Wirtschaft
anders denken.

Die Vermögenden zahlen für die Krise nicht

09.03.2021
Oft mangelt es an der Verteilung: Ein Haufen goldene Cent-MünzenBild von Harry Strauss auf Pixabay

Jammern auf hohem Niveau: Was machen die Staatsschulden mit den Vermögenden? Teil 2 der OXI-Serie zur Staatsverschuldung.

Die Staaten benötigen zur Krisenbekämpfung viel Geld, dass sie nicht haben. Und Politik traut sich nicht bzw. will es nicht die Steuern bei den Hyperreichen zu erhöhen. Also müssen die Staaten Kredite bei den Vermögenden aufnehmen und diese geben gerne ihre „räuberische Überschussersparnis“ (Keynes) her und erhalten dafür Zinsen. So werden die Vermögenden nicht über Steuererhöhungen an den Krisenlasten beteiligt und büßen ihre Vermögensbestände ein. Die andere Seite der Medaille ist dann die Staatsverschuldung. Es entsteht eine öffentliche Armut und noch mehr privater Reichtum. Mit den öffentlichen Schulden wächst das private Vermögen. Wie in Teil 1 dargelegt: Die Summe allen Vermögens ist immer gleich groß der Summe aller Schulden. Die Vermögen können nur steigen, wenn auch die Schulden steigen. Der weitweiten Schuldenquote von 322 Prozent in 2019 entspricht eine gleich große Vermögensquote. Der Wert von privaten und staatlichen Schulden beträgt demnach mehr als das Dreifache der jährlichen weltweiten Wirtschaftsleistung. Das gilt aber genauso für das hochkonzentrierte Vermögen.[1]

Zu den Notenbanken

Zusätzlich kommen in der Krise, die von der Politik unabhängigen, aber vom Marktgeschehen abhängigen Notenbanken ins Spiel. Sie müssen zur Unterstützung die Leitzinsen senken und den verschuldeten Staaten die fällig werdenden Staatsanleihen abnehmen und sie in ihre Zentralbank-Bilanzen übernehmen. Damit greifen die Notenbanken massiv in die Finanzmärkte und in Folge insgesamt in das Marktgeschehen ein. Wir erinnern uns, dass in der Finanz-, Immobilien- und Wirtschaftskrise die Notenbanken die Leitzinsen für den privaten Bankensektor massiv gesenkt haben. Und hätte der damalige EZB-Chef Mario Draghi im Herbst 2012 nicht gesagt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) alles Notwendige tun werde, um den Euro gegen Spekulanten zu retten, wäre die Euro-Zone längst nicht mehr existent und die EU hätte noch größere Probleme, als sie sie jetzt schon hat. In der Corona-Krise musste der expansive geldpolitische Kurs noch verschärft werden. Allein die EZB hat für die 19 Euro-Länder bis heute bereits für rund 2,9 Billionen Euro notleidende Staats- und Unternehmensanleihen in ihre Bilanz aufgenommen. In den USA und Japan sind es noch ganz andere Größenordnungen. Nur so ist es aber möglich, dass selbst realwirtschaftlich schwache und gleichzeitig hoch verschuldete Volkswirtschaften wie Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Frankreich für weiter notwendige Kredite keine oder sogar nur Negativ-Zinsen zahlen müssen. Würden die Notenbanken nur ein wenig die Leitzinsen anheben und die Übernahmen der fällig werdenden Staatsanleihen einstellen, so käme es zu einem weltwirtschaftlichen Gau.

Keine Inflation

Die Bilanzverlängerung der Notenbanken erhöht aber die Geldmenge und es droht laut Theorie eine Inflation.[2] Diese tritt aber realiter in Form einer Nachfrage- als auch Angebots-(macht)inflation nicht ein, weil die gestiegene Geldmenge nicht adäquat abgerufen und in den produzierenden Wirtschaftskreislauf eingebracht wird und auch die weltweiten Produktionskapazitäten nicht annährend voll ausgelastet sind. Es fehlt schlicht an weltweitem Wachstum und auch an Produktivität. Die Deutsche Bundesbank stellt dazu in einer aktuellen Untersuchung fest: „Auch im Euroraum verlangsamte sich – bei mitunter ausgeprägten Unterschieden zwischen den Mitgliedsländern – der Produktivitätsfortschritt in den letzten 20 Jahren.“[3] Realwirtschaftliche Wachstums- und Produktivitätseinbrüche haben durch die Verschuldung die Geldmenge in Relation zur produzierten Warenmenge zu groß werden lassen. Trotzdem kann sie aber keine Inflation auslösen und etwas Entscheidendes kommt hinzu: Die Zinsen bleiben auf Grund des zu großen Geldangebots in Relation nur Geldnachfrage niedrig, was wiederum alle Schuldner, insbesondere die hoch verschuldeten Staaten, erfreut. Sie müssen trotz ihrer hohen Schuldenbestände nur niedrige Zinsen, und u.a. Deutschland sogar nur Negativ-Zinsen, zahlen bzw. die Vermögenden erzielen keine Real-Renditen bei Staatsanleihen (nach Inflation) mehr (vgl. die folgende Tab.).

