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Altes Problem »endlich gelöst«: Tsipras übersteht Misstrauensantrag und spricht über »große Opfer« der Krisenpolitik

17.06.2018
Grafik: Common.eG

Alexis Tsipras hat einen Misstrauensantrag überstanden – die konservative Opposition hatte ihn im Streit um den Namen des Nachbarlandes Mazdeonien beantragt. In einem Interview spricht der SYRIZA-Politiker über die Bilanz der von den Gläubigern auferlegten Reformen und fordert von EU und IWF mehr eigenen Spielraum in Griechenland.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat nach der Einigung im Streit über den Namen des Nachbarlandes Mazdeonien einen Misstrauensantrag im Parlament überstanden. Der von der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia initiierte Vorstoß fand keine Mehrheit, von 280 anwesenden Abgeordneten votierten 153 gegen den Misstrauensantrag, 127 stimmten dafür. Mehrere Abgeordnete, darunter die Fraktion der kommunistischen KKE, hatten an der Abstimmung nicht teilgenommen.

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Der Streit um den Namen des Nachbarlandes schwelt seit Jahren. Tsipras’ Regierung hatte unlängst ein Abkommen mit der Regierung in Skopje erreicht – demzufolge wird das Land sich künftig Nord-Mazedonien nennen. Hintergrund sind teils nationalistisch aufgeladene Traditionen, aus Athener Sicht ist der Name Mazedonien Teil des griechischen Nationalerbes. Griechenland befürchtete zudem, der Nachbar könnte mit der Landesbezeichnung Mazedonien Ansprüche auf die gleichnamige nordgriechische Provinz erheben. Seitens des mazedonischen Ministerpräsidenten Zoran Zaev soll die Einigung dazu beitragen, den Beitritt des Landes zu NATO und EU voranzubringen. Die nationalistische Opposition in Mazedonien sprach von einer »Kapitulation«. Im Herbst ist ein Referendum über den neuen Namen geplant.

»Die glauben, alles könne so bleiben, wie es ist«

Tsipras sagte zu der Namensfrage in der »Welt am Sonntag«, man habe »ein seit über zwei Jahrzehnten bestehendes Problem endlich gelöst. Das ist eine historische Entscheidung. Über 27 Jahre hinweg hat das keine andere Regierung geschafft«, so der Premier. Dass die Opposition jetzt in beiden Ländern »nahezu wortgleich dagegen ist, zeigt doch, dass bei denen etwas nicht stimmen kann«, so der SYRIZA-Politiker. »Die glauben, alles könne so bleiben, wie es ist. Ich glaube, wir müssen uns im Dialog zugunsten unserer Völker aufeinander zubewegen.«

In dem Gespräch äußert sich Tsipras auch zum bevorstehenden Ende des dritten Kreditprogramms und zur Frage der Schuldenerleichterungen. »Wir gehen davon aus, dass die Punkte aus dem Abkommen mit den Euro- Partnern vom vergangenen Jahr umgesetzt werden. Dazu gehören Schuldenerleichterungen, damit wir stabiler auf eigenen Beinen stehen können und einen permanenten Zugang zu den Märkten finden«, sagte Tsipras.

Über die Details wird seit Wochen wieder verstärkt gestritten. Der griechische Premier äußerte sich diplomatisch dazu: »Wir arbeiten noch an den Details einer bestmöglichen Lösung, insbesondere für das Management von Griechenlands künftigen Fälligkeiten durch den Einsatz von nicht ausgezahlten, aber bereits zugesagten europäischen Mitteln und für eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen ab dem Jahr 2022. Das wäre eine Lösung, die den europäischen Steuerzahler nichts kostet, die aber eine notwendige Voraussetzung für den Marktzugang und den Aufbau der nötigen Liquiditätsreserven ist. Wir verlangen nicht, dass unsere Verpflichtungen ad acta gelegt werden.«

Große Opfer gebracht

Das Ende des Kreditprogramms und das damit verbundene Auslaufen der umstritten Auflagen der Gläubiger nannte Tsipras einen »Meilenstein für uns«. Die  Griechen hätten »in den vergangenen Jahren seit dem Ausbruch der Krise große Opfer gebracht«. Auch in Zukunft müsse man »das Land und seine Wirtschaft weiter stabilisieren und dafür brauchen wir wichtige Reformen«, so Tsipras, der unlängst einen mittelfristigen Wachstumsplan für Griechenland vorgelegt hatte. Seine Bilanz der Anpassungsprogramme fällt positiv aus: Bevor SYRIZA an die Regierung gelangt sei, habe man »zwar Sparprogramme« gehabt, »aber die darin vereinbarten Ziele hat das Land nie erreicht. Das Defizit blieb weiter hoch, die nötigen Reformen kamen nicht zustande. Viel Geld wurde für Partikularinteressen des politischen Establishments und nicht für Strukturreformen ausgegeben.«

Dies habe sich geändert, so Tsipras. »Wir haben die Sache vom Kopf auf die Füße gestellt. Griechenland erzielt jetzt im Haushalt einen Primärüberschuss. Im ersten Quartal 2018 lag das Wirtschaftswachstum bei 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das ist spitze innerhalb der Eurozone derzeit. Die Arbeitslosigkeit ging um sieben Prozent während unserer Regierungszeit zurück. Wir haben ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit nach Griechenland zurückgebracht. Wenn Sie mit den Menschen sprechen, werden Sie feststellen, dass ein Gefühl von Normalität zurückgekehrt ist.« Was Tsipras hier nicht sagt: Immer noch gibt es große Proteste und Streiks gegen die Umsetzung der Kürzungsauflagen und der Privatisierungspolitik. Auch die Debatten innerhalb der Linkspartei sind keineswegs vom Tisch.

Die uns in den Bankrott geführt haben

Tsipras forderte allerdings mehr Spielraum für eigene Entscheidungen. Er »glaube, dass wir nach acht Jahren Krise inzwischen in der Lage sind, selbst zu erkennen, welche Reformen für uns richtig sind. Vielleicht wissen wir es sogar manchmal besser als EU und Internationaler Währungsfonds«. Seine Regierung sei »nicht so dumm, uns noch einmal in die schlimme Lage von 2010 zurückzubringen.« Mit Blick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen, die in Griechenland spätestens im Oktober 2019 stattfinden, sagte Tsipras, er wolle »nicht, dass die zurück an die Macht kommen, die uns in den Bankrott geführt haben, die für Korruption und Filz verantwortlich waren und Klientelismus gefördert haben.«

Das ist vor allem eine Ansage in Richtung Nea Dimokratia, die in Umfragen deutlich vor SYRIZA liegt. Ende Mai erreichte die Linkspartei gut 23 Prozent, die Konservativen kamen auf über 36 Prozent. Die Reste der implodierten sozialdemokratischen Pasok, die sich mit anderen Mitte-links-Parteien zusammengetan haben, erreichen als Kinima Allagis knapp 12 Prozent, die kommunistische KKE kommt auf gut 8 Prozent, ein Umfrageergebnis, das auch die Neonazis erreichen. Tsipras’ Agieren vor dem Ende des Kreditprogramms wird auch von dieser innenpolitischen Lage mitbestimmt. Der »Welt am Sonntag« sagte er: »Nach den Erfolgen der Reformen wird es auch einige Erleichterungen für die Schwachen der Gesellschaft geben.«

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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