Wirtschaft
anders denken.

Ein Euro für mehr Akzeptanz

17.06.2016

Ein-Euro-Jobs oder Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung für Flüchtlinge und Mindestlohn. Wie das in der BRD zusammenpasst, warum das die Akzeptanz erhöht und warum diese Jobs eigentlich gar keine sind, verrät der ndr.

»Der Landkreis Osnabrück bietet seinen Flüchtlingen mehr als 100 sogenannter Ein-Euro-Jobs an. Etwa die Hälfte davon ist inzwischen besetzt. Anja Fels vom Sozialamt des Kreises will langfristig noch mehr solcher gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten einrichten – 500 sollen es einmal werden. Das Angebot richtet sich an Hilfesuchende, die noch keinen Aufenthaltsstatus haben. ›Die Menschen sind froh, wenn sie etwas tun können. Das unterstützt auch die Integrationsbemühungen‹, sagt sie. Außerdem erhöhe die Arbeit auch die Akzeptanz der Flüchtlinge in der Bevölkerung.«

Was hier auf dem ndr-Portal zu lesen ist, kann erst einmal ganz wertfrei betrachtet werden. Der Bericht spiegelt einen Konsens, der breiter nicht sein könnte. Auch wenn man Bundesarbeitsministerium nicht gern die Wortkombination Ein-Euro-Job hört, sie ist medial so verbreitet und im allgemeinen Bewusstsein dermaßen verankert, dass sie nicht mehr wegzukriegen ist.

Die Regierenden sagen, hier handelt es sich nicht um einen Job. Und das ist für sie auch wichtig, denn wäre es ein Job (Aber was soll es anderes sein, die Leute arbeiten ja wirklich?), müssten sie sich die Frage gefallen lassen, wie man einen Stundenlohn von einem Euro rechtfertigen kann in einem Land, dass vor nicht allzu langer Zeit einen Mindestlohn beschlossen hat.

Um diese Frage nicht beantworten zu müssen heißen Ein-Euro-Jobs offiziell »Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung.« Aber auch das ist ein Euphemismus. Denn eine Gelegenheit nutzt man oder lässt sie verstreichen – so oder so aber hat man die freie Wahl. Das aber ist mit dieser Gelegenheit hier nicht gemeint.

1962 trat das Bundessozialhilfegesetz in Kraft und damit war der Begriff Arbeitsgelegenheit geboren, bzw. in die Gesetze eingegangen. Gemeinnützige Arbeit sollte nicht länger Voraussetzung für den Bezug von Leistungen sein, stattdessen der Eingliederung (dieses Wort verdient ebenfalls eine nähere Betrachtung) in den Arbeitsmarkt dienen. Unter den Bedingungen der Marktwirtschaft war das ein dem Sozialstaat angemessener und gar nicht so schlechter Gedanke. Auch wenn ihm die Idee zugrunde lag, dass vollwertig nur ist, wer sich in den Arbeitsmarkt eingliedert.

Gelegenheit wird Zwang

Die Zeiten änderten sich und mit der sogenannten Hartz-IV-Reform im Jahr 2004 wurde aus dem Wort Gelegenheit de facto Zwang. Sagt aber niemand.

Heute ist ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger, respektive eine Empfängerin, grundsätzlich verpflichtet, die Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung anzunehmen. Nur wenn die unzumutbar ist, darf man ablehnen. Zumutbar aber ist jede legale und nicht sittenwidrige Arbeit. Wer ablehnt, wird mit Sanktionen bestraft, einem Menschen über 25 Jahre kann das Arbeitslosengeld II bis zu 30 Prozent gekürzt werden, wer jünger als 25 ist, kann schon mal komplett leer ausgehen und bekommt nur noch Miete und Lebensmittelgutscheine. Das Wort Gelegenheit ist also eine glatte Lüge. Eine Gelegenheit darf man ablehnen. Sehr wohl darf man das.

Nun zu den Geflüchteten: Die Rede ist davon, insgesamt 100.000 Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung für diese Menschen zu schaffen. Damit sind sie auf ihren Platz verwiesen, auch wenn niemand abstreiten sollte, dass es für viele ein kleines Glück ist, nicht den ganzen Tag in einem überfüllten Flüchtlingsheim zu verbringen, stattdessen irgendetwas tun zu können. Interessant und ebenfalls wahr ist der Satz in dem ndr-Bericht: »Außerdem erhöhe die Arbeit auch die Akzeptanz der Flüchtlinge in der Bevölkerung.« Auch der stimmt. Aber er sagt viel über uns und unsere Gesellschaft aus. Wer arbeitet, und sei es für einen Euro die Stunde, wird akzeptiert. Über den Umkehrschluss reden wir beim nächsten Mal. Denn der wirft die Frage auf, was eigentlich mit all den Menschen hierzulande – egal ob geflüchtet oder hier geboren – ist, die nicht gegen Bezahlung arbeiten. Akzeptieren wir die?

Geschrieben von:

Kathrin Gerlof

OXI-Redakteurin

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