Facebook, die alten Medien und die ökonomischen Konkurrenzverhältnisse
Ein interessanter Aspekt in der Debatte über Facebook ist, worüber nicht so viel gesprochen wird: über die ökonomischen Konkurrenzverhältnisse zwischen denen, die nun mit Aufmachern und Titelgeschichten den datenverarbeitenden Konzern kritisieren, und Facebook selbst.
Der Fall Facebook erscheint in der Berichterstattung vor allem als ein Fall von Datenschutz, Demokratie und Demagogie. Selbstverständlich wird in manchen Hintergrundberichten auch darauf verwiesen, dass Facebook und Google zusammen 2016 in den USA laut Expertenschätzung 77 Prozent aller Online-Werbegelder vereinnahmt hätten. Einen immer weiter schrumpfenden Rest müssen sich die anderen Verlagshäuser und Herausgeber teilen, und das in Zeiten, in denen die Werbeumsätze sich insgesamt stark Richtung Internet verlagert haben. Sascha Lobo hat das – ein bisschen unter ferner liefen – auf den Satz gebracht: »Google und Facebook verdienen mehr Geld als sämtliche Zeitungen, Zeitschriften und Radiosender der Welt zusammen.«
Man darf hinzufügen: Das ist heute so, vor ein paar Jahren war das noch anders. In der Zwischenzeit sind nicht nur Werbeerlöse Richtung Facebook abgewandert, sondern haben sich die traditionellen Printhäuser und neuen Internetredaktionen auch schwer getan, im Netz Einnahmeverluste aus den »alten Geschäften« wettzumachen. Das hat viele Gründe, einige haben mit dem Vorgehen von Facebook zu tun. Es liegt darin aber noch etwas, das Scott Rosenberg auf axios.com die »persönliche« Dimension der aktuellen Debatten nennt, man würde es vielleicht besser als die soziale oder die politisch-ökonomische Seite bezeichnen: Journalisten würden deshalb mit solchem Eifer die Kritik an dem Netzwerk aufladen, weil sie »einzeln und kollektiv Facebook – zusammen mit anderen Technologieriesen wie Google und dem Internet generell – dafür verantwortlich machen«, ihre Leser zu verführen, die Unternehmen in Schwierigkeiten zu bringen, bei denen sie arbeiten, und ihre Jobs zu vernichten.
Wer holt sich wie viel vom Werbekuchen?
Dies in Rechnung gestellt, geht es also nicht nur um Datenschutz, Demokratie und Demagogie, die den Fall Facebook nun zu einem solchen Riesenskandal werden ließen. Sondern auch die ökonomischen Konkurrenzverhältnisse, die objektiv zwischen denen bestehen, die da kritisieren, und dem Netzwerkkonzern.
2017 erwirtschaftete Facebook laut dieser Statistik Werbeumsätze in Höhe von rund 39,94 Milliarden US-Dollar. 2010 waren es noch 1,8 Milliarden US-Dollar – ein gewaltiger Anstieg. Vor ziemlich genau einem Jahr konnte man in einem Fachmagazin unter Berufung auf den »Advertising Expenditure Forecast« von Zenith lesen, die Werbung in sozialen Medien werde »bereits 2019 die Printmedien überholen. Fürs Social Web werden dann voraussichtlich weltweit 55 Milliarden US-Dollar ausgegeben – Werbeausgaben für Print liegen dann wohl bei nur noch 50 Milliarden US-Dollar.«
Bei leicht nachlassenden Wachstumsraten der Werbung im Internet wird der Kuchen immer kleiner, von dem auch die traditionellen Medienunternehmen ein Stück haben wollen. Laut der Zenith-Prognose werden bis 2019 vor allem die Webeerlöse für das mobile Internet steigen – hier gehörte bisher Facebook zu den großen Zugewinnern. Das stationäre Internet verliert dagegen drastisch. Und auch Magazine und Zeitungen stehen auf der Verliererseite – global gehen hier laut Zenith vier Milliarden US-Dollar bei den Illustrierten und über 8 Milliarden US-Dollar bei den Newspapers verloren. (Hier gibt es Zahlen zu den Werbeerlösen von Google.)
