Wirtschaft
anders denken.

Nur Europa-Floskeln oder positive Schritte? Das Echo auf das Meseberger Treffen im OXI-Überblick

20.06.2018
Carl August ,Lizenz: CC BY-SA 3.0 DEOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Was steht in der Erklärung von Meseberg. Was haben Merkel und Macron vereinbart, wie realistisch sind die Pläne für Europa – und was ist von diesen zu halten? Ein erster kleiner Überblick mit Reaktionen von Ökonomen und Wirtschaftspolitikern.

»Die deutsch-französischen Vorschläge für eine Reform der Europäischen Union sind auf ein geteiltes Echo gestoßen.« So geht eine Meldung des Deutschlandfunks los, und man ist nicht überrascht. Die Reaktionen sind auf mehreren Ebenen kontrovers, die eine betrifft eher die deutsche Innenpolitik, bei der die CSU nun auch diesen Strohhalm ergreift, um gegen Angela Merkel Front zu machen – diese vermische Asylfragen und die der EU-Reform. Horst Seehofer ließ einen gemeinsamen Termin mit der Kanzlerin platzen. Mehr dazu gibt es unter anderem im »Handelsblatt«.

Die Erklärung von Meseberg hat den Untertitel »Das Versprechen Europas für Sicherheit und Wohlstand erneuern« und kann hier nachgelesen werden. Der Wortlaut der folgenden Pressekonferenz steht hier.

Was bei den Konsultationen diskutiert wurde, fasst die »Frankfurter Allgemeine« zusammen – und sie kommt auch auf einen wichtigen Punkt zu sprechen: Wie wahrscheinlich ist eine Umsetzung der geplanten Schritte für eine engere Wirtschafts- und Währungsunion in dem aktuellen europapolitischen Umfeld? Ein Budget für den Euroraum mit Mitteln, die für Investitionen verwendet werden sollen, um die wirtschaftliche Annäherung der Euroländer zu fördern; die Weiterentwicklung des Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds; neue Schritte Richtung Bankenunion und Richtung gemeinsame Unternehmensbesteuerung – »Merkel und Macron betonten, die Ergebnisse des Treffens sollten nun mit den anderen Partnerländern vertieft werden«, heißt es in der FAZ.

Und das ist eine der Hürden: »Ein hoher EU-Beamter« habe darauf hingewiesen, »dass ein Euro-Budget unter den Mitgliedsstaaten hoch umstritten sei. ›Schnelle Entscheidungen sind gar nicht möglich, weil ein Eurohaushalt – egal wie er genannt wird – von einer Reihe von Mitgliedsstaaten strikt ab gelehnt wird‹«, wird der Beamte in dem Blatt zitiert. »Wann immer die beiden größten Mitgliedsstaaten des Euroraumes Vorschläge auf den Tisch legen, dann sind sie natürlich auf dem Tisch. Aber sie dürften dort noch eine Weile bleiben.«

Marcel Fratzscher vom DIW sagte in einer ersten Reaktion: »Das Abkommen ist ein positiver Schritt. Es reicht zwar nicht um den Euro nachhaltig zu machen. Positiv ist aber das gemeinsame Budget und die Rückversicherung für Arbeitslosigkeit. Es fehlt aber Instrumente zur wirtschaftlichen Stabilisierung und Kapitalmarktintegration.« Andrew Watt vom gewerkschaftsnahen Institut IMK meinte auf Twitter, die Meseberger Erklärung »contains steps in the right direction on Euro Area reform«, allerdings sei sie auch »quite ambitious«.

Watt hatte schon zuvor zusammen mit Sebastian Watzka »Vorschläge zur Stärkung der institutionellen Struktur des Euroraums erörtert« und »ein Paket vorgeschlagen, das die übermäßige Abhängigkeit von der EZB als Feuerwehrmann beheben und die Institutionen des Euroraums und die Mitgliedstaaten – unter Einbeziehung von Regierungen, nationalen Zentralbanken und Sozialpartnern – mit der Bewältigung von Ungleichgewichten innerhalb des Euroraums und der Aufrechterhaltung des Wachstums in der Nähe des Potenzials beauftragen würde.«

Sebastian Dullien von der HTW in Berlin sprach in einer ersten Reaktion von »a tiny step towards a European unemployment insurance«. In der Erklärung heißt es dazu, man wolle die Einrichtung »eines Europäischen Stabilisierungsfonds für Arbeitslosigkeit prüfen, für den Fall schwerer Wirtschaftskrisen, ohne dass es zu Transferzahlungen kommt«.

