Wirtschaft
anders denken.

Die US-Strafzölle, das Problem der Überkapazitäten im Stahlsektor und die Stoßrichtung China

05.06.2018
United States Environmental Protection Agency / Gemeinfrei Stahlerzeugung am Michigan Sea

Es geht den USA um eine grundlegende Festschreibung: Das aufsteigende Schwellenland soll die bisherige Vormacht oder Hegemonialstellung der USA akzeptieren. China zeigte sich bisher bereit zu Konzessionen – doch Strafzölle auf Stahl und Aluminium sind nur der Auftakt zu einer aggressiveren protektionistischen Politik der USA.

US-Präsident Donald Trump hatte bereits im März 2018 Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl und 10 Prozent auf Aluminium verhängt. Diese Zölle wurden eingeführt, nachdem das amerikanische Handelsministerium zum Schluss gekommen war, dass ausländische Importe die einheimische Industriebasis und damit die nationale Sicherheit der USA bedrohten.

Zunächst hatte Washington Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, Mexiko, Südkorea und die EU von den Zöllen ausgenommen. Kanada und Mexiko wurde eine permanente Befreiung in Aussicht gestellt, falls die Verhandlungen über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta Fortschritte machen würden. Auch die EU verhandelte über eine neue Regulierung. Offensichtlich sind die USA nicht zufrieden mit den dabei bisher erzielten Angeboten und bestrafen nun auch Kanada, Mexiko und die EU.

Während Südkorea, Australien, Argentinien und Brasilien einwilligten, als Preis für eine permanente Befreiung von den amerikanischen Zöllen ihre Liefermengen von Stahl und Aluminium zu beschränken, war die EU hierzu nicht bereit. Stattdessen hatten die Europäer angeboten, über Handelsfragen von gegenseitigem Interesse zu verhandeln, falls ihnen die USA eine dauerhafte und bedingungslose Ausnahme von den Zöllen gewähren würden. Dies wiederum war für die USA nicht akzeptabel.

Das Problem der Überkapazitäten im Stahlsektor

Die EU ist überzeugt, dass die amerikanischen Zölle ungerechtfertigt sind und im Widerspruch zu den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) stehen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, das sei purer Protektionismus. Man habe in den letzten Monaten auf allen Ebenen versucht, das Problem der Überkapazitäten im Stahlsektor gemeinsam mit den USA anzugehen. Die EU sei nicht die Ursache dieses Problems, sondern leide ebenfalls darunter.

Die EU will Gegenmaßnahmen ergreifen, zugleich aber weiter verhandeln, und hat bei der WTO rechtliche Schritte gegen die USA eingeleitet. Die WTO-Regeln erlauben aus Sicht der Europäer der EU, zum Ausgleich des Schadens ihrerseits Zusatzzölle auf eine Reihe von Produkten aus den USA zu erheben. Außerdem will die EU Schutzmaßnahmen in Form von Quoten oder Zöllen ergreifen, falls wegen der Schließung des amerikanischen Marktes massive Mengen von Stahl oder Aluminium in die EU »umgelenkt« werden.

Kanadas Regierung bezeichnete die Entscheidung Amerikas ebenfalls als völlig inakzeptabel. Sie kündigte an, Steuern oder ähnliche Gegenmaßnahmen auf Importe aus den USA von Stahl, Aluminium und anderen Produkten mit einem Handelswert von bis zu 16,6 Milliarden kanadischen Dollar zu erheben. 16,6 Milliarden kanadische Dollar (etwa 13 Milliarden US-Dollar) ist der Wert der Exporte, die von den amerikanischen Zöllen betroffen sind.

Durch Überproduktion charakterisiert

Auch die mexikanische Regierung kündigte an, neue, gleichwertige Zölle auf amerikanische Produkte wie Stahl, Lampen, Schweinefleisch, Früchte und verschiedene Käsesorten zu erheben. Die Gegenmaßnahmen würden so lange in Kraft bleiben, bis die USA ihre Zölle auf mexikanische Stahl- und Aluminiumlieferungen wieder aufhöben, hieß es. Mexiko betrachtet die amerikanischen Zölle als weder angemessen noch gerechtfertigt, zeigt sich zugleich gesprächsbereit.

