Wirtschaft
anders denken.

»Die Ungleichheit wird überzeichnet.« Wie bitte? Mythen und Fakten zur sozialen Lage in Deutschland, Teil III

20.11.2018
Illustration: Marie Geissler

Sind die »Armen« in Deutschland gar nicht arm? Ist Ungleichheit »leistungsgerecht«? Fehlt es Deutschland bloß an Chancengleichheit? Dass Einkommen und Vermögen hierzulande krass ungleich verteilt sind, ist allgemein bekannt. Aber wie läuft die Debatte? Wir haben uns einige der gängigen Rechtfertigungen für die bestehende Ungleichheit und Lösungsargumente angesehen. Eine »Oxi«-Serie.


»Die Deutschen verfügen über ein oft vergessenes, gewaltiges Vermögen: ihre Rentenansprüche.« (Der Spiegel)

Was wird gesagt? 

Es scheint nur so, dass die Vermögen in Deutschland extrem ungleich verteilt sein. Das liegt an einem statistischen Trick: Denn nicht einberechnet in die Vermögen der meisten Menschen werden ihre Rentenansprüche – und die sind ja implizite Vermögen. Ob man Rentenansprüche hat oder Kapital, das sich verzinst, ist letztlich das gleiche: ein erwarteter Zahlungsstrom. 

Was ist dran? 

Es gibt eine Menge Argumente, die dagegensprechen, Rentenansprüche als Vermögen zu werten. Erstens kann man Rentenansprüche nicht kaufen und dann wieder teurer verkaufen, um einen Profit zu erzielen. Mit Immobilien und Aktien geht das. Rentenansprüche kann man auch nicht in eine Firma investieren und dann am Gewinn teilhaben. Zweitens gelten andere Versicherungen wie Unfallversicherungen auch nicht als Vermögen. 

Drittens ist die Rentenversicherung eine Umverteilung in Form staatlichen Zwangssparens: Lohnabzüge der Beschäftigten finanzieren die Rentner_innen. Hier wird weder Kapital noch Vermögen gebildet. Die Rente wird erst im Rentenalter ausgezahlt, und zwar in monatlichen Beträgen, damit die alten Menschen davon leben können. Rentner_innen können sich das Geld nicht auf einen Schlag auszahlen lassen und dann frei darüber verfügen. 

Ein weiterer Unterschied zum Vermögen: Die Politik hat durch mehrere Reformen die Renten gekürzt. Die Vermögen werden seit 1997 von keiner Steuer angetastet. 

Diese Serie behandelt Mythen und Fakten zur Ungleichheit in Deutschland. Sie basiert auf der Publikation »luxemburg argumente«, die 2016 von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegeben wurde. Wo es möglich war, wurden Daten aktualisiert. Illustration Marie Geißler, www.mariegeissler.de. Die Broschüre ist derzeit nur online bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung erhältlich.

Geschrieben von:

Eva Roth

Journalistin

Stephan Kaufmann

Journalist

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