Wirtschaft
anders denken.

FDP legt die Erneuerbaren um

25.05.2024

Ohne öffentliche Förderung werden die Erneuerbaren Energien den Investoren überlassen und muss vor allem von denen bezahlt werden, die sich keine eigene Solaranlage leisten können.

Das kann die FDP in Perfektion: Den Sturm im Wasserglas entfachen. Auch energiepolitisch war das vor und nach dem Parteitag wieder zu beobachten. Vorher gab es ein 12-Punkte-Papier des Parteipräsidiums, das gerade mit dem geforderten Ausstieg aus der Erneuerbaren-Förderung für genügend Aufregung sorgt.

In dem vom Parteitag dann beschlossenen Leitantrag fanden sich am Ende von gut 30 Forderungen nur vier zu Energiepolitik. Drei davon waren und sind nur fürs Polit-Schaufenster gedacht: Erstens der Wasserstoffhochlauf. Der krankt derzeit gar nicht an fehlender öffentlichen Förderung, sondern an den Zweifeln der privaten Geldgeber.

Die zweite Forderung: Zulassung der inländischen Gasförderung per Fracking. Das wäre für eine Bundes- oder Landesregierung nur in Form eines politischen Selbstmordes umsetzbar.

Die dritte schließlich: Schaffung eines Kernfusionsgesetzes. Schon erstaunlich, dass die FDP glaubt, man könne eine seit Jahren nicht praktikable Physik per gesetzlicher Vorschrift zum Funktionieren bringen.

In der öffentlichen Debatte sorgt am Ende vor allem die Idee für Aufregung, die Ökostrom-Förderung schnellstmöglich zu beenden. »Dazu braucht es jetzt einen Plan für den Ausstieg«,steht im Leitantrag. Nach über zwei Jahrzehnten Förderung sei ein Abbau der Subventionen für die Erneuerbaren auch haushaltspolitisch geboten, heißt es weiter.

Allerdings kann selbst per Bundesgesetz die EEG-Förderung nur für solche Wind-, Solar- und Biomasseanlagen beendet werden, die ab einem zu bestimmenden Stichtag neu genehmigt werden. Alle bisher EEG-geförderten Anlagen genießen Bestandsschutz.

Das haushaltpolitische Sparpotential hält sich entsprechend in Grenzen. 2022 erhielten laut Bundesnetzagentur Anlagen mit einer Gesamtkapazität von rund 145.000 Megawatt Zahlungen aus dem EEG. Jedes Jahr fallen mehrere tausend Megawatt heraus, weil die 20jährige Förderzeit abläuft. Diese älteren Anlagen erfreuten sich auch noch eines hohen Fördersatzes, während die jetzigen nur einen Bruchteil davon erhalten.

Allerdings kamen allein 2023 Anlagen für Erneuerbare mit einer Gesamtkapazität von rund 17.000 Megawatt hinzu und vor allem bei der Freiflächen-Photovoltaik steigt der Anteil freifinanzierter Anlagen. Was sich also wirklich einsparen ließe, würde die EEG-Förderung für neue Anlagen gestrichen, lässt sich schwer bestimmen. Letztlich hängt es von der erzeugten Strommenge ab: Denn vergütet wird die tatsächlich eingespeiste Kilowattstunde und nicht die baulich möglich. Weitere EEG-Kosten berechnen sich nach dem Strompreis an der Börse oder auch danach, ob zukünftig mehr Photovoltaik oder mehr Windkraft gebaut wird.

Deswegen sind »explodierende« EEG-Kosten von jährlich 30 Milliarden Euro, die Medien wie die Welt passenderweise vor dem FDP-Parteitag in die Welt setzten, weitgehend spekulativ. Und ebenso ungewiss ist, ob die Angabe von FDP-Chef Lindner stimmt, die Erneuerbaren-Förderung würde 2024 den Staat 19 Milliarden Euro kosten. Seriöse Prognosen beziffern den Finanzbedarf für 2024 auf etwa 16 Milliarden. Doch die 3 Milliarden Unterschied sind dabei gar nicht das eigentliche Problem – sondern dass Lindner für die EEG-Umlage nur 10,6 Milliarden in den Bundeshaushalt einstellte. Wie er sich angesichts des Bestandsschutzes die in jedem Fall bestehende Differenz vom Halse schaffen will, ist unklar.

