Wirtschaft
anders denken.

Die Vereinigten Staaten als Vorbild?

24.08.2016
Die EZB am Main. Im Vordergrund ein Ruderboot.Foto: Andre Douque / flickr CC BY-ND 2.0Der EZB die Unabhängigkeit rauben.

Wie kann die Dominanz des Neoliberalismus wenigstens geschwächt werden? Der EZB die Unabhängigkeit rauben, den Sachverständigenrat anders besetzen. Hermann Adam über machbare und (vorerst) weniger machbare Alternativen. Teil 9 der OXI-Serie zu den großen Irrtümern des Neoliberalismus.

Würden wir unsere Demokratie ernst nehmen, dann müsste die EZB sofort ihre Unabhängigkeit verlieren und sie müsste die Wirtschafts- und Finanzpolitik mit ihrer Geldpolitik unterstützen, die das EU Parlament beschließt. Entsprechend breit müssten die Ziele angelegt sein, die sie zu verfolgen hat. Vorbild könnten in diesem Fall die USA sein. Das Federal Reserve System der USA, also die Fed, ist im Gegensatz zur EZB nicht vorrangig dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet. Im Zielkatalog der Fed steht vielmehr an erster Stelle ein Höchstmaß an Beschäftigung, gefolgt von Preisstabilität und moderaten langfristigen Zinsen. Auch unterliegt die Fed der Aufsicht des Kongresses. Sie ist nicht nur in die Arbeit der Regierung eingebunden, sondern gilt sogar als Teil von ihr. Sie ist formal nur insoweit unabhängig, als ihre Entscheidungen nicht vom Präsidenten ratifiziert werden müssen.

Die Vorherrschaft des neoliberalen Denkens ist inzwischen zu einem Problem für Europa geworden. Auf Druck Deutschlands wurden in den EU-Verträgen das neoliberale Paradigma festgeschrieben und damit die Regierungen ›an diese Kette gelegt‹. Die Bürger in den Ländern, in denen die Arbeitslosigkeit hoch und das Wachstum niedrig ist, merken zunehmend, wie sehr diese Verträge den Handlungsspielraum ihrer nationalen Regierung einschränken und wie wenig sie mit Wahlen gegen diesen neoliberalen Kurs ausrichten können. So bröckelt sogar die Legitimität der EU als Ganzes. Die deutsche Regierung ist mit ihrer Politik einer wachstumsorientierten Austerität (Devise: mit rigidem Sparen Wachstum fördern) nicht nur in der EU, sondern zunehmend auch in der westlichen Welt isoliert.

Die wirtschaftspolitische Debatte sollte in Deutschland wie in der EU deshalb pluraler geführt werden. Ein erster Schritt: In dem Sachverständigenrat für Wirtschaft, der die Bundesregierung berät, sollten die wichtigsten wirtschaftswissenschaftlichen Ansätze vertreten sein. Neben dem einen Keynesianer, von den Gewerkschaften vorgeschlagen, sollte ein Vertreter der Postwachstums-Ökonomie, der Wirtschaftsethik und der Verbraucherökonomie in den Kreis der sogenannten Fünf Weisen berufen werden. Auch an den Hochschulen sollte alles getan werden, um Forschung und Lehre an den wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichen pluraler und vor allem politik- und alltagsnäher auszurichten.

In Teil 8 der Serie über die großen Irrtümer des Neoliberalismus beschreibt Hermann Adam, wieso die neoliberalen Ideen vielen als unumstößliche ökonomische Wahrheiten erscheinen.

Der Text basiert auf dem Artikel »Von der Inflationsphobie bis zur »schwarzen Null« von Hermann Adam, der jüngst im wirtschaftsdienst, Ausgabe 7/2016 erschien.

Geschrieben von:

Hermann Adam

Professor für Politikwissenschaft

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