Die Trump Nummer
»America First« ist für Trump mehr als ein Wahlkampfslogan, es ist seine Philosophie. Die Chicagoer Schule hat er verinnerlicht. Doch genau wie sie, stellt er sich nicht den Fragen der Zeit. Ein Kommentar.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat, Donald Trump, präsentierte am Montag in der früheren Autostadt Detroit die Leitlinien einer Wirtschaftspolitik seiner kommenden Präsidentschaft. Medien weltweit haben den apostrophierten Anspruch aufgegriffen, berichtet und kommentiert. Am Ende erfuhr der Hörer oder Leser über das Programm des Kandidaten jedoch nicht mehr, als das: Absenkung der Spitzensteuersatzes für Private und Unternehmen und Vereinfachung des Steuersystems; Aufkündigung von Freihandelsabkommen und Einführung von Importzöllen gegen China und Mexico sowie Abschaffung der Regulierungen für den Energiesektor – Quell einer einzigartigen Jobmaschine und der Versuch Trumps Wahlkampfslogan ›America First‹ vom Traum in die Wirklichkeit zu katapultieren.
Der Interessierte glaubt, das kann doch nicht alles sein, sucht und wird auf der Seite des Kandidaten fündig. Dort kann er die Rede nachlesen. Die Autoren fordern ihn auch freundlich auf, dies zu tun. Neun A4-Seiten, 3.642 Worte oder 18.000 Zeichen. Allerdings lässt einen deren Lektüre etwas ratlos zurück. Volkswirtschaftliche Analyse? Fehlanzeige! Budgetdefizit? Ausgeklammert! Internationale Wirtschaftsbeziehungen? Auf Protektionismus reduziert! ökologische Herausforderungen? Zurück zum Auto und Entfesselung der Energiewirtschaft!
Auch wer den nüchternen Blick eines Unternehmers auf die größte Volkswirtschaft der Erde erwartet hat, sieht sich enttäuscht. Zugegeben es ist Wahlkampf. Da wird geholzt und für`s Filigrane, Komplexe ist da wenig Platz.
Am Ende ist es tatsächlich so, dass die drei bereits oben genannten Punkte hervorstechen. Selbstverständlich auch der Slogan ›America First‹, der sich so oder in abgewandelter Form allein mindestens zehnfach durch die Rede zieht, bleibt hängen. Der demokratische Widerpart, ob als Noch-Präsident oder Kandidatin, werden für den Niedergang Amerikas verantwortlich gemacht. Aber warum dafür in den Detroit Economic Club gehen und nicht gleich an den Stammtisch?
Chicago lässt grüßen
Eigentlich hätte die Rede gut in das 283 Meilen von Detroit entfernte Chicago und den Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts gepasst. Im Gestus des Friedmanschen Credo aus »Chancen, die ich meine« (1980), klingt sie an vielen Stellen wie eine Reanimation der Chicagoer Schule – Staatsquote reduzieren, die Märkte sowie Unternehmen von ihren Fesseln befreien sowie auf die Angebotskraft des Einzelnen setzen. Es sei daran erinnert, dass mit diesen Prämissen bereits Ronald Reagan 1980 in den Wahlkampf zog und diese dann in das Zentrum seiner achtjährigen Amtszeit rückte. Insofern ist es nur logisch, dass sich Trump mit seiner Steuerreform auf Reagan bezieht und diese gleich zur Revolution stilisiert.
Es ist zwar keine Flat-Tax auf die privaten Einkommen oder der Bierdeckel, aber aus sieben werden drei Steuersätze. Der Höchste reduziert auf 33 Prozent. Dem vermeintlichen Klientel – der weißen, männlichen ›Arbeiterschaft‹ – verspricht er in diesem Kontext den weitgehenden Wegfall aller Steuern. Alles um Geld für privates Investment und Konsumtion, selbstverständlich in den USA und in amerikanische Waren freizuschaufeln.
Allein er bleibt die Antwort schuldig, wie der chronisch am Rande der Zahlungsunfähigkeit entlang wandelnde US-Staat den laufenden Haushalt finanziert oder gar das akkumulierte Budgetdefizit von mehr als 100 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der größten Volkswirtschaft abgebaut werden soll. Nein er lässt die störende Frage lieber gleich weg. Auch hier steht er ganz in der Tradition der Chicagoer Schule, die sich mit diesen Fragen auch nicht aufhielt.
Neue Jobs, neue Steuern
Die Rede bietet aber noch ein kleines Wundpflaster für mögliche ungläubige Fragessteller. Die neuen Jobs werden schon neue Steuern bringen. Garniert wird dies mit dem Versprechen, dass dieser Umbau im Steuersystem die Steuerzahler auch von den bürokratischen und nervtötenden Geisel steuerlicher Erklärungen befreit. Die so frei gesetzten, bisher ihre Arbeitskraft ins Steuersystem Verschwendenden können ja dann in der neuen Jobmaschine ihren neuen Platz suchen und dann ganz anders Steuern erwirtschaften.