Vor allem der globale Stahlmarkt ist durch Überproduktion charakterisiert. Dank der gut laufenden Weltkonjunktur sind die Stahlpreise seit Ende 2015, als sie einen Tiefpunkt erreicht hatten, international bereits wieder stark gestiegen. Vieles spricht dafür, dass es in nächster Zeit weiter nach oben gehen wird. Der Grund dafür liegt aber nicht nur im wachsenden protektionistischen Gebaren. Es droht sich auch zu rächen, dass trotz gestiegener Nachfrage seit 2012 nur wenig in Produktionskapazitäten investiert worden ist. Angesichts der verschärften Unsicherheit in der Branche werden sich Stahlfirmen wohl erst recht zurückhalten.

Die EU selbst hat seit längerem Strafzölle auf chinesische Importe von Bewehrungsstahl für den Betonbau verhängt. Die EU-Kommission hatte die Dumpingpreis-Untersuchung im April 2016 auf Antrag des Verbandes der europäischen Eisen- und Stahlindustrie Eurofer aufgenommen. Außerdem setzt sie ihre Ermittlungen wegen des Vorwurfs von Dumpingpreisen bei den chinesischen Stahlherstellern fort. Die vorläufigen Strafzölle liegen zwischen 9,2 Prozent und 13 Prozent für Importe von Baustahl mit hoher Ermüdungsbeständigkeit (HFP).

Wird nur für Verlierer sorgen

Deutlich absehbar ist, dass der um sich greifende Protektionismus bei den Abnehmern dieses zentralen Werkstoffes Stahl nur für Verlierer sorgen wird. In den USA sind die Stahlpreise massiv in die Höhe geschossen. Für eine Tonne warmgewalzten Stahls werden rund 950 US-Dollar verlangt, gut 50 Prozent mehr als in China, Japan oder Deutschland. Das Terrain Stahl ist massiv durch politische Zölle zerpflügt und ein Kompromiss dürfte aussichtslos sein, zumal wenn die Wirtschaftskonjunktur demnächst auch die Überproduktion noch deutlich in Erscheinung treten lässt.

Für die Verhängung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium haben Trump und sein Handelsminister Ross die Wahrung der nationalen Sicherheit als Rechtfertigung angeführt. Mit dieser Begründung droht die US-Regierung auch Strafzölle von 25 Prozent auf den Import von Autos und Autoteilen zu verhängen. Die amerikanische Regierung leitete eine Überprüfung ein, die dieser Frage nachgehen soll. Das Vorgehen ist eine Kampfansage gegen die WTO, zudem kann mit dem Argument der nationalen Sicherheit das gesamte Welthandelssystem außer Kraft gesetzt werden.

Die Entscheidungen des US-Präsidenten zielen vor allem auf China. Neben den Stahl- und Aluminiumzöllen haben die Vereinigten Staaten die Einführung von Strafzöllen auf Hunderte chinesischer Produkte angekündigt, um Peking in der Industriepolitik und bei der Diskriminierung ausländischer Unternehmen zu Veränderungen zu zwingen. Die USA werfen China unfaire Handelspraktiken wie den Zwang zum Technologietransfer vor.

Es geht den USA um eine grundlegende Festschreibung: Das aufsteigende Schwellenland soll die bisherige Vormacht oder Hegemonialstellung der USA akzeptieren. China zeigte sich bisher bereit zu Konzessionen. Fraglich ist, mit welchen Zugeständnissen die USA zufrieden sind, bzw. ob sie überhaupt einen Kompromiss mit China eingehen wollen. Strafzölle auf Stahl und Aluminium sind faktisch nur der Auftakt zu einer aggressiveren protektionistischen Politik der USA.

Joachim Bischoff ist Mitherausgeber der Zeitschrift »Sozialismus«, der Text erschien zuerst auf deren Website. Foto: Michigan Sea Grant / United States Environmental Protection Agency / Gemeinfrei 

Geschrieben von:

Joachim Bischoff

Mitherausgeber Sozialismus

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