Wirtschaft
anders denken.

Ernst, Clemens, Marcel, Hans-Werner, Bruno, Christoph, Gabriel, Peter, Michael, Lars, Reinhard, Ottmar etc. pp.

02.09.2018
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Ökonominnen? Alternative wirtschaftswissenschaftliche Ansätze? Das FAZ-Ranking der »einflussreichsten« Ökonomen erweist sich einmal mehr als Abbild eines Männer-Betriebs, der durch solche Listen auch noch Hilfe bei der Reproduktion bekommt.

Es hat seine Berechtigung, dass dieses »Ökonomen-Ranking« so heißt – es weist gewissermaßen schon in seinem Namen darauf hin, dass man hier nach Ökonominnen lange suchen muss. Die erste Wirtschaftswissenschaftlerin taucht in der von einem Kreis aus Agenturen und Instituten um die »Frankfurter Allgemeine« veröffentlichten Liste der »einflussreichsten« oder »wichtigsten« Ökonomen auf Rang 21 auf (Friederike Welter), unter den erstgenannten 30 findet sich überdies nur noch eine weitere Frau, die »Wirtschaftsweise« Isabel Schnabel auf Platz 29. 

Ökonomie, das ist hierzulande ein Männerding und dazu, dass das so bleibt, tragen solche Rankings ihren Anteil bei. Nicht etwa, weil das die Grundidee wäre, aus wissenschaftlicher Zitierhäufigkeit, medialer Präsenz und von Politikern zugeschriebenen Ratgeberqualitäten eine Rangfolge zu erstellen. Sondern weil diese Rangfolge eine Schieflage reproduziert: Frauen sind, auch wenn sich hier einiges langsam bessert, im akademischen Bereich unterrepräsentiert, sie werden viel seltener von Journalisten um O-Töne gebeten, und wenn dann Bundestagsabgeordnete oder Ministeriale sagen sollen, wessen wirtschaftswissenschaftlichen »Rat oder Publikationen Sie am meisten für Ihre Arbeit schätzen«, dann fallen am ehesten jene ein, die schon vorher zu den »führenden Ökonomen« gehört haben. 

Wobei »führend« eine Qualität ist, die mindestens zur Hälfte aus sich selbst heraus, also aus einer Art Bekanntheits-Perpetuum resultiert. Andreas Sator hat einmal selbstkritisch darüber reflektiert, warum er »meistens Ökonomen« interviewt, »selten waren es Frauen«. (Und na klar, auch wie bei OXI sind nicht ganz frei von solcher Bias – zu viele Autoren, zu wenige Autorinnen.) Was in den Medien im Flaschenhals mangelnder Sensibilität für Geschlechterungleichheit stecken bleibt, wirkt auch im politischen Raum nach. Mit eigenen Büchern oder selbst ausgedachten Kampagnen wird die eigene Omnipräsenz immerzu erneuert. Mit Folgen, zum Beispiel: »Hans-Werner Sinn rutscht auch im Ruhestand nur um einen Rang nach hinten. Vor allem in der Politik hören immer noch so viele Menschen auf seinen Rat, dass Sinn nach wie vor zu den einflussreichsten Ökonomen in Deutschland gehört«, schreibt die FAZ – und man denkt gleich an die von Sinn befeuerte Target-Salden-Hysterie. 

Abgesehen davon betonieren Rankings wie dieses auch inhaltliche Dominanzen, sie wirken wir Verteidigungsgräben bestimmter theoretischer Ansätze, mit denen – wir sprechen hier über Wirtschaftswissenschaften – wiederum politische und ökonomische Raster verbunden sind. 

Öffentlich eher als »links« einsortierte Ökonomen sind in den Listen unterrepräsentiert, jenseits des mehr oder minder keynesianischen Trios Marcel Fratzscher vom DIW (Platz 3), des »Wirtschaftsweisen« Peter Bofinger (Platz 8) und Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen IMK sieht es in den Topplatzierungen eher mau aus. Über ein paar Aufsteiger wird man sich freuen können: Jens Südekum von der Uni Düsseldorf ist fast 50 Plätze weit nach oben gesprungen, seine Arbeiten zu Automatisierung, Einkommenseffekten und gesellschaftlicher Gestaltbarkeit machen sich bemerkbar. Stefan Bach vom DIW, der in Fragen der Steuerpolitik und Ungleichheit begrüßenswerter Weise öfter zu vernehmen ist, kletterte um gut 20 Plätze nach oben.

Dass Ökonominnen oder Ökonomen aus dem dezidiert alternativen, wachstumskritischen, an Marx orientierten Spektrum in der Liste praktisch überhaupt nicht auftauchen, braucht man wohl gar nicht eigens anzumerken. Von feministischen Ökonominnen und Ökonomen ganz zu schweigen. 

Und so sollte man beim »Ökonomen-Ranking«, in dessen obersten Etagen Wirtschaftswissenschaftlerinnen eine Zehn-Prozent-Minderheit sind und alternative ökonomiekritische Ansätze ganz fehlen, vielleicht eher von einer Korridor-Liste sprechen – eine Liste, die anzeigt, wie eng der Denk- und Wirkunsgbereich ist, in dem sich vor allem Medien und Politik in Fragen der Ökonomie bewegen. Dass das Folgen hat für die Chancen bestimmter politischer Veränderungen, die größer sein würden, wenn sie von »führenden Ökonomen« auch öffentlich wirksam unterstützt würden, und es darunter viel viel mehr Ökonominnen gäbe, liegt auf der Hand. 

Geschrieben von:

Vincent Körner

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