Wirtschaft
anders denken.

Große Klappe, aber leider nichts dahinter

07.04.2016
Dieter Zetsche und Bodo Uber von der Daimler AG auf einem Podium.Foto: Daimler AG / flickr CC BY-NC-ND 2.0»Genau solche Leute suchen wir.« Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG.

Im Herbst 2015 tönten SpitzenmanagerInnen, was sie nicht alles für Geflüchtete tun würden, versprochen, hoch und heilig. Was seitdem passiert ist? Nichts.

September 2015, die SpitzenmanagerInnen deutscher Unternehmen freuten sich riesig auf die Flüchtlinge. Das hatte natürlich viel mit Eigen- und nichts mit Gemeinnutz zu tun, aber immerhin. Wer die Zitate mancher SpitzenmanagerInnen las, der konnte den Eindruck gewinnen, im Elend der Geflüchteten stecke ein Jungbrunnen für die deutsche Wirtschaft. Dieter Zetsche, Daimler-Vorstandsvorsitzender, sagte laut Handelsblatt: »Die meisten Flüchtlinge sind jung, gut ausgebildet und hochmotiviert, Genau solche Leute suchen wir doch.« Der Konzernchef der Deutschen Post, Frank Appel, verwies auf eine halbe Million offener Stellen und meinte: »Wenn Flüchtlinge rasch Arbeitsbewilligungen erhalten, dann können deutsche Unternehmen wie Deutsche Post DHL Group dieses Potenzial nutzen.« Andere ManagerInnen forderten Haltung gegen Extremismus und mahnten: »Wir brauchen in den nächsten 20 Jahren viel mehr Arbeitskräfte, als dieses Land hervorbringen wird.« So Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer. Die Integration geflüchteter Menschen in den Arbeitsmarkt – nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern eine Investition in die Zukunft des Landes.

Den großen Ankündigungen folgte bei den finanz- und gewinnstarken DAX-Konzernen – nichts. Eine Umfrage des ARD-Politikmagazins Report Mainz ergab: Nur die Unternehmen Beiersdorf (etwa 18.000 Beschäftigte) und Vonovia haben nach eigenen Angaben bis heute Flüchtlinge fest angestellt, wenn auch nur befristet bei Beiersdorf. Andere Konzerne wie BMW (etwa 115.000 Beschäftigte) bilden Flüchtlinge aus oder vergeben Praktika. Klingt gut, bis man einen Blick in die Zahlen wirft: Es geht hier um lächerliche sechs bis 40 Plätze.

Diese kümmerlichen Ergebnisse kommentierte Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): »Die Wirtschaft tut im Moment das, was sie kann, nämlich die Flüchtlinge mit Deutschkenntnissen zu integrieren.« Aha. Beim Deutschen Arbeitgebertag Ende November 2015 hatte Kramer noch getönt: »Wir sind bereit, Flüchtlinge in großer Zahl auszubilden und zu qualifizieren und zu beschäftigen, aus schierem Eigennutz.« Nicht einmal der scheint zu funktionieren. Übrigens: Inzwischen kündigten viele Konzerne an, sie wollten jetzt viel mehr tun. Wir bleiben dran.

Das Handwerk kann helfen

Die IG Metall fordert »ein betriebliches Integrationsjahr für Geflüchtete«. In dem sollten sie, so die Gewerkschaft, nach Tarif bezahlt werden, inklusive Beiträge in die Sozialversicherung. Anerkannte Flüchtlinge sollten das machen können, ebenso wie junge Menschen ohne Berufsabschluss und Langzeiterwerbslose. Vier Tage im Betrieb arbeiten, einen kompletten Tag lernen. Ein gutes Konzept und vor allem: keine Lohnkonkurrenz, kein Lohndumping. Vorschlag: Wenn schon die milliardenschweren Konzerne unfähig sind, dann könnte doch das Handwerk ran. Über 580.000 handwerkliche Betriebe gibt es in Deutschland. Die Branche klagt seit Jahren über Fachkräftemangel. Für die Integration Geflüchteter gäbe es Eingliederungszuschüsse nach Sozialgesetzbuch III. Wenn da nur jeder zweite Betrieb einen Menschen einstellte…

Nochmal Rückblick, September 2015. Deutschland sei von den vielen Geflüchteten alles andere als überfordert, meinen Boris Palmer, grüner Oberbürgermeister von Tübingen, und Jens Spahn, christdemokratischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. In einem gemeinsamen Text für die FAZ halten sie am 2. September 2015 fest: »Die aktuelle Flüchtlingskrise wird weniger als ein Prozent unserer Wirtschaftskraft beanspruchen. Wahrlich nicht zu viel, um Hunderttausenden Hoffnung und Perspektive zu geben. Richtig gemacht, ergibt sich daraus auch eine ganz neue Perspektive für unser Land.«

Spahn und Palmer, können Sie das heute noch einmal wiederholen!

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