Dieses ganze Haushalts-Problem hat sich die Ampel 2022 mit der pauschalen Abschaffung einer von den Stromverbrauchern finanzierten EEG-Umlage selbst aufgehalst. Die Fachwelt jedenfalls hält die EEG-Förderung auch weit nach 2030 noch für unabdingbar. Hintergrund ist der sich auch in „negativen Strompreisen“ zeigende „Kannibalisierungseffekt“ der Erneuerbaren. Damit ist die Situation gemeint die gegenwärtig eintritt wenn Windkraft und Photovoltaik mehr als 75 Prozent der deutschen Stromlast abdecken. Dann werden, so der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), am Strommarkt negative Strompreise generiert und der Strom muss abgeregelt werden. Das allerdings liegt auch am nicht ausreichend ausgebauten Stromnetz sowie an fehlender Flexibilität der Stromverbraucher, Haushalte aber auch dieIndustrie. Außerdem wird derzeit praktisch noch kein Überschussstrom in grünen Wasserstoff oder Heizwärme umgewandelt.

Der so verursachte »Angebotsdruck« der Erneuerbaren wird mindestens bis 2035 anhalten, sagt eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research voraus. So lange werden die Erneuerbaren für ihren Strom weniger erlösen als dessen Erzeugung kostet. Deswegen seien die Ausbauziele bei den Erneuerbaren „rein marktgetrieben“ nicht zu erreichen, schlussfolgern die Berater von Aurora. Die angestrebte Verdreifachung der Erneuerbaren-Kapazität ist dabei klimapolitisch geboten, denn 2035 will Deutschland ein klimaneutrales Stromsystem haben. Wer also einen entsprechend schnellen Ausbau der Erneuerbaren will, kommt um weitere EEG-Förderung nicht herum.

Ein Verzicht würde darüber hinaus Bürgerenergie- und andere Projekte benachteiligen, hinter denen kein finanzkräftiger Investor steht. Gegenüber den Banken sind die garantierten Einnahmen aus der EEG-Umlage das entscheidende Argument, um günstige Kredite zu bekommen. In Ländern wie Großbritannien, wo es eine vergleichbare EEG-Förderung nicht gibt, ist der Ausbau der Erneuerbaren denn auch alleiniger Tummelplatz großer Investorengruppen. Nicht auszuschließen, dass die FDP mit ihrer Intervention auch hierzulande ein derartiges Szenario verwirklichen möchte.

Doch selbst wenn die EEG-Umlage wegfiele, verschwänden ja die Kosten nicht, um ein klimaneutrales Stromsystem zu schaffen. Grob gerechnet liegt eine –angenommene – EEG-Umlage derzeit bei knapp fünf Cent pro Kilowattstunde. Dieses Geld würden sich, fiele der Zuschuss aus dem Bundeshaushalte weg, Erzeuger und Netzbetreiber dann auf anderem Weg von den Stromverbrauchern holen, beispielsweise über die Netzentgelte. Haushalte, die sich schon jetzt mit selbst erzeugtem Solarstrom versorgen und wenig aus dem Netz beziehen, würden dann sparen. Denn steigende Netzentgelte würden künftig dann auf immer weniger Haushalte und Gewerbebetriebe umgelegt werden müssen.

Die EEG-Umlage aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren, hat somit auch eine soziale Komponente. Daran müssen sich eben auch die Haushalte beteiligen, die sich, öffentlich gefördert übrigens, mit Solardach, Stromspeicher und vielleicht noch mit einer Wallbox fürs E-Auto ausstatten. Mit dem FDP-Vorschlag könnten diese sich dann weiter aus der Solidargemeinschaft der Stromkunden verabschieden.

So gesehen ist es auch nicht überraschend, dass eine Partei, die mit Solidarität nicht viel am Hut hat, jetzt auch die Erneuerbaren umlegen will.

Geschrieben von:

Jörg Staude

Journalist

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