Wirtschaft
anders denken.

Dank Draghi und Niedrigzinsen: Wie deutsche Finanzminister von der Krisenpolitik profitieren

24.04.2018
Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0Scholz und Merkel

Allein der Bundeshaushalt hat seit Ausbruch der Finanzkrise 162 Milliarden Euro beim Schuldendienst gespart – Dank Mario Draghi und seiner EZB-Niedrigzinspolitik, gegen die hierzulande so gern gewettert wird. 

Wer profitiert von der Niedrigzinspolitik der EZB? Haushaltspolitisch gesehen sind es vor allem die deutschen Finanzminister, die ohne Mario Draghis Nullzinskurs sich wohl kaum ob der »Schwarzen Null« auf die falsche Schulter klopfen könnten. Wie das »Handelsblatt« nun meldet, habe »allein der Bund seit Ausbruch der Finanzkrise 162 Milliarden Euro beim Schuldendienst gespart« – statt der ursprünglich für die Jahre 2008 bis 2017 geplanten Zinsausgaben von insgesamt 450,4 Milliarden Euro seien nur 288 Milliarden Euro angefallen. Die Zahlen stammen aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen. 

Die Zeitung schreibt dazu: »Mit den eingesparten 162 Milliarden lässt sich ungefähr die Hälfte der Bundesausgaben eines Jahres bestreiten.« DIW-Chef Marcel Fratzscher wird mit den Worten zitiert, »Bund, Länder und Kommunen – und damit auch die Steuerzahler – sind die großen Gewinner der niedrigen Zinsen«. Das ist auch ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung der Kritiker, die gern behaupten, die auf die Krise folgende Zinspolitik der EZB würde »die Kleinsparer enteignen« oder was der Klagen sonst noch sind.

Das ist schon deshalb falsch, weil eine »negative reale Verzinsung von Einlagen kein neues Phänomen« ist, wie die Bundesbank stets vorrechnet: »ereits vor der Finanzkrise, nämlich in den 1970er Jahren, Anfang der 1990erJahre sowie in den 2000er Jahren, erhielten Bankkunden insbesondere auf ihre Spareinlagen keine inflationsausgleichende Verzinsung. Diese Phasen realer negativer Verzinsung überwogen historisch sogar.«

Aber zurück zum krisenbedingten Einspareuropameister Deutschland. In den zehn Jahre seit dem Kladderadatsch wurde praktisch wegen und nicht trotz der Krise der Bundeshaushalt saniert – besser gesagt: wegen Draghis Politik, an der doch so gern hierzulande herumgemäkelt wird. Der grüne Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler zieht im »Handelsblatt« eine politische Schlussfolgerung: Es sei »eine Frage der Gerechtigkeit«, von den eingesparten Milliarden etwas für europäische Investitionen zurückzugeben. Dem rechnet die Zeitung entgegen, dass »auch die übrigen Euro-Länder von den Niedrigzinsen profitiert« hätten, wie es unter Berufung auf Zahlen der Bundesbank heißt: Die 19 Eurostaaten hätten zusammen zwischen 2008 und 2017 rund 1,15 Billionen Euro weniger für Zinsen ausgeben müssen, Frankreich musste 275 Milliarden weniger aufbringen, Italien 216 Milliarden weniger. 

Das aber spricht nun wahrlich nicht gegen Kindlers Aufruf zu einer europäischen Solidarität – denn die Frage, wer von Europa, wer vom Euro, wer von den Leistungsbilanzasymmetrien profitiert, kann nicht nur anhand »gesparter« Zinsen beantwortet werden. Man müsste schon auf den gesamten deutschen Exportnationalismus schauen, und da wäre dann Kindlers Forderung eher von der Wirkung einer symbolischen Geste als der Aufruf zu einer wirklich wirksamen Kehrtwende im Sinne europäischer Solidarität.

Die müsste schon weiter ausgreifen – zum Beispiel, in dem hierzulande massiv in den öffentlichen Bereich investiert und die bundesdeutschen Löhne deutlicher steigen. Da wäre Kindler nicht dagegen, Fratzscher fordert es auch und viele tun es ihm gleich. Da ist aber der Olaf Scholz vor, wie es aussieht. Angesichts eines sozialdemokratischen Finanzministers, der seinen Vorgänger Wolfgang Schäuble in Sachen »Schwarze Null« mindestens einholen wenn nicht sogar überholen will, wird es auch weiter darauf hinauslaufen, dass Berlin sogar noch von der Krise profitiert, die es mit seiner Wirtschaftspolitik mitverschuldet hat.

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