Wirtschaft
anders denken.

Die nächste Finanzkrise und der Rechtsruck

22.09.2017
Flickr / Initiative echte soziale Marktwirtschaft / CC BY-SA 2.0

Studien zeigen, dass im Umfeld einer Finanzkrise rechte Parteien stark werden. Ist das ein Indikator für kommende Einbrüche – oder eine Folge vorheriger Ereignisse, die langsam wieder verschwindet? Eine neue Analyse der Deutschen Bank macht nun jedenfalls klar: Wenn es bald wieder eine Krise gibt, war sie nicht unvorhersehbar.

Kommt die nächste große Finanzkrise? Nun, das ist gar nicht die Frage, eher ist interessant, wann sie kommt und anhand welcher Indikatoren man sie vorhersehen kann. Zugestanden, es gibt noch mindestens zwei weitere entscheidende Ebenen: Was man dagegen tun könnte, etwa mit durchgreifenden Regulierungsmaßnahmen oder einem radikalen Umbau des Finanzsystems. Und was Krisen politisch für Konsequenzen haben, die selbst wieder zu Krisenverstärkern werden könnten – zum Beispiel der Aufstieg rechter Parteien.

Ökonomen befassen sich schon deshalb gern mit dem Vorhersageproblem, weil sie vom letzten großen Kladderadatsch überrascht wurden – was zu einiger Kritik und manchem Spott geführt hat. Umso mehr werden nun »in der Szene« Studien wie die von den Deutsche-Bank-Ökonomen Jim Reid, Nick Burns, Sukanto Chanda and Craig Nicol beäugt – auch wenn auffällig ist, wie wenig so ein Thema hierzulande in die breite Medienöffentlichkeit durchschlägt. Berichte gibt es unter anderem hier und hier und hier.

In der Analyse werden »verschiedene Risikofaktoren untersucht, die zu erkennen sind und die eine neue Krise begünstigen könnten«, berichtet die »Frankfurter Allgemeine« – und schreibt, die Ökonomen kommen zu einer »nicht gerade beruhigenden Einschätzung«.

Mehr Finanzkrisen seit Ende des Bretton-Woods-Systems

Angesichts des auffällig hohen Standes von sogenannten Vermögenspreisen in aller Welt, den großen Schuldenbergen von Staaten und Privathaushalten sowie mit Blick auf den politischen Aufwind für populistische Parteien kommen Reid und Kollegen zu dem Ergebnis: »Wenn es in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Krise gibt, wäre es schwer, auf diese Variablen zu blicken und zu behaupten, es habe keine Möglichkeit gegeben, sie vorherzusagen.«

Untersucht wurden verschiedene Finanzkrisen seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems 1971. Der Systemwechsel hin zu freien Wechselkursen habe zwar mehr Möglichkeiten geschaffen, auf Krisen zu reagieren – zugleich aber das Finanzsystem auch krisenanfälliger gemacht. Die Studie: Die Frequenz der Krisen hat seit 1971 zugenommen. Und die Analyse von Reid und anderen legt Koinzidenzen frei, also Übereinstimmungen von Faktoren, die immer wieder rund um Krisen des Finanzsystems auftauchen.

Einen Punkt stellt die FAZ heraus: »Die Autoren stellen zumindest die Frage, ob die Welt deshalb gerade anfällig ist für eine Korrektur der Vermögenspreise, die die Bedingungen für die nächste Krise schafft. Die Anhäufung von Staatsschulden in den vergangenen Krisen habe die Notenbanken genötigt, die Zinsen auf einem extrem niedrigen Niveau zu halten und gleichzeitig den Anstieg von Vermögenspreisen in aller Welt in Kauf zu nehmen. Das berge erhebliche Risiken. Sehr verwundbar seien durch ihren hohen Schuldenstand beispielsweise Italien und Japan. Aber auch die Entwicklung in China machen die Autoren als ein Risiko aus.«

Ein Populismus-Index und die Frage nach Henne oder Ei

Ein anderer Indikator dürfe etwas umstrittener sein – der so genannte Populismus-Index, der in der Analyse zur Anwendung kommt. Es geht hier um die Zustimmung für »populistische Parteien«, wobei schon die Abgrenzung schwierig ist, die Definition des Begriffs Populismus ohnehin. So wie sich in den 1930er Jahren ein hoher Ausschlag des Populismus-Indexes zeigte, heißt es in der Studie  von Reid und anderen, so sei dies nun wieder so.