Und eine Branche dieses Jobwunders ist die durch Obama in ein Netz von Regulierung eingesponnene Energiebranche. Zurück in den Schacht! Mehr Gas, mehr Öl geht immer. Erneuerbar ist dann gestern. Man kann sich vorstellen, was aus dem Pariser Abkommen wird und letztlich auch, was aus diesem Erdball wird, wenn im Land von 25 Prozent der Weltindustrieproduktion endlich wieder auf nicht erneuerbare Ressourcen gesetzt wird. Aber diese Antwort ereilt uns erst nach dem Ende einer eventuellen Trumpschen Präsidentschaft.
Und wenn das nicht reicht, dann müssen eben jene 3,5 Millionen Illegalen ihren (Arbeits)platz räumen. Genug Platz für prekäre Arbeitsverhältnisse, der heute abgehängten US-Amerikaner. Allerdings zum verringerten Steuersatz.
Nicht zu tief bohren
In einem Aspekt scheint Trump allerdings von der reinen Friedmanschen Lehre abzuweichen – Beseitigung sämtlicher Handelsbeschränkungen. Er setzt dagegen auf die Aufkündigung bestehender Freihandelsabkommen und die Einführung von Strafzöllen auf Importe, insbesondere aus China und Mexico. Schließlich seien ja die Industriearbeitsplätze und das Kapital der USA in diese fremden Länder abgewandert. Beide möge heimkommen ins Reich, damit die neuen Wolkenkratzer – die sicher die verringerte Eigenheimeigentumsquote wieder auffrischen – nicht in Bejing, sondern direkt neben dem Trumptower entstehen (zumindest dann, wenn dort nicht schon welche stehen und nicht für 110.000 US-Dollar der Quadratmeter in der Spitze an Investoren verkauft werden).
Aber auch hier will der Kandidat nicht zu tief bohren, so fehlt der Verweis darauf das China in diesem Jahr bereits 6 Milliarden US-Dollar in Unternehmen des Silicon Valley investierte und eben jenes China auch der größte Sharholder der Verbindlichkeiten jenes Staates ist, dessen höchstes Amt der Unternehmer Trump übernehmen möchte.
Insofern ist dieser Widerspruch auch kein wirklicher. Er ist nur die andere Seite der damaligen Medaille. Denn einst in den achtziger Jahren behinderten die bestehenden internationalen Beschränkungen den verwertungsfähigen Einsatz US-amerikanischen Kapitals, dem mit dem Fall von Bretton-Woods und anderen Veränderungen seine weltwirtschaftliche Komfortzone verloren ging, auch wenn man den US-Dollar als Weltwährung noch hatte. Die Beseitigung von Handels- und Kapitalverkehrsschranken – auch wenn sich die Friedmansche Schule nicht mit diesen Petitessen beschäftigte – war die notwendige Voraussetzung für eine neue Entfaltung amerikanischen Kapitals in der Welt. Dort, in diesem unerschlossenen Weiten, war die Verzinsung halt höher und für die Konsumtion im Heimatland fiel noch genug ab. Zumindest so lange sich die Anlage- und Verwertungsbedingungen zwischen den USA und der neuen Welt nicht so weit auseinanderentwickelten, wie in der Zeit nach der Jahrtausendwende. Aus Trumps Sicht ist jetzt genug. Wenn diese neue Welt ihre Produkte nicht selbst verteuert, dann greift er eben zum Protektionismus, damit der freie Kapitalverkehr eben eine neue Richtung bekommt.
Die Trump Lüge
Und dann ertappt man Trump tatsächlich noch bei einer Lüge. Nein das amerikanische Kapital hat andere Länder nicht groß gemacht, damit Amerika klein wird. Es hat sie ›groß‹ gemacht, weil die größte Volkswirtschaft auf ihre Kosten konsumiert, und zwar als ganze Gesellschaft. Auch wenn diese Gesellschaft genauso disparat – vielleicht in der Verteilung des Vermögens noch gespaltener – als die anderer Länder ist.
Wer glaubt, dass hier Trump Nummer mit Null Nummer gleichgesetzt werden kann, liegt nur darin richtig, dass die möglicherweise konservativste Variante politischen Denkens in den USA auch nur auf alte Rezepte zurückgreift und sich in jeder Hinsicht in der Tradition der sie tragenden Schulen bewegt. Deswegen bleiben sie nicht minder gefährlich, weil sich am Wahltag doch genug Wähler entscheiden könnten, dieses erneute Experiment am lebenden Körper der Wirtschaft dieser Welt mit all ihren Konsequenzen zu wagen.
Da möchte sich niemand wünschen, dass sich die zusammenfassenden Worte des Kandidaten: »We are ready to show the world that America is Back – Bigger, and Better and Stronger Than Ever Before« tatsächlich erfüllen.
Und in diesem Sinn endet ungeachtet des Atheismus des Autors dieser Artikel mit dem abgewandelten abschließenden Satz der Rede: »God bless the world«.
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