Wirtschaft
anders denken.

Eine Sache der geschäftlichen Interessen: Der Immobiliensektor ist hoch anfällig für Geldwäsche

17.05.2018
Foto: Jan Dobrý / flickr CC BY-SA 2.0

Der Immobiliensektor ist hoch anfällig für Geldwäsche, zeigen verschiedene Studien. Es geht um Milliarden, um hiesige Profiteure am kriminalitätsbedingten Elend anderswo, um wirtschaftliche Interessen, die stärker sind als die Vermeidung von krimineller Verschleierung der Herkunft von Geld. Die Grünen wollen nun mehr darüber wissen.

Die Wohnungsfrage ist nicht nur eine der drängendsten sozialen Fragen geworden, sie hat auch noch eine andere Seite: die der Geldwäsche. Hohe Renditen und Sicherheiten seien »auch attraktiv für zweifelhafte Geldgeschäfte und Investitionen durch Kriminelle«, heißt es nun einer Anfrage der Grünen im Bundestag, die nun mehr über den »Hoch-Risiko-Sektor für Geldwäsche« in Erfahrung bringen wollen. Es geht um den Zusammenhang zwischen Umsatz auf dem Immobilienmarkt, den dortigen Renditemöglichkeiten und dessen Geldwäscherisiko; es geht um Dunkelziffern, mangelnde Sensibilität und unzureichende Präventionsmechanismen. Man darf auf die Antworten gespannt sein.

Denn bisher gibt nur wenige ausführliche Untersuchungen. Das Bundeskriminalamt hat 2012 das Beratungsunternehmen Deloitte und Touche beauftragt, deren Ergebnis: Die »immer wieder aufgestellte Behauptung, der Immobiliensektor sei anfällig für Geldwäscheaktivitäten, wurde durch die Studie für den Bereich Deutschland eindeutig bejaht«, der Immobiliensektor in Deutschland sei »besonders für Geldwäsche geeignet«. Als Hauptgründe wurden damals »die Beschaffenheit des Marktes, die mangelnde Sensibilität der Marktteilnehmer für die Geldwäscheproblematik sowie eine mangelnde Regulierung« ausgemacht.

»Eine hohe Dunkelziffer«

Für 2010 gibt es Zahlen: Bei einem gesamten Immobilien-Transaktionsvolumen in Höhe von rund 22 Milliarden Euro hatte es nur 292 Verdachtsanzeigen oder Verdachtsmeldungen auf Geldwäsche gegeben – bei einer Gesamtzahl von 11.042 Verdachtsanzeigen oder Verdachtsmeldungen. Dies lege »eine hohe Dunkelziffer« nahe, so die Studie für das BKA. Das heißt: Von den jährlich 250 Milliarden Euro, die bei Immobilientransaktionen umgesetzt werden, könnten gut zehn Prozent aus Geldwäschegeschäften herrühren, so berichtete es auch Zeit online. Dort werden auch Geldwäscheexperten zitiert, die sagen: »Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Wirtschaftskriminalität hierzulande geduldet wird.«

2016 kam eine Dunkelfeldstudie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg heraus, die für 2015 im gesamten Nicht-Finanzsektor, zu dem die Immobilienbranche zählt, auf mindestens 15.000 bis 28.000 Verdachtsfälle pro Jahr kam, was einem Finanzvolumen von 20 bis 30 Milliarden Euro entspricht. »Die geringe Zahl von Verdachtsmeldungen aus diesem Bereich steht in starker Diskrepanz zu den Experteneinschätzungen der Financial Intelligence Unit (FIU) und der Landeskriminalämter, die von einer eher geringen Bereitschaft zur Umsetzung der Geldwäscherichtlinien im Nicht-Finanzsektor ausgehen«, so damals der Bericht.