Allerdings zeigt sich auf dem entsprechenden Chart, das auf der umstrittenen Website Zero Hedge veröffentlicht wurde, dass der historische Ausschlag Ende der 1930er Jahre erfolgt – also nach der eigentlichen Finanzkrise (vor 1929 ist der Populismus-Index eher niedrig), während aktuell der Index wieder auf einen hohen Wert kommt – wieder nach einer schweren Finanzkrise. Ob man damit in die Zukunft prognostizieren kann, sei dahingestellt.

Die Ergebnisse – also dass nach Finanzkrisen rechte Parteien aufsteigen – stimmen auch mit anderen Studienergebnissen überein. Ende 2015 hatten die Ökonomen Manuel Funke, Moritz Schularick und Christoph Trebesch diesen Zusammenhang untersucht. Das Ergebnis: »On average, far-right votes increase by about a third in the five years following systemic banking distress.« Und weiter: »Moreover, we identify an important asymmetry in the political response to crises – on average, the far left did not profit equally from episodes of financial instability.«

Von Finanzkrisen profitieren politisch die Rechten

In der Deutsche-Bank-Studie wird nun eine Art Nachfolge-Effekt diskutiert. Wenn solche, hier populistisch genannten Parteien als Folge von Finanzkrisen aufsteigen und möglicherweise sogar an die Regierung kommen, könne dies in den Jahren danach zu weiteren Destabilisierungen und Unsicherheiten führen, die Zuarbeit für die nächste Krise leisten: »While the consequence of the recent rise in populism hasn’t yet destabilised financial markets, the level of uncertainty will surely remain high while such parties remain realistic power brokers in major national elections.«

In der Studie von Funke und anderen zu den politischen Folgen von Finanzkrisen wird auf diesen Folgepunkt des Aufstiegs von Rechtsparteien auch hingewiesen – auf eine zunehmende Fragmentierung der politischen Landschaft, auf höhere Schwierigkeiten bei Regierungsbildungen und so weiter. Was natürlich Auswirkungen haben kann auf die jeweiligen Politiken zur Bekämpfung von anhaltenden oder kommenden Krisen. »The second key finding is that governing becomes more difficult after financial crises.« Und: »Using the depth of our historical dataset we can show that these effects have become stronger over time.«

Interessant ist eine rückblickende Erkenntnis der Studie von Funke und anderen: Die ersten fünf Jahre nach einer Finanzkrise sind die fragilsten, was das Politische angeht. Zehn Jahre nach einer Krise seien über die Zeit schon kaum noch Ausschläge zu beobachten: »We find that the first five years are critical and most effects slowly taper out afterwards. A decade after the crisis hits, most political outcome variables are no longer significantly different from the historical mean.«

Wir befinden uns derzeit, gemessen am letzten großen Kriseneinbruch, irgendwo zwischen fünf und zehn Jahren danach – der Kladderadatsch begann 2007 in den USA, im Herbst 2008 ging Lehman Brothers pleite, die Bankenrettung transformierte die Finanz- in eine Staatsschuldenkrise, die ab 2009 als Eurokrise etabliert ist. Interessant an der Studie von Funke und anderen ist übrigens, dass ihre Beobachtungen nur für Finanzkrisen gelten, nicht jedoch nicht für »normale« Konjunkturkrisen.

Geschrieben von:

Vincent Körner

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