Zieht man davon noch die Steuern ab, so bleibt so gut wie nichts mehr übrig.  „Offenes Geheimnis ist“, schreibt der Wirtschaftsjournalist Stephan Kaufmann, „dass die ‚Währungshüter‘ durch niedrige Zinsen die Kreditwürdigkeit hoch verschuldeter Unternehmen und Staaten erhalten wollen. Auf diese Weise sichern sie die Verschuldungsfähigkeit der Gesellschaft in der Krise, die eigentlich keine höhere Verschuldung rechtfertigt – und gerade deswegen stattfinden muss. Ergebnis: Die ‚EZB finanziert 2021 die gesamte Neuverschuldung der Eurostaaten‘, stellt die Commerzbank fest.“[4] Ganz extrem betreibt dabei China die staatliche Verschuldungspolitik und versucht so die Wirtschaft anzukurbeln, was aber nicht nur für China immer schwieriger wird. „Das zeigt: das chinesische Problem ist ein weltweites: Immer mehr Schulden sind nötig, um das Wachstum halbwegs aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig machen die steigenden Schulden ein stärkeres Wachstum eigentlich nötig. Da sich dies nicht einstellt, verschärft sich der Wettbewerb zwischen den Standorten um die Zuwächse, die noch erzielt werden können. Es ist ein Kampf darum, welche Standorte Überkapazitäten abbauen, also Entwertung ihres Kapitals erleiden müssen.“[5] Auch ist dabei in Folge ein Verlust von vielen Arbeitsplätzen zu verkraften.   Dieser „Aderlass“ an Arbeitsplätzen interessiert aber die Vermögenden nicht.

Die Vermögenden jammern

Sie beklagen jedoch ihre Vermögensverluste und die weltweit niedrigen Renditen für im Grundsatz sichere (solide) Staatsanleihen. Sie jammern, weil sie keine Zinsen mehr bekommen. Hier kommt es durch die expansive Geldpolitik der Notenbanken in der Tat zu einem weltweiten atomisierten Kapitalschnitt, von dem jedoch auch die Kleinsparer und die sogenannten „guten Kapitalisten“, die Pensionsfonds und Lebensversicherer, betroffen sind und eben nicht nur die wirklich Vermögenden, denen man diesbezüglich keine Träne nachweinen sollte.

Außerdem haben sie Alternativen. Niedrige Zinsen lassen die Aktienkurse und die Preise für andere Vermögenswerte wie Immobilien und Edelmetalle (Gold, Silber, Platin) steigen. 2020 war nicht nur für die Deutsche Börse ein Rekordjahr.[6] Die Hyper-Vermögenden erzielen so aus einem dreifachen Effekt höhere Anlagerenditen als die weniger Vermögenden. Sie schichten erstens ihre Vermögensportfolien einfach um. Zweitens zahlen sie, gemessen an den Erträgen weniger Steuern und drittens sind ihre Einstiegskosten und Verwaltungsgebühren gemessen am hohen Anlagebetrag wesentlich niedriger.[7] Und die ganz harten „Zocker“ unter den Vermögensspekulanten steigen sogar in digitale Kryptowährungen ein,[8] hinter denen keine Kontrollen von staatlichen Notenbanken stehen und außerdem das staatliche Geldmonopol unterminiert wird. Diese Kryptowährungen, wie z.B. Bitcoins, sind vom Grundsatz her nichts anderes als Falschgeld, das quasi widerrechtlich in Umlauf gebracht wird. Anstatt dies sofort zu verbieten, setzt auch die Politik, sozusagen als Gegenmaßnahme, völlig naiv auf digitale Währungen, deren Umlauf übrigens gigantische Strommengen verbraucht. So prüft die Politik in Schweden bereits (ausgerechnet ein Grüner Minister für Finanzmärkte und Verbraucherschutz) ernsthaft die Wirtschaft komplett auf eine digitale Währung umzustellen. Aber auch Notenbanken in anderen Staaten überlegen ihre Währungen womöglich zu digitalisieren. Nicht zuletzt die EZB mit einem digitalen Euro. „Und wann kommt der digitale Euro für die 342 Millionen Menschen in der Eurozone? In den Zwillingstürmen der EZB in Frankfurt wird man schmallippig, wenn die Rede auf dieses Thema kommt. Jedes falsche Wort könnte ‚kursbewegend‘ sein, heißt es. EZB-Präsidentin Christine Lagarde, eine Meisterdiplomatin, hat sich eine elegante Formulierung angewöhnt, hinter der sich erst mal alle versammeln können: Wir wollen darauf vorbereitet sein, einen digitalen Euro einzuführen, sollte dies erforderlich werden.“[9] Der Politik sitzen dabei massive Interessen der Unternehmerschaft im Nacken. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) „möge sich beeilen mit dem digitalen Euro – schon, weil die Unternehmen die hohen Kosten für Überweisungen ins Ausland leid seien“, äußerten hochrangige Industrievertreter bei einem vertraulichen Treffen in seinem Ministerium.[10]