Der Europaexperte Felix Syrotavka schrieb auf Twitter: »Nichts Neues aus Meseberg. Die deutsch-französische Erklärung bringt nicht viel Neues, außer das Macron noch weiter zurück gerudert ist und von seinem Vorschlag faktisch außer der Name nix mehr übrig ist«. Man wisse nun zwar, »es wird einen Haushalt für die Eurozone geben, aber wie groß er wird, weiß niemand. Schaut man auf den Wortlaut« der Erklärung von Meseberg, »klingt es nach Merkel und dem Projekt der Stabilitätsunion. Macron ist der große Verlierer des Abends.« Und weiter: Der zentrale Satz der Erklärung laute seiner Meinung nach, »Konditionalität bleibt ein grundlegendes Prinzip des ESM-Vertrags und aller ESM-Instrumente, jedoch in Anpassung an das jeweilige Instrument.«

Eine erste Analyse des Papiers hat Steffen Stierle bei euractiv.de veröffentlicht, seiner Meinung nach wimmle die Meseberger Erklärung »vor interpretationsbedürftigen Schachtelsätzen«. Während es auf Feldern wie der Verteidigungs- oder der Asylpolitik »beachtliche Schnittmengen und damit Kompromissspielräume« gebe, lägen Berlin und Paris in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen »weit auseinander«. Daran habe »sich auch nichts Grundlegendes geändert«. Im Ergebnis stünden nun »viele Floskeln: Man bekennt sich zu offenen Märkten und zum Multilateralismus, man will den gemeinsamen Binnenmarkt vertiefen, nachhaltiges Wachstum, eine Industrie auf Weltniveau und so weiter.«

Unter Stierles Text sind noch einige weitere Reaktionen dokumentiert, unter anderem von Lüder Gerken vom Centrum für Europäische Politik, der sich um »die Eigenverantwortung der Eurostaaten« sorgt, weil »der Anreiz, sich durch eine solide Wirtschafts- und Fiskalpolitik auf solche Schocks vorzubereiten«, schwinde.

Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold spricht von »Minimalkompromissen«, sieht aber auch einen kleinen Lichtblick »im Trauerspiel der ewig verschobenen Reform der Wirtschafts- und Währungsunion«. Der andauernde Reformstau sei »Wind in den Segeln von Euroskeptikern, spätestens wenn in der nächsten Krise mangels solider Institutionen wieder die Schwächsten die Zeche zahlen«. Die Vereinbarung von Meseberg könne aber Stabilität in der Eurozone nicht garantieren. »Zu kurz greifen die Ideen zur Weiterentwicklung des ESM, der eine intransparente zwischenstaatliche Institution bleiben soll.« Auch die makroökonomische Stabilisierungsfunktion sei »viel zu klein, um tatsächlich in Krisensituationen antizyklisch zu wirken«. Dagegen seien es europäische Visionen, wenn Merkel und Macron neue Vorschläge »für eine deutsch-französische Zusammenarbeit bei der Unternehmensbesteuerung und transnationale Listen für zukünftige Europawahlen« machten. Aber: »Die Initiative für eine gemeinsame Unternehmensbesteuerung wäre glaubwürdiger, wenn die große Koalition nicht gleichzeitig die EU-Vorschläge zur Steuertransparenz von Großunternehmen blockierte«, so Giegold.

Der linke Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi erklärte, »ein Mini-Haushalt wird die Investitionslücke in der Eurozone nicht schließen. Der damit verbundene Zwang zu permanenten Strukturreformen – also Lohn- und Rentenkürzungen – kastriert die Binnenwirtschaft. Das billige Geld der EZB landet so weiter auf den Finanzmärkten statt in der realen Wirtschaft.« Auch an anderer Stelle griffen Merkel und Macron zu kurz. Entscheidend sei »eine Stärkung der Binnennachfrage in Deutschland sowie kurzfristig eine Ausnahme öffentlicher ziviler Investitionen von den Defizitkriterien. Ein Europäischer Währungsfonds hat nur Sinn, wenn er über eine Banklizenz verfügt, um sich bei der EZB Geld zu leihen und direkt öffentliche Investitionen zu finanzieren statt Banken und Gläubiger von Euro Staaten zu retten«, so De Masi.

Foto: Carl August / CC BY-SA 3.0 de

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