Eine echte Energiewende als neue Reformvision für die EU
Ein europäischer Transformationsfonds, eine sozial ausgestaltete Kohlendioxid-Abgabe, eine progressive Energiewende als neue Reformvision für die EU: In Sachen Klimaschutzpolitik drängt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik auf ein deutlicheres und schnelleres Umsteuern.
In Sachen Klimaschutzpolitik stehe die Uhr auf »fünf vor Zwölf«, warnt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik in ihrem diesjährigen Memorandum. Man unterstütze »ausdrücklich den öffentlichkeitswirksamen Freitags-Protest der SchülerInnen« und dränge aus progressiv-ökonomischer Sicht auf mehr europäische Klimakooperation. Hier liege auch eine Chance, »der EU eine neues Fundament« zu geben, so Schrooten. Die Memo-Gruppe sieht dabei die bundesdeutsche Energiewende lediglich als »Stromwende«, nötig seien auch eine »Gebäudewende und die Verkehrswende«, wo es »einen riesigen Nachholbedarf« gebe.
Linker Widerspruch gegen »kapitalorientierte Positionen«:
Die Memoranden zur Wirtschaftspolitik als Archiv
Das »Memorandum 2019«, das am Montag in Berlin vorgestellt wurde, greift zudem die Diskussion über eine Kohlendioxid-Abgabe auf. »Für die nicht vom Europäischen Emissionshandelssystem in Europa erfassten Sektoren ist eine nationale CO2-Steuer« auf fossile Brennstoffe »dringend notwendig«, so der Ökonom Heinz-J. Bontrup. Als Einstieg sei ein Steuersatz von 30 Euro pro Tonne CO2 nötig, der Steuersatz solle dann »bis 2020 stufenweise auf 50 Euro und bis 2040 auf 100 Euro steigen«. Damit die Ökoabgabe »nicht zu noch verschärften Ungerechtigkeiten bei der Verteilung« führt, sei ein soziales Design der Besteuerung nötig. Hier zu lägen seit längerem Vorschläge der Arbeitsgruppe zur Steuer- und Finanzpolitik vor. Die Hälfte der Einnahmen aus der Steuer solle »an die unteren Einkommensgruppen und wenig Vermögende zurückzugeben« werden, um »eine Grundversorgung mit Strom und Energie« auch »für diejenigen sicherzustellen, die diese aus eigener Kraft nicht bezahlen können«. Die andere Hälfte der Einnahmen solle »für klimafreundliche Investitionen« genutzt werden.
Das Memorandum will die Kohlendioxid-Abgabe aber nicht isoliert betrachten. Es gehe um einen weiter ausgreifenden »Transformationsprozess« mit einer positiven sozial-europäischen Reformvision. Bei der Gestaltung der Energiewende haben n ach Ansicht der Arbeitsgruppe »sozioökonomische Fragen« wie etwa die Kosten- und Preisentwicklung, Wachstumseffekte, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigungswirkung, Fragen der Verteilung und des Lebensstils »zunehmend an Bedeutung« gewonnen. Daraus sei aber »bisher noch« keine integrierter, langfristig orientierter Politikwechsel geworden.
Den größeren Zusammenhang skizziert die Memo-Gruppe als »Re-Vergesellschaftung«: Auf dem Weg zu einer vollständig Dekarbonisierung würden strukturelle Anpassungen und tiefgreifende Veränderungen ablaufen, die – richtig politisch gestaltet – eine völlig neue Energiewelt mit »Fortschrittspotenzial« ermöglichen könnten. Dazu gehörten »auch ein umfangreicher Prozess der Re-Kommunalisierung mit der Gründung zahlreicher neuer Stadtwerke«, so die Kurzfassung des Gutachtens.
Es gehört nach Ansicht der Arbeitsgruppe aber vor allem eine »Europäisierung« und integrierte Sichtweise dazu. »Ökonomie, Gesellschaft und Ökologie können nicht als getrennte, unabhängige Systeme verstanden und behandelt werden.« Für eine »erfolgreiche europäische Energiewende« sehen die ÖkonomInnen »eine gemeinsame Initiative und Allianz mehrerer EU-Mitgliedsländer« als erforderlich an, wobei ihnen »idealerweise« eine »durch die beiden ökonomisch stärksten und nachbarschaftlich agierenden Länder Frankreich und Deutschland« angetriebene Zugmaschine vorschwebt. Wichtiges Ziel wäre unter anderem, das Emissionshandelssystem in Europa zu reformieren. Bisher gehe »keine echte Lenkungswirkung« vom EU-ETS etwa in Richtung »Übergang von der Kohle- zur Gasverstromung oder zu erneuerbaren Energien aus«. Über »eine angemessene Knappheit« der Zertifikate und einen gesetzlichen Mindestpreis von 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid solle der Druck im Sinne produktionsseitiger Veränderungen verstärkt werden.
Die Umsetzung einer europäischen Energiewende bleibe freilich »ein komplexer und langwieriger Prozess«, der auch in den anderen Mitgliedsländern greifen müsste – auch dies eine Frage nicht zuletzt der politischen Kräfteverhältnisse. Programme auf nationaler Ebene, etwas zur energetischen Gebäudemodernisierung, und »sozial-ökologische Transformationsfonds« auf europäischer Ebene, etwa durch Weiterentwicklung des ESI und des EFRE, könnten ineinandergreifen. Das Memorandum schlägt hier auch nationale »Staatsfonds zur sozial- ökologischen Transformation« vor, die »besser auf die regionalen Bedürfnisse ausgerichtet und parlamentarisch kontrolliert werden können«.
Die Langfassung des Memorandums erscheint Ende April 2019 als Buch.
Foto: pixel2013, Pixabay
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