Äußerst attraktiv zur Geldwäsche

Die Studie geht für die Immobilienbranche dacvon aus, dass »es sich um einen Hoch-Risiko-Sektor bei gleichzeitig zu geringer Awareness auf Seiten der verpflichteten Immobilienmakler« handele. »Die hohen Transaktionsvolumen, die bei Immobilienkäufen erreicht werden, machen diesen Wirtschaftssektor äußerst attraktiv zur Geldwäsche. Darüber hinaus ist eine abschätzbare Wertstabilität in bestimmten Regionen und bei bestimmten Objekten gegeben, die die Attraktivität für das Anlegen von inkriminierten und teils auch vorgewaschenen Geldern ausmachen. Auch gelingt zu häufig die Verwendung von ›Strohmännern‹ oder die Verschleierung des wirtschaftlich Berechtigten bspw. durch ein ausländisches Unternehmen. Überdies erscheint der Einsatz von Bargeld zum Kauf von Immobilien angesichts der hohen Kaufsummen als zu hoch.«

Interessant ist folgendes Detail: »Jeder zehnte Immobilienmakler berichtete über mindestens einen Fall in den letzten zwei Jahren, bei dem der Kaufpreis bar entrichtet werden sollte und jeder fünfte über einen ungewöhnlich kurzfristigen Eigentümerwechsel.« Das heißt nicht, dass es sich um Geldwäsche-Aktionen handeln muss. Aber es verweist auf die hohe Zahl an Risikofällen hin. »Diese ohnehin hohen Risiken werden durch die unzureichende Umsetzung der Sorgfaltspflichten und sehr geringe Bereitschaft der Immobilienmakler zu Verdachtsmeldungen erheblich erhöht.« Dies liegt wohl auch daran, dass die Makler von den einzelnen Verkäufen profitieren, sie also wenig Interesse haben dürften, Transaktionen zu verhindern oder potenzielle Verkäufe durch kritische Nachfragen zu gefährden.

Baugewerbe unterstützt kaum die Geldwäscheprävention

Die Studie sieht außerdem »erhebliche Risiken im Immobiliensektor« im Tätigkeitsbereich »von Bauträgern und Architekten« – hier wird darauf aufmerksam gemacht, dass »hohe Bargeldbeträge für Aufträge an Architekturbüros und Bauträger sowie zur Bauausführung eingesetzt werden« könnten, zum anderen können »Schrottimmobilien erworben werden, deren Sanierung und späterer Verkauf sich nur durch den Einsatz inkriminierter Gelder lohnt«. Auch hier eine Interessante Zahl: »Ein Viertel der Architekturbüros und Bauträger hatte schon mindestens einmal Zweifel an der ausgewiesenen Identität des Kunden, jeder zehnte Befragte vermutete, dass ein Geschäftsabschluss nicht mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kunden im Einklang stand, sodass es sich um einen ›Strohmann‹ gehandelt haben könnte.« Fazit der Forscher: »Die Praxis im Baugewerbe unterstützt kaum die Geldwäscheprävention.«

Der Koordinator der Studie, Marcel Vockrodt, und der Wirtschaftskriminologe  Kai-D. Bussmann haben an anderer Stelle auf ein paar grundlegende Probleme hingewiesen. Das Geldwäscherisiko wachse in Deutschland, wohlhabende Länder prosperierten »am kriminalitätsbedingten Elend in den zumeist wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern«. Und weiter: »Grundsätzlich kollidieren die geschäftlichen Interessen im Nicht- Finanzsektor mit den Interessen der Strafverfolgungsbehörden an einer Verdachtsmeldung.« Die Einsetzung von Geldwäschebeauftragten könne hier  eine wichtige Gegenwirkung erzielen.

Auch in der Studie für das BKA wird auf sozusagen systemisch bedingte Ursachen verwiesen: »Insbesondere bei Immobilienmaklern und Wohnungsbaugesellschaften wird den wirtschaftlichen Interessen gegenüber der Geldwäscheproblematik klarer Vorrang eingeräumt«, heißt es da unter anderem. »Bei vielen Marktteilnehmern im Immobiliensektor ist nur eine eingeschränkte Sensibilität vorhanden.« Die Ergebnisse der Studie würden deutlich zeigen, »dass es erheblichen Handlungsbedarf gibt«. Und nun warten wir mal die Antwort der Bundesregierung ab – ob die das genauso sieht und was ihr als Handlungsbedarf vorschwebt.

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