Wirtschaft
anders denken.

Die Stromversorgung ist gesichert

25.04.2022
Aus rote-weiß gestreiften Schornsteinen eines Kohlekraftwerks steigt weißer Rauch in blauen HimmelFoto: Valeriy KryukovBald unabhängig davon: Ein Kohlekraftwerk in Yaroslavl, Russland.

Bei einem Wegfall der russischen Erdgas- und Kohleexporte durch ein Embargo bleibt die Stromversorgung gesichert. Vorstellung einer Berechnung des DIW Berlin.

Das DIW Berlin hat in Szenariorechnungen analysiert, wie das deutsche Stromsystem auf einen Stopp russischer Energielieferungen reagieren kann, ohne den beschleunigten Kohleausstieg beziehungsweise den Atomausstieg 2022 in Frage zu stellen. Neben erheblichen Mengen an Erdgas importierte Deutschland bisher auch rund 60 Prozent seiner gesamten Kohleeinfuhren aus Russland. Diese Kohleimporte sollen bis August 2022 vollständig beendet werden. Trotz gestiegener Kohlepreise gibt es auf dem deutschen und dem europäischen Markt ein ausreichendes und flexibles Angebot von Steinkohle. Trotz des Kohle-Embargo gegen Russland ist deshalb nicht mit Engpässen bei der Versorgung mit Steinkohle zu rechnen.

Betrachtet wird das Jahr 2023, für das der größte Anteil an Ersatzerzeugung aus Kohle anzunehmen ist, da durch die Abschaltung der Kernkraftwerke 64 Terawattstunden Stromerzeugung im Vergleich zu 2020 wegfallen. Es ergibt sich, dass eine Erzeugung aus Photovoltaik-Anlagen und Wind onshore von ungefähr 184 Terawattstunden zu erwarten ist (153 Terawattstunden in 2020). Die zu erwartende zusätzliche Erzeugung aus Kohlekraftwerken liegt im Jahr 2023 ungefähr zwischen 41 Terawattstunden und 73 Terawattstunden. Diese zusätzliche Stromerzeugung aus Kohle in Deutschland wird durch eine erhöhte Auslastung der in Betrieb befindlichen Braun- und Steinkohlekraftwerke sowie durch zusätzliche Erzeugung aus Steinkohlekraftwerken in der Netzreserve und Braunkohlekraftwerke in der Sicherheitsbereitschaft gewährleistet. An den für 2022 geplanten Kohlekraftwerksabschaltungen kann festgehalten werden. Zur Absicherung der Stromversorgung im Jahr 2023 sollten jedoch die in diesem Jahr zur Stilllegung vorgesehenen Steinkohlekraftwerke vorübergehend als Reserve vorgehalten werden.

Mittelfristig ersetzen erneuerbare Energien einen Großteil der fossilen Stromerzeugung. Zwar erhöht sich die Stromerzeugung aus Kohle kurzfristig aufgrund der Kompensation von Erdgas- und Atomstrom in den Jahren 2022 und 2023. Aufgrund des zu erwartenden starken Zubaus an Erneuerbaren kann jedoch die Stein- und Braunkohleverstromung bereits ab dem Jahr 2024 wieder deutlich absinken.

Fazit: Auch bei einem vollständigen Wegfall der russischen Erdgas- und Kohleexporte nach Deutschland bleibt die Stromversorgung sowohl im kommenden Jahr 2023 als auch mittelfristig gesichert. Bedingung hierfür ist der im Osterpaket vorgesehene beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien sowie eine befristete Intensivierung von Stein- und Braunkohleverstromung. 2023 gibt es ausreichend Kraftwerkskapazitäten auch bei einem Rückgang der Erdgasverstromung und der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke. Ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energien beschränkt die Erdgas- und Kohleverstromung: Der im Koalitionsvertrag angestrebte Kohleausstieg bis 2030 bleibt erreichbar. Für die mittelfristige Entwicklung bleibt die Integration zwischen dem deutschen und dem europäischen Strommarkt für die Versorgungssicherheit zentral.

Christian Hauenstein, Karlo Hainsch, Philipp Herpich, Christian von Hirschhausen, Franziska Holz, Claudia Kemfert, Mario Kendziorski, Pao-Yu Oei, Catharina Rieve: »Stromversorgung auch ohne russische Energielieferungen und trotz Atomausstiegs sicher – Kohleausstieg 2030 bleibt machbar«, DIW aktuell 84.

Geschrieben von:

Claudia Kemfert

Energieökonomin

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