Wirtschaft
anders denken.

»Es muss einen abschreckenden Charakter haben«: Barley und Sanktionsrecht für Unternehmen

23.10.2018
Brudersohn, Lizenz: CC BY-SA 3.0Politik gegen Unternehmen: Bohren dicker Bretter

Wer drei Mal schwarz fährt, kann im Knast landen. Wenn Unternehmen Millionen Kunden, die Gesellschaft und die Umwelt in einem kriminellen Kartell betrügen, passiert ihnen als Firma nichts. Bisher. Gegen Pläne der Justizministerin für ein Sanktionsrecht gegen Unternehmen läuft nun die  Lobby Sturm.

Die Unternehmenslobby will das geplante Sanktionsrecht für kriminell agierende Firmen verhindern – und bringt die üblichen Argumente: Die Pläne von Justizministerin Katharina Barley würden »die Wirtschaft« kriminalisieren und einen Nachteil im Wettbewerb bedeuten. Auch müsse der Nachweis persönlicher Schuld im Vordergrund bleiben. Würde gegen Unternehmen »pauschal« vorgegangen, würden auch die Beschäftigten und Kunden leiden.

Die Debatte läuft, seit Katharina Barley im »Handelsblatt« die bereits im Koalitionsvertrag verankerten Pläne wieder aufgriff. »Bei Unternehmen ist es bislang so, dass nur individuelles Fehlverhalten strafrechtlich verfolgt werden kann«, sagte die SPD-Politikerin dort. »Dabei profitiert aber häufig, wie beim Dieselskandal, das Unternehmen vom Fehlverhalten. Für Fälle, in denen etwa Betrug oder Korruption mit System erfolgen, schaffen wir nun Möglichkeiten, das Unternehmen selbst zu belangen.«

Dass sich die Verbände der Unternehmen vor dem Hintergrund des seit schon drei Jahren bekannten Skandals um den groß angelegten Abgasbetrug deutscher Autokonzerne überhaupt lauthals beklagen, mag man als Beleg für die Selbstsicherheit ansehen, mit denen Unternehmen hierzulande der Politik gegenübertreten. Barley will bis Jahresende einen Gesetzentwurf vorlegen, dieser soll Geldstrafen vorsehen, die sich an der Wirtschaftskraft der Firma orientieren und bis bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen könnten. Zudem sollen neue Regeln für unternehmensinterne Ermittlungen, so genannte Internal Investigations, und die Möglichkeit geschaffen werden, die Öffentlichkeit über verhängte Sanktionen »auf geeignetem Weg« zu informieren.

Das »Handelsblatt« hat die Geschichte inzwischen weitergedreht, nicht nur Verbände wie der BDI, der DIHK und die Familienunternehmen haben sich ablehnend geäußert, die Pläne dürften auch noch innerhalb der Koalition für Streit sorgen, da die SPD grundsätzlich weitergehen will als die Union.

Wer ist Opfer? Gegensätze ausgeblendet

Ein Kritikpunkt, der nun immer wieder in Varianten zu hören ist: Mit Sanktionen gegen Unternehmen, »in denen etwa Betrug oder Korruption mit System erfolgen« (Barley), würden letzten Endes »die Falschen im Unternehmen getroffen würden, nämlich Arbeitnehmer und Gesellschafter«. Hier zeigt sich, gerade auch mit Blick auf die bei den Sozialdemokraten kursierende Forderung nach Betriebsauflösungen bei schweren Verstößen, wie schwierig es ist, den Hebel anzusetzen – Beispiel Dieselbetrug.

Einerseits haben auch die Beschäftigten indirekt vom Erfolg des betrügerischen Vorgehens profitiert, eine – mal angenommen, es wäre möglich – Zerschlagung von VW würde aber mit ihnen vor allem jene treffen, die auf die betrügerischen Strategien keinen Einfluss haben. Die Gesellschafter hingegen, denen die kriminellen Machenschaften zumindest verantwortungsethisch zuzurechnen sind, streichen derzeit selbst noch dann im Zweifel dicke Dividende ein, wenn schon jetzt mögliche Geldstrafen verhängt werden. Dass beide Gruppen hier nun als »in einem Boot sitzend« beschrieben werden, zeigt nur das Problem öffentlicher Debatten über ökonomische Fragen, aus der Interessenwidersprüche, die aus der Eigentums- und Aneignungsordnung hervorgehen, weitgehend ausgeblendet werden.

Ein eigenes Unternehmensstrafrecht, wie es anderswo existiert, ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. »Wer in Berlin drei Mal binnen zwei Jahren ohne korrekt abgestempeltes Nahverkehrsticket kontrolliert wird, dem droht eine Gefängnisstrafe«, sagt der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe, Jürgen Resch. »Wer aber elf Millionen Käufer von Diesel-Pkw über Jahre hinweg, von einem selbst eingestandenen kriminellen Kartell gesteuert, vorsätzlich betrügt und arglistig täuscht, muss keine Strafe fürchten.«

Wiedereinbettung der Wirtschaft

Barley hat zumindest bei ihrer Ankündigung gezeigt, worum es gehen müsste. »Ein Sanktionsrecht für Unternehmen bringt nur etwas, wenn seine Maßnahmen auch wehtun. Es muss einen abschreckenden Charakter haben.« Doch es sieht bereits so aus, als würden die gesetzlichen Vorgaben für unternehmensinterne Ermittlungen, die hier einen wichtigen Pfeiler bilden, erst später kommen. Und aus der CDU hört man schon, ein neues »Verbandssanktionsrecht sollte nicht die Bestrafung in den Mittelpunkt stellen, sondern vor allem Anreize für die Unternehmen setzen, sich zukünftig gesetzestreu und im Sinne eines ›good corporate citizen‹ zu verhalten«.

Nun könnte man sagen, die Möglichkeit, mit illegalen Methoden noch mehr aus dem eingesetzten Kapital herauszuholen, ist solange ein stärkerer Anreiz, wie die Strafen dafür nicht hoch genug sind. Was Selbstverpflichtung und andere weichere Formen angeht, mit denen das Kapital an gesetzliche Grenzen gebunden werden soll, ist hinreichend bekannt.

Barleys Vorstoß verweist hier auf einen politökonomisch grundlegenden Punkt, nämlich den, wie weit die Gesellschaft in der Lage ist, dem Einzelinteresse wirksam Grenzen zu setzen, wo es sich mit illegalem Gebaren gegen die Interessen der Gesellschaft wendet. Ein weitgehendes Sanktionsrecht für Unternehmen verhindert zwar nicht die strukturelle »kapitalistische Asymmetrie«, die zwischen privatem und gesellschaftlichem Interesse besteht. Es würde im Sinne Karl Polanyis immerhin einen Beitrag zur Wiedereinbettung der Wirtschaft leisten können.

Geschrieben von:

Tom Strohschneider

Journalist

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