Zurückhaltung der Werbetreibenden währt nicht lange
Was aber ist mit Meldungen, dass nun Unternehmen Facebook verlassen oder dort ihre Werbung zurückfahren? Die gibt es, aber man liest dann auch solche Anlegerprognosen wie jene von Colin Sebastian vom Vermögensverwalter Baird: »Es gibt Belege dafür, dass ein paar Werber zeitweilig ihre Ausgaben bei Facebook reduzieren werden. Wir glauben aber, dass diese Zurückhaltung der Werbetreibenden nicht lange währt, weil es nur wenig Kanäle gibt, wo sich Werbung so stark lohnt wie bei Facebook.« Wobei man den Hinweis auf die sich angeblich lohnende Werbung durchaus mit der kritischen Brille von Lobo lesen sollte: In Wahrheit kann niemand exakt sagen, ob sich und wo Marketing lohnt.
Zwischen traditionellen Medienunternehmen und neuen Technologieriesen spielt diese Konkurrenz schon länger, so Rosenberg. In den 1990er Jahren waren es Craigslist und eBay, die zunächst das Kleinanzeigengeschäft eroberten. Später förderten Verleger und Sender sogar den Auftrieb von Facebook – indem sie auf der Suche nach Reichweite und Einnahmen den Lesern ins Soziale Netzwerk folgten und dabei Warnungen ignorierten, was passieren könne, wenn sie die »direkte Beziehung zu ihrem Publikum aufgaben«. Hierin liegt zugleich so etwas wie der kleine Widerspruch, der allen Konkurrenzverhältnissen innewohnt: eine Abhängigkeit. Um es als Frage zu formulieren: Wie viel Traffic auf den Seiten der Verleger und Sender kommt über Facebook? (Und ja, das gilt auch für kleine linke Wirtschaftszeitungen.)
Kritische Pressemitteilungen neben Facebook-Links
So wird vielleicht auch das Missverhältnis erklärbar, das sich zwischen den großen Appellen nach mehr Kontrolle, Zerschlagung des Unternehmens, Datenschutzauflagen und so fort auf der einen und der Tatsache zeigt, dass auf der anderen Seite doch die meisten ihren Facebook-Account lieber behalten. Das gilt nicht nur für die Medien, die jetzt ordentlich gegen Facebook Stimmung machen, sondern auch für die Parteipolitik, auf deren Seiten man neben drastischen Stellungnahmen über das allgemeine Böse namens Facebook meist gleich den Link zur eigenen Facebookseite findet, auf der sich so vortrefflich mit den potenziellen Wählern kommunizieren lässt, die wohl kaum aus freien Stücken von selbst auf die langweiligen Parteien-Homepages gehen würden.
Anmerkung eins: Wolfgang Michal hat in dem Zusammenhang den treffenden Hinweis gegeben, »seit Google die Medienlandschaft pflegt«, richte »sich die Kritik fast ausschließlich auf Facebook«. Mit der Digital News Initiative des früheren Suchmaschinenbetreibers, der wie Facebook zuvörderst ein datenverarbeitender Konzern ist, und sich – siehe oben – auch große Teile des Werbekuchens einverleibt hat, werden europäische Medienhäuser unter anderem über einen Innovationsfonds gefördert, der 150 Millionen Euro umfasst. Das ist insgesamt nicht eben viel im Vergleich, spielt aber in Zeiten wie diesen vielleicht eine Rolle.
Anmerkung zwei: Rico Grimm schreibt auf krautreporter.de, der »eigentliche Skandal« sei die Tatsache, dass Facebook ein »Quasi-Monopolist ohne Wettbewerber« ist. Die Folgen seien »zu niedrige Löhne, steigende Ungleichheit und Lobbyismus«, an anderer Stelle heißt es, »in der Wirtschaftswissenschaft zeigt Studie nach Studie, dass Monopole nicht nur schlecht für die Kunden oder Nutzer sind, sondern auch für die Länder, in denen sie agieren«. Auch das verweist auf eine ökonomische Dimension des Themas – man müsste sich aber die Studien einmal anschauen: Die große Erzählung von der freien Konkurrenz, die viele Marktakteure Dank Wettbewerb zu Innovation und anderen Positiva führen werde, könnte auch ein Märchen sein.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version war Wolfgang Michal noch carta.info zugeordnet worden, wo er aber tatsächlich seit 2014 nicht mehr ist.
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