Wirtschaft
anders denken.

Ihr habt ein politisches Problem, liebe Gewerkschaften, kein demografisches

20.01.2018
Foto: Linke Nordrhein Westfalen / Flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die DGB-Gewerkschaften verlieren immer weiter Mitglieder. Das ist aber nicht nur ein demografisches Problem, wie die Spitze glauben machen will. Sondern ein vor allem politisches. Das unnötige Plädoyer pro GroKo-Verhandlungen zeigt das deutlich.

Die SPD-Spitze wird sich über die Rückendeckung der DGB-Gewerkschaften in der Koalitionsfrage gefreut habe. Der Dachverband hat dabei der Aufnahme von weiteren Gesprächen mit der Union mit dem Argument zugestimmt, das Sondierungsergebnis und was dabei für Beschäftigte herausgekommen ist, »sei es wert, dafür in Koalitionsverhandlungen zu gehen«.

DGB-Chef Reiner Hoffmann sprach sogar von »viel Substanz«, trat mediengerecht mit dem nach Unterstützung suchenden SPD-Vorsitzenden Martin Schulz auf und ließ wissen, das Erreichte dürfe man »nicht einfach auf der Straße liegen lassen«. So weit, so erwartbar.

Dabei hätte den Dachverband womöglich eine Meldung aus den vergangenen Tagen zum Nachdenken bringen können. 2017 verloren die acht Gewerkschaften im DGB über 50.000 Mitglieder, deren Gesamtzahl rutschte erstmals unter sechs Millionen. Hoffmann erklärte, »da gibt es nichts schön­zu­re­den«. Und warum macht der DGB das dann beim Sondierungsergebnis?

Besser als ihr Ruf?

Die Bilanz ist kärglich, und das kann auch der Dachverband nicht hinter Schlagzeilen wie »GroKo: Besser als ihr Ruf« verbergen. Was im »Klartext« dann »zu den Fakten« geschrieben wird, ist nicht viel. Die Absicherung eines Rentenniveaus, das nach Lage der Dinge auch von selbst so bleibt, also: viel zu niedrig. Die Wiederherstellung der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung ist sicher der wichtigste Punkt. Der Rest eher Stückwerk, kleine Anbauten hier, ein bisschen Schminke dort.

Wer sich die »Bewertung« des Sondierungsergebnisses durch den DGB-Vorstand ansieht, muss sich sogar ein bisschen wundern für das Plädoyer für die GroKo-Verhandlungen. Denn dort kann man lesen, was die Gewerkschaftsfunktionäre alles kritisieren, für unzureichend halten, was ihnen in dem Papier fehlt. Zum für die Gewerkschaften entscheidenden Punkt der Tarifbindung erwartet der DGB »deutlich mehr«. Aber von wem denn? Und wann?

Kritische Gewerkschafter gegen GroKo-Verhandlungen

Andere Gewerkschafter ziehen deshalb auch andere Schlussfolgerungen. »Auch das kleinere Übel ist ein Übel«, heißt es in einer Einschätzung des »Vorbereitungskreises Offensive Gewerkschaftspolitik«. Es sei zwar richtig, dass das Sondierungsergebnis gegenüber dem Jamaika-Stand etwas besser abschneide. Aber das könne ja nicht der ganze Anspruch von Gewerkschaften sein.

Es entstehe mit dem DGB-Zuspruch für Schulz und seine GroKo »der Eindruck, Gewerkschaften setzen sich für eine Große Koalition ein und damit werden sie in die Verantwortung für die Ergebnisse für diese Koalition genommen. Diese Ergebnisse aber werden – trotz einzelner sinnvoller Verbesserungen – den Anforderungen in keiner Weise gerecht«, so der Vorbereitungskreis (mehr über darüber hier). Das wird dann durchbuchstabiert. Zum Beispiel werde auf »jegliche Form der Umverteilung von oben nach unten« verzichtet, es gebe ein »Weiter so« auch in der Sozialpolitik; »in der Arbeitsmarktpolitik gibt es keine relevanten Kurskorrekturen«. Hinzu komme eine von der CSU inspirierte Flüchtlingspolitik.

Auf Basis des Sondierungspapiers, und die Union hat erkennen lassen, dass sie kaum darüber hinaus »Nachbesserungen« wird ermöglichen (es sei denn, im Gegenzug werden noch weitere Kröten geschluckt), gibt es keinen echten Schritt dahin, »die realen gesellschaftlichen Probleme (insbesondere die Armuts- und Reichtumsentwicklung) zu lösen«, so der Vorbereitungskreis. Abgesehen davon sei es »nicht Aufgabe der Gewerkschaften, Politikberater der SPD zu sein«.

Mitgliederschwund ist vor allem eine politische Frage

Genau das macht die DGB-Spitze aber, mehr noch: Sie lässt sich für die innerparteiliche Auseinandersetzung bei den Sozialdemokraten instrumentalisieren. Und eine wichtige Passage aus den Thesen für eine offensive Gewerkschaftspolitik gibt der Vorbereitungskreis der SPD und der Öffentlichkeit auch noch zum Bedenken: »Es besteht die Gefahr, dass die IG Metall die Realität anders beschreibt, als sie von einem Großteil ihrer Mitglieder wahrgenommen wird und sich hierdurch von ihrer Mitgliedschaft entfernt. Letztlich kann dies zur Rechtfertigung von Verhältnissen führen, die nicht im Interesse der Mitglieder der IG Metall liegen.«

Das lässt sich sowohl auf die SPD als auch auf den DGB übertragen. Was das mit dem Mitgliederschwund zu tun hat? Sicher wirken sich Veränderungen in der Ökonomie, Strukturwandel und dergleichen auch auf die Mitgliederzahl von Gewerkschaften aus. Aber wenn der DGB-Chef meint, das größte Problem der Organisationen sei ein demografisches, weil viele Mitglieder in Rente gehen, die Altersstruktur sich verändert habe und die Werbung unter Berufseinsteigern schwieriger wird, dann redet er sich auch in der Frage der Mitgliederzahl die Lage schön.

Es könnte ja sein, dass die mangelnde Attraktivität des DGB auch und sogar sehr eine politische Frage ist. In die Sozialdemokratie traten, als es unter Schulz anfänglich nach einer Linkswende aussah, viele junge Leute ein. Von denen dürften sich viele bald enttäuscht wieder zurückziehen. Nicht unbedingt wegen der GroKo an sich – sondern wegen der Politik, die die SPD-Spitze nun als gelungenen Wurf verteidigt und für die sie Rückendeckung des DGB bekommt.

Geschrieben von:

Svenja Glaser

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