Die Raubzüge der Vermögenden

Die wirklich Hyper-Vermögenden sollten nicht jammern, sondern sich vielmehr die Frage stellen, warum die Realzinsen bzw. die Renditen für Staatsanleihen negativ sind und sie sollten sich fragen, wo denn bitteschön ein Anspruch auf hohe Zinsen geschrieben steht! Sie würden dann feststellen, dass es den nicht gibt und dass ihre „Raubzüge“ in der Vergangenheit die Ursache für die heute niedrigen Zinsen sind. Sie konnten einfach den Hals nicht voll bekommen. Gigantische Umverteilungsorgien von den Arbeits- zu den Kapitaleinkommen (Profite, Zinsen und Grundrenten) waren für sie zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Allein in Deutschland sind von 1991-2019 gut 1,4 Billionen Euro zu den Kapitaleinkommen umverteilt worden.[11]

Die um Abschreibungen[12] bereinigte Lohnquote lag von 1991-2019 jahresdurchschnittlich bei nur 56,5 Prozent und damit die Mehrwertquote bei 43,5 Prozent (vgl. die Tab.). Diese Verteilungsrelation ist ökonomisch nicht zu rechtfertigen und zeigt überdeutlich, dass sich das Kapital unverschämt an den Wertschöpfungen bedient, die es nicht einmal erarbeitet hat. Und die von den Vermögenden beherrschte Politik (dazu später) sorgte neben der primären Umverteilung von unten nach oben zusätzlich durch Steuersenkungen und Subventionsgeschenke für eine weitere sekundäre Umverteilung zu Gunsten der Kapitaleinkünfte. Von dieser zweifachen Umverteilung profitierten aber nicht nur die Hyperreichen, sondern auch viele Führungseliten in der Wirtschaft (dies waren neben Vorständen und Geschäftsführer auch außertarifliche und leitende Angestellte) sowie gehobene und höhere Angestellte im Staatssektor. Nicht zuletzt sind hier hochbezahlte Politiker, Professoren im Wissenschaftsbetrieb und Chefredakteure in den Medien zu nennen und wir wollen bitte auch nicht viele Spitzenverdiener in den freien Berufen (Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater/Wirtschaftsprüfer, Ingenieure, Sportler, Filmschauspieler u.a.) vergessen. Das Sein schafft hier das entsprechende Bewußtsein!

Der ehemalige leitende Ökonom der Forschungsabteilung der Weltbank, Branko Milanović, stellt diesbezüglich allgemein fest: „Der Anteil der Personen, die sowohl ein hohes Arbeits- als auch ein hohes Kapitaleinkommen haben, steigt seit mehreren Jahrzehnten. Im Jahr 1980 gehörten nur 15 Prozent der Personen, die sich gemessen am Kapitaleinkommen im obersten Dezil befanden, auch beim Arbeitseinkommen diesem Dezil an, und dasselbe galt umgekehrt. Dieser Prozentsatz hat sich in den letzten 37 Jahren verdoppelt. Man kann davon ausgehen, dass es in einer reinen Version des klassischen Kapitalismus unter den reichsten Kapitalisten praktisch niemanden gab, der zugleich ein hohes Arbeitseinkommen erzielte. Diese Personen waren allein dank ihres Kapitaleinkommens reich und hatten weder das Bedürfnis noch die Zeit, sich zusätzlich für ein Arbeitsentgelt zu verdingen. Desgleichen konnte im klassischen Kapitalismus kein Lohnarbeiter ein ausreichend hohes Kapitaleinkommen erzielen, um ins oberste Dezil der Kapitalisten aufzusteigen. Aber mittlerweile haben sich die Bedingungen geändert.“[13]

