Wirtschaft
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Düsseldorf, Essen und bald auch Homburg? OXI-Überblick zum Pflegestreik an Kliniken

17.08.2018
Friedemann Wagner,Lizenz: CC BY-SA 3.0 DEGewerkschafter bei einer Demonstration (Archivbild)

An den Unikliniken Düsseldorf und Essen streiken seit Wochen die Pflegekräfte – es geht um einen Tarifvertrag für Entlastung und mehr Personal. Inzwischen läuft auch die Urabstimmung in Homburg. Ein OXI-Überblick zum Pflegestreik.

An den Unikliniken Düsseldorf und Essen streiken seit Wochen die Pflegekräfte – es geht um einen Tarifvertrag für Entlastung und mehr Personal. Der Konflikt läuft schon seit Wochen, in die Hauptnachrichten hat es das Engagement von Hunderten Pflegebeschäftigten bisher aber kaum geschafft, wird im Internet beklagt. »An 2 Kliniken streiken seit 9 Wochen die Pflegekräfte und die mediale Aufmerksamkeit ist gleich Null«, heißt es da zum Beispiel. »Streiken einen Tag Piloten ist das prominent in den Nachrichten. Wie oft fliegst du? Wie oft brauchst du medizinische Hilfe?«

An den Streiks beteiligen sich bislang in Essen und in Düsseldorf täglich laut der Gewerkschaft ver.di über 500 Beschäftigte. »Die Arbeitgeber sollten sich nicht einbilden, dass das irgendwann abbröckelt. Die Leute sind fest entschlossen, so lange weiter zu machen, bis es einen Tarifvertrag zur Entlastung gibt«, wird Katharina Schwabedissen vom ver.di-Landesbezirk NRW zitiert.

Offener Brief, gegenseitige Vorwürfe

Unlängst machte ein Brief von Klinikleitern der beiden Häuser Schlagzeilen, in dem diese den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) um Vermittlung bitten und auf »die gravierenden Folgen des Streiks für unsere Patienten« hinweisen. Unterstützer der für Entlastung und mehr Personal streikenden Beschäftigten äußerten hierzu die sarkastisch gemeinte Frage, ob sich die Klinikdirektoren denn auch einmal wegen der stark angespannten, Mitarbeiter und Patienten gefährdende Personallage mit einem Offenen Brief an irgendwen gewandt hätten.

Hintergrund der Versuche, auch über die Politik Druck für eine Einigung zu machen, ist der Stand der Verhandlungen zwischen ver.di und den Kliniken. Die Gewerkschaft erklärt, dass die »Arbeitgeber weiterhin auf Zeit« spielen »und keine wirksame Entlastung zugestehen« wollen. Am Dienstag hatten die Unikliniken Düsseldorf und Essen laut ver.di erklärt,  »mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder keine Vereinbarung über Entlastungsmaßnahmen für Pflegekräfte« vereinbaren zu wollen. Man habe sich auf Verhandlungen über »Sofortmaßnahmen, nachhaltige Entlastungsmaßnahmen, Vereinbarung von Personalbedarfsermittlungsverfahren sowie ein Ausfallmanagement« vorbereitet. »Plötzlich« hätten die Kliniken aber »eine Vereinbarung mit ver.di über Entlastung der Beschäftigten« abgelehnt.

Die Kliniken argumentieren, man habe an beiden Standorten Düsseldorf und Essen jeweils 100 zusätzliche Pflegestellen angeboten, davon hätten 30 noch in diesem Jahr besetzt werden sollen. Auch seien Regelungen zur Ausbildung in der Pflege und zur Nachtbesetzung auf den Stationen vorgeschlagen worden.

Ver.di ist das nicht dauerhaft genug gedacht, auch wird die Ausgangsgrundlage, von der die Entlastungsmaßnahmen her berechnet werden sollen, als viel zu gering angesetzt kritisiert. »Beide Uniklinikvorstände sowie die Tarifgemeinschaft deutscher Länder sind den Nachweis schuldig geblieben, dass sie Entlastung wirklich nachhaltig schaffen wollen«, so ver.di. Die parteilose NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen wird mit den Worten zitiert, »Pflegekräfte, medizinisches Personal sowie Patientinnen und Patienten der betroffenen Kliniken erwarten zu Recht, dass endlich eine Einigung erzielt wird«.

ver.di-Kampagne läuft seit Mitte 2017

Ver.di streitet schon seit geraumer Zeit für mehr Personal und Entlastung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Die bundesweit angelegte Kampagne läuft seit Mitte 2017. Laut der Gewerkschaft fehlen bundesdeutschen Krankenhäusern insgesamt rund 162.000 Beschäftigte, davon rund 70.000 in der Pflege. »Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland bringt bei den Steuern Rekordeinnahmen. Trotzdem werden die Beschäftigten in den Krankenhäusern bei ihrer Forderung nach mehr Personal mit der Ausrede abgespeist, es sei kein Geld da«, beklagt die Gewerkschaft.

Ver.di hatte angekündigt, »ein Prozent der Kliniken zur Tarifverhandlungen über einen Tarifvertrag Entlastung« aufzufordern. »Inzwischen kann niemand mehr die Personalnot ernsthaft bestreiten, das haben wir mit bundesweiten betrieblichen und politischen Aktion erreicht«, so ver.di. Aber Regelungen wie die ab 2019 geltende Personaluntergrenze für sogenannte pflegesensitive Bereiche würden nicht ausreichen.

Auf der Liste der Sofortforderungen der Beschäftigten stehen unter anderen, »dass keine Schicht mehr alleine gearbeitet wird und Praxisanleiter/innen für die Ausbildung freigestellt werden«. Allein dies mache einen Personalmehrbedarf von 20.000 Vollzeitstellen aus.

Solidarität außerhalb der Kliniken

Wie die Gewerkschaft erklärt, würden ihre Forderungen »auf überwältigende Zustimmung« in der Bevölkerung treffen. Laut einer Umfrage aus den vergangenen Tagen würden 79 Prozent die Forderung unterstützen, dass »Krankenhäusern eine Mindestzahl an qualifiziertem Personal vorgeschrieben«. Bei der Gewerkschaft wird auch auf die Solidarität außerhalb der Kliniken verwiesen. In einem Offenen Brief hatten sich unter anderem Patient/innen zu Wort gemeldet: »Wir sind empört über die skandalöse Überlastung und Überforderung des Personals, über extrem mangelnde Entlohnung, über unhaltbare Arbeitsbedingungen. Wir verurteilen, dass die Leitungen der Uniklinik und ihrer Tochtergesellschaften nicht dafür sorgen, dass genügend Personal zur Verfügung steht und in angemessener Sorgfalt und Qualität gearbeitet werden kann.«

Inzwischen stimmen auch die ver.di-Mitglieder am Uniklinikum des Saarlandes in Homburg über einen Erzwingungsstreik ab. Auch dort ist ein Ultimatum der Beschäftigten verstrichen, konkrete Maßnahmen zur Entlastung zu beschließen. Entlastungen in der Pflege werden bereits seit November 2016 von ver.di verlangt. Eine dem Personalrat angebotene Dienstvereinbarung lehnte die Gewerkschaft als »Verzögerungstaktik«, Ziel sei ein Tarifvertrag, dieser habe »eine rechtsverbindlich einklagbare Wirkung. Er kann besser überwacht und Verstöße können sanktioniert werden«, so ver.di.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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