Wirtschaft
anders denken.

Die Rohstoffe und der Mond: Wenn »The Expanse« wirklich beginnt

11.10.2017
Nasa / gemeinfrei

Der Mond rückt noch näher – als Ziel neuer Weltraummissionen, als interplanetarer Bahnhof und vor allem als Abbaugebiet für Rohstoffe wie seltene Erden oder Helium-3. Die Ökonomisierung des Alls schreitet voran, es geht um Milliardengeschäfte.

Wer etwas über die Klassengesellschaften der Zukunft wissen will, der kann in »The Expanse« jede Menge über die kommenden Widersprüche zwischen dem Kapital der Erde, die Arbeit im Asteroidengürtel und die ursprüngliche Akkumulation durch Glücksritter in klapprigen Raumschiffen erfahren. Auf der überbevölkerten Erde, die noch so etwas wie Weltraumhegemonie beansprucht, werden die meist erwerbslosen Terraner mit einer Grundsicherung über Wasser gehalten. Der militaristische Mars ist unabhängig und ständiger Anlass für interplanetare Spannungen.

Angetrieben wird dieser multiplanetare Kapitalismus ökonomisch vor allem von der Ausbeutung der Rohstoffe auf mehr oder weniger großen Gesteinsbrocken, auf denen die Belter, die Gürtler, unter miesesten Bedingungen Ressourcen abbauen, um diese zu Geld zu machen, mit dem sich dann doch nur ein erbärmliches Leben auf Stationen ohne saubere Luft und Wasser fristen lässt. Es sei denn, man steigt irgendwie in eine der Oberklassen auf.

Einer der von heute aus betrachtet treffendsten Punkte der auf »Leviathan Wakes« von Daniel Abraham und Ty Franck basierenden Serie ist die Bedeutung, die die Rohstoffökonomie hier einnimmt – zumindest im Hintergrund, für andere Aspekte der Handlung hat man zu etwas bunterem Science Fiction gegriffen, die Frage der Ressourcen scheint dagegen wie aus den aktuellen Nachrichten abgeleitet.

Der Mond als Bahnhof: Eine Raumstation in der Umlaufbahn

»Russland will sich ebenfalls am Bau einer Raumstation in der Mondumlaufbahn beteiligen«, hieß es vor einigen Tagen mit Blick auf die Unterzeichnung eines Abkommens mit der Nasa durch die Raumfahrtagentur Roskosmos, Europa, Japan und Kanada sind bereits an Bord, es geht um die Errichtung eines »Deep Space Gateway« – praktisch eine Art Nachfolger für die ISS, für die die Pläne derzeit nur bis 2024 reichen.

Die geplante neue Station ist dann nicht mehr nur 400 Kilometer entfernt, sondern 400.000 Kilometer. Ihre Potenziale mit Blick auf die Eroberung des Alls sind weit größer als die der ISS. Auch die Nasa scheint sich strategisch zunächst wieder auf den Mond zu konzentrieren – erst danach soll zum Mars aufgebrochen werden. Womöglich auch: von dort.

Parallel läuft die Ökonomisierung der Raumfahrt und des Weltalls mit schnellen Schritten weiter. Privatfirmen konkurrieren dabei nicht bloß um technologische Leistungen wie im Raketenbau, sondern es geht immer mehr auch um die künftigen Erlöse – und hier stehen neben Raumfahrt-Dienstleistungen für Staaten die möglichen Rohstoffvorkommen und deren Ausbeutung ganz weit oben auf der Liste.

Bernd Hufenbach vom Forschungszentrum ESTEC sieht Bergbau im Weltall als »durchaus realistisch« an, zunächst um der Ressourcen wegen, die zukünftige Missionen im All ermöglichen – und später dann auch dafür,  »Ressourcen zur Erde zurückzuführen«.

Ressourcen für Lebensräume, Treibstoff – und für Profit

Im Jahr 2015 stellte die australische University of New South Wales in Kooperation mit der Nasa Berechnungen über die Wirtschaftlichkeit von Bergbau im Weltall an. Als denkbar wurden Missionen etwa zum Zwergplaneten Ceres durchgespielt, der im oben angesprochenen Gürtel liegt und auf dem die abgebauten Rohstoffe dann auch gleich weiterverarbeitet werden, weil das weit günstiger als ein Rücktransport der reinen Rohmaterialien wäre – Kostenpunkt: rund 27 Milliarden US-Dollar.

Auf dem Mond wäre das schon viel günstiger möglich, hier wurden 9 Milliarden US-Dollar Kosten errechnet. Rohstoffabbau auf einem Asteroiden könnte bereits mit Kosten von 50 bis 100 Millionen US-Dollar möglich sein. Einen Asteroiden in Erdnähe abzufangen, um auf ihm Bergbau zu betreiben, soll etwas mehr als 490 Millionen Euro kosten.

»Befürworter sind überzeugt davon, dass sich der Bergbau im All zu einem billionenschweren Geschäft entwickeln und Metalle und Wasser für Lebensräume und Treibstoff für Raketen liefern wird. Dabei dürften zunächst Programme für die Weltraumforschung und Satellitenbetreiber auf diesem Markt den Ton angeben«, schreibt die »Welt« – und weist darauf hin, dass solche Unternehmungen bereits in 20, 30 Jahren profitabel sein könnten.