Dies erklärt dann übrigens auch die in den Medien unisono vorgetragene breite Anlehnungsfront gegen jegliche Form einer Steuererhöhung. Hier sind es dann eben nicht nur die Hyperreichen die Sturm laufen. Dennoch haben sich jüngst 83 Millionäre aus sieben EU-Ländern zusammengetan und fordern (lobenswert) von der Politik eine höhere Besteuerung ihrer Einkommen und Vermögen. „Erben ist keine Leistung“, sagt Ralf Suikat, einer der Millionäre und Mit-Initiatoren des Aufrufs.[14] Die herrschende Politik traut sich aber nicht, Steuererhöhungen gegen die Interessen der Vermögenden, selbst in einer Krise als Solidaritätsakt, umzusetzen. In der jetzigen schweren Corona-Krise ist das nicht anders als in der Krise von 2007-2009. So sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Anhörung im Bundestag am 13. Mai 2020 auf die Frage, ob es zu Steuer- und Abgabenerhöhungen zur Finanzierung der jetzt aufgenommenen Staatskredite kommen würde, „aus heutiger Sicht nicht“. Und zynisch fügte sie hinzu, dass sie sich freuen würde, dass der Staat in der Vergangenheit gut gewirtschaftet habe, was die staatlichen Finanzierungsüberschüsse verdeutlichen würden. Genauso argumentiert ihr SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

Hinzu kommt bei Steuerzahlungen noch eine Psychologie des Geldes, erklärt der Soziologe Christoph Deutschmann: „Geld ist nicht bloß ‚Indikator‘ der sozialen Position eines Individuums, sondern begründet diese Position selbst unmittelbar, indem es – in seiner Eigenschaft als ‚Vermögen‘ – umfassende Zugriffsrechte auf den gesellschaftlichen Reichtum eröffnet. Wer Geldvermögen hat, übt sozialen Einfluss nicht kraft seiner Reputation oder seines gesellschaftlichen Ranges aus, sondern verfügt über ein generalisiertes Machtpotenzial, das scheinbar gänzlich ohne soziale Vermittlungen auskommt. (…) So wird das Geld zum Vehikel einer narzisstischen Selbstüberhöhung nach dem Motto: Was mein Geld kann, das kann und bin ich. Dem Vermögensbesitzer erscheint sein Geld als eine natürliche Erweiterung und Verlängerung seines Egos. Deshalb kann er, wenn die Börse abstürzt oder das Finanzamt sich meldet, dies nur als Beschädigung des innersten Kerns seiner Persönlichkeit empfinden. Solche Selbstinszenierungen scheinen besondere Resonanz bei sozialen Aufsteigern zu finden, die ihr Geld als ‚sauer durch eigene Arbeit verdient‘ wahrnehmen.“[15]

Und auch Keynes hat sich zur „Geldmoral“ im Sinne einer „Akkumulation des Reichtums“ geäußert, als er schrieb: „Wir sollten uns wagen, den Geldtrieb nach seinem wahren Wert einzuschätzen. Die Liebe zum Geld als ein Wert in sich – was zu unterscheiden ist von der Liebe zum Geld als einem Mittel für die Freuden und die wirklichen Dinge des Lebens – wird als das erkannt werden, was sie ist, ein ziemlich widerliches, krankhaftes Leiden, eine jener halb-kriminellen, halb-pathologischen Neigungen, die man mit Schaudern den Spezialisten für Geisteskrankheiten überlässt. Wir werden dann endlich die Freiheit haben, uns aller Arten von gesellschaftlichen Gewohnheiten und wirtschaftlichen Machenschaften zu entledigen, die die Verteilung des Reichtums und der wirtschaftlichen Belohnungen und Strafen betreffen, und die wir jetzt unter allen Umständen, so widerlich und ungerecht sie auch sein mögen, mit allen Mitteln aufrechterhalten, weil sie ungeheuer nützlich für die Förderung der Kapitalakkumulation sind.“[16]

