertheit und Kampffähigkeit der Beschäftigten.

Die Hauptaufgabe der Gewerkschaften und der Linken besteht darin, für gute Arbeit und soziale Sicherung, Lohnsteigerungen und Arbeitszeitverkürzung zu kämpfen. Steuern und Abgaben werden letztlich immer finanziert zu Lasten der Arbeitseinkommen oder der Kapitaleinkommen bzw. ihrer Kaufkraft. Wenn eine massive Umverteilung zu Lasten der Löhne nicht verhindert werden könnte, wäre eine massive sozialstaatliche Höherbelastung der Kapitaleinkommen zur Kompensation ebenfalls unrealistisch.

Wie kann eine Wertschöpfungsabgabe aussehen?

Eine Wertschöpfungsabgabe könnte dennoch einen sinnvollen Beitrag zur Stärkung der Finanzierung der Sozialversicherungen leisten. Dazu dürfen aber nicht die bisherigen Arbeitgeberbeiträge nur aufkommensneutral umgestellt werden, sondern die volkswirtschaftlichen Kapitaleinkommen müssen insgesamt höher als bisher herangezogen würden. Eine Wertschöpfungsabgabe sollte ein zusätzliches Finanzierungsstandbein sein. So würde auch vermieden, dass stärker steigende Löhne zu relativ sinkenden Sozialbeitragseinnahmen führen.

Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD hatte 1985 einen sinnvollen Vorschlag in dieser Richtung ausgearbeitet. Sozialabgaben sollten erhoben werden auch auf Gewinne, geleistete Zinsen, Mieten, Pachten, Leasingraten, Abschreibungen und die Teile der Lohn- und Gehaltssumme (oberhalb von Beitragsbemessungsgrenzen und bei Minijobs), auf die noch keine vollen Sozialabgaben gezahlt wurden.

Die Verteilungs- und Lenkungswirkungen einer Umbasierung der Sozialbeiträge wären anders als viele denken. Viele Dienstleistungsbereiche haben relativ zu ihrer Wertschöpfung höhere Kapitalkosten als viele Industriesektoren. Auch viele Selbstständige würden stärker belastet. Eine bessere Beschäftigungsentwicklung durch relative Verbilligung des Arbeits- gegenüber dem Kapitaleinsatz ist ein sehr fragwürdiges neoklassisches Argument. Welche Arbeitsplätze durch Rationalisierung verloren gehen, wird durch die technischen Möglichkeiten und die ökonomische Entwicklung bestimmt und würde durch eine solche Abgabe kaum beeinflusst.

Eine Maschinensteuer springt zu kurz

Die Bedeutung einer Wertschöpfungsabgabe sollte insgesamt nicht überschätzt werden. Gesellschaftspolitische Alternativen sollten eine weitergehende Perspektive haben: Wenn automatische Maschinen und Roboter und große gesellschaftliche Infrastrukturen und Netze immer mehr die Grundlagen der Reichtumsproduktion bilden, dann stellt sich die Frage nach Eigentum und Verfügung daran, also nach sozialistischen Alternativen jenseits des Kapitalismus. Eine Maschinensteuer springt da erheblich zu kurz.

Geschrieben von:

Ralf Krämer

Gewerkschaftssekretär ver.di

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