Private Firmen machen längst im Wettrennen mit

Zurück zum Mond, der nicht nur räumlich der Erde am nächsten liegt. Dort könnten seltene Metalle wie Gold, Platin, Iridium und Rhenium abgebaut werden, zudem gibt es dort das Gas Helium-3. Es gilt als idealer Brennstoff für Kernreaktoren und somit als eine wichtige Energiequelle für die Zukunft. Die »Wirtschaftswoche« rechnete einmal unter Berufung auf den US-Physiker Gerald Kulcinski vom Fusion Technology Institute vor, dass eine Million Tonnen Helium-3 auf der Mondoberfläche lagern, 40 Tonnen davon  würden bereits ausreichen, um die gesamte USA ein Jahr lang mit Energie zu versorgen. Freilich: Solche Reaktoren gibt es bisher noch nicht.

Was gut zum Szenario der Serie »The Expanse« passt – es sind nicht mehr nur staatliche Agenturen, die im Wettlauf um die Rohstoffe aus dem All mitlaufen, es sind immer mehr private Unternehmen. Und deren Engagement wird gefördert, die Nasa »ermutigte bereits im Jahr 2009 zu einem internationalen Wettbewerb zum zukünftigen Abbau wichtiger Mineralien auf dem Mond«, so die Expertenseite »Rohstoff-Welt«. Im Rahmen des Wettbewerbs »Catalyst« soll es um »Lunar Cargo Transportation and Landing by Soft Touchdown« gehen, also um Warentransporte zum Mond mit weicher Landung.

Förderer sind auch andere private Firmen – etwa Google. Der Technologiekonzern hat mit dem Lunar X-Price einen mit 30 Millionen US-Dollar dotierten Preis ausgelobt – für die erfolgreiche Landung eines Roboters auf dem Mond. »Moon Express«, ein Startup aus dem Silicon Valley, erhielt 2016 im Rahmen des Wettbewerbs von der US-Regierung eine Landegenehmigung – denn die ist nach den bisherigen Regeln weiterhin nötig.

Der Mond und irdische Regeln: Wem gehört, was dort abgebaut wird?

Damit ist ein wichtiger Punkt der auf Gewinne orientierten Förderung von Rohstoffen im All angesprochen – die auf der Erde dafür einschlägigen Vereinbarungen. Der Weltraumvertrag von 1967 stellt jede Raumfahrt unter staatliche Hoheit und verbietet es Staaten, einen Eigentumsanspruch auf Asteroiden, Monde oder Planeten zu erheben.

Eine bestimmte Sichtweise stellt sich hier nun aber auf den Standpunkt, dies gelte nicht für Firmen oder Privatpersonen. Der Mondvertrag, erst 1979 verabschiedet, schließt wiederum Privatleute und Firmen ein – wurde aber bisher weder von den USA, Russland noch China ratifiziert. Und damit von jenen Ländern, die am ehesten zu Rohstoffabbau auf dem Mond in der Lage wären – ob sie diesen nun selbst betreiben oder ob sie die entsprechenden Verwertungsbedingungen für private Konzerne öffnen und ermöglichen.

Die ganze Sache ist längst auch zum Gegenstand der irdischen »Standortkonkurrenz« geworden. »Die Amerikaner wollen stark an das Thema Ressourcenabbau und Eigentumsrechte zur wirtschaftlichen Nutzung ran«, warnte vor einigen Jahren der Kölner Weltraumrechtler Stephan Hobe. »Wir sollten in Alarmstimmung sein bei Alleingängen.« Von solchen kann aber eigentlich nicht die Rede sein. Denn auch kleinere europäische Staaten machen mit im großen Spiel – wohl auch stellvertretend für die ganze EU.

Seit dem Sommer gilt in Luxemburg ein Weltraumgesetz, das allen Firmen, die ihren Sitz im Großherzogtum haben, die Rechte daran zusichert, was sie im Weltall abbauen. Der Investmentkonzern Goldman Sachs wirbt bereits für die »New Space Economy« und verspricht, wie es das ZDF unlängst formulierte, eine »Multi-Billionen-Dollar-Industrie mit galaktischen Gewinnmöglichkeiten«.

Auch »die Besiedlung des Mondes« scheint möglich

Die hier bereits beginnende Zukunft liest sich mitunter recht idyllisch – etwa bei dem Physiker Florian M. Nebel, der in seinem Buch »Die Besiedlung des Mondes« durchrechnet, was es kostet, den Mond binnen zwei Jahrzehnten zu besiedeln: zwischen 70 und 275 Milliarden Euro. Danach soll die Siedlung ihren Unterhalt sogar selbst erwirtschaften, etwa durch die Bereitstellung von Aluminium und flüssigem Sauerstoff für einen möglichen lunaren Weltraumbahnhof – die Idee steckt schon im Namen der nun geplanten Station »Deep Space Gateway«.

Doch als Märchen irdischer Solidarität zwecks Eroberung des Alls wird die Zukunft wohl kaum daherkommen. Eher als Ausweitung der Kampfzone des globalen kapitalistischen Wettbewerbs auf den Weltraum.

Und was sagen die aktuellen Rohstoff-Riesen? Von der Spitze des Konzerns Rio Tinto Group verlautete vor zwei Jahren, »der Weltraum-Bergbau werfe interessante Fragen auf«, wie es die »Welt« formulierte. »Es gehe auch darum, ob dieser entwickelt werden könne. Auf jeden Fall aber werde sein Unternehmen dabei sein.« Der erste Abbau von Rohstoffen auf dem Mond übrigens liegt schon länger zurück: 1979 brachte Harrison Schmitt von der bisher letzten bemannten Mondmission über 100 Kilogramm Mondgestein mit zur Erde.

Geschrieben von:

Tom Strohschneider

Journalist

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