Staatsverschuldung reicht nicht mehr

Die Vermögenden wollen keine Staatsverschuldung, weil sie daraus folgende Steuererhöhungen befürchten, und sie wollen für ihr Geld gleichzeitig hohe Zinsen und Renditen erzielen. Sie wollen eben Alles. Die Forderungen gehen aber ökonomisch nicht mehr auf. Schon seit der schweren Finanz-, Immobilien- und Wirtschaftskrise nicht mehr. Und jetzt ist es durch die Corona-Krise noch enger geworden. Die hier entstandenen und weiter noch entstehenden Krisenlasten sind außerdem nur eine Seite der Krise. Es gibt noch eine zweite viel wirkmächtigere Krisenlast aus der bevorstehenden Klima- und Umweltkrise und der schon seit Langem bestehenden sozialen Krise mit Massenarbeitslosigkeit, Prekariat und Armut; nicht zu vergessen sind dabei die unterlassenen Investitionen in Infrastruktur, Gesundheit und Bildung. Hier besteht in den nächsten Jahren in der EU (auch in Deutschland), ein hoher Euro-Billionen-Bedarf für eine dringend notwendige ökologisch-soziale-Wende, womit das jetzt beschlossene kreditfinanzierte EU-Ausgaben-Programm in Höhe von 750 Milliarden Euro viel zu gering ausfällt, was auch für den EU-Haushalt von 2021-2027 in Höhe von kumuliert 1.074 Milliarden Euro gilt. Das 750-Milliarden-Euro-Paket der EU soll dabei in 30 Jahren getilgt werden, was bei einem unterstellten Nominalzinssatz von 3 Prozent (real 1 Prozent, 2 Prozent Inflationsrate) und gleichbleibender Annuität über die Laufzeit insgesamt Kreditkosten von 398 Milliarden Euro bedeutet. Geld das sich die Vermögenden und alle Kreditgeber in die Tasche stecken und die Staaten zu zahlen haben. Dies werden sie womöglich leisten können. Die einen, wie Deutschland, wesentlich leichter als andere EU-Länder. Was aber nicht mehr allein über Staatsverschuldung zu leisten ist, sind die notwendigen hohen Euro-Billionenbeträge für eine ökologisch-soziale Wende in Deutschland und der EU.

Der Text ist Teil 2 der Serie zur Staatsverschuldung, Teil 3 wird sich mit Alternativen auseinandersetzen. Teil 1 warf einen Blick auf den Status Quo.

[1] Vgl. Schick, G., Die große Verdrängung, Corona und die unbewältigte Finanzmarktkrise, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 1/2021, S. 102

[2] Zu den unterschiedlichen Inflationstheorien vergleiche ausführlich, Ströbele, W., Inflation, 4. Aufl., München, Wien 1995

[3] Deutsche Bundesbank, Zur Verlangsamung des Produktivitätswachstums im Euroraum, Monatsbericht Januar 2021, S. 15

[4] Kaufmann, S., Wirtschaft wie im Krieg, in: OXI. Wirtschaft anders denken, Nr.2/2021, S. 4

[5] Vgl. Kaufmann, S., Ohne Rücksicht auf Verlust, in: Frankfurter Rundschau vom 13./14.02.2021, S. 15

[6] Vgl. Frankfurter Rundschau vom 12.02.2021, S. 15

[7] Vgl. Milanović, B., Kapitalismus Global. Über die Zukunft des Systems, das die Welt beherrscht, Berlin 2020, S. 56

[8] Vgl. Wenzel, F.-T., Musk adelt den Bitcoin. Tesla-Gründer setzt auf die Kryptowährung – was steckt dahinter?, in: Frankfurter Rundschau vom 10.02.2021, S.13

[9] Koch, M., Bar wird rar, in: Frankfurter Rundschau vom 29.12.2021, S. 12

[10] Ebenda, S.12

[11] Vgl. dazu ausführlich Bontrup, H.-J., Arbeit, Kapital und Staat. Plädoyer für eine demokratische Wirtschaft, 6. Aufl., Köln 2021, S. 19ff.

[12] Abschreibungen, zur Erklärung, sind systematisch und damit falscherweise im Volkseinkommen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) nicht mehr enthalten. Die Kapitaleigentümer haben aber über die Abschreibungsbeträge ihr eingesetztes Kapital verteilungsmäßig zurückerhalten. Bei einer Wiederbeschaffungspreisbewertung der Abschreibungen sogar inkl. Inflation. Dies garantiert ihnen die „Ewigkeit ihres Kapitals“. Deshalb müssen zur Bereinigung die Abschreibungen zum Volkseinkommen addiert und danach das berichtigte Volkseinkommen auf „Arbeitnehmerentgelte“ und „Unternehmens- und Vermögenseinkommen“ aufgeteilt werden.

[13] Milanović, B., Kapitalismus Global, a.a.O., S. 57

[14] Vgl. Frankfurter Rundschau vom 18./19.07.2020, S.16

[15] Deutschmann, C., Der kollektive „Buddenbrook-Effekt“. Die Finanzmärkte und die Mittelschichten, in: Working Paper 08/05 des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln 2008, S. 11

[16] Keynes, J. M., Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder (1930), übersetzt und in: Reuter, N., Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität, 2. Aufl., Marburg 2007, S. 143f.

Geschrieben von:

Heinz-J. Bontrup

Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

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