»Frauen machen SPD besser«. Und was die Angst macht. Der Überblick zum Stand des Mitgliederentscheids
Wie stehen die Aktien bei SPD-Mitgliederentscheid gute eine Woche vor Bekanntgabe des Ergebnisses? Unser Morgenüberblick dreht sich heute um das Quorum und die Beteiligung, um Frauen und die SPD – und um Angst, mit der Politik gemacht werden soll.
Fangen wir mit den Fakten an: Das notwendige Quorum ist bereits erreicht, wie auch immer die Abstimmung ausgeht, das Votum ist damit verbindlich. Wie die ARD unter Berufung auf eine SPD-Sprecherin meldet, haben sich also bereits nach drei Tagen ein Fünftel der Stimmberechtigten beteiligt. Daraus wird man nicht voreilig Schlüsse ziehen wollen, Ableitungen in Richtung künftiges Ergebnis sind kaum möglich. Übrigens: 2013 lag der Anteil der Ja-Stimmen zum Koalitionsvertrag mit der Union bei 75,96 Prozent. Die Beteiligung am Mitgliederentscheid betrug vor fünf Jahren etwa 78 Prozent.
Laut dem jüngsten ZDF-Politbarometer würden zumindest die Anhänger der SPD den Gang in eine neue GroKo befürworten. »So fänden es 66 Prozent und damit genauso viele wie bei den Unions-Anhängern gut, wenn es zu einer Koalition aus CDU, CSU und SPD käme«, berichtet das ZDF – und schreibt: »Offensichtlich anders als bei den Parteimitgliedern findet die Große Koalition bei den SPD-Anhängern eine sehr deutliche Zustimmung.« Dennoch erwarten 78 Prozent der SPD-Anhänger, dass es beim SPD-Mitgliederentscheid zu einer Mehrheit für die GroKo kommen wird. Vom Gegenteil sind nur 19 Prozent überzeugt.
Derweil geht das Werben weiter. Kevin Kühnert ist ebenso dauerunterwegs wie die SPD-Spitze. »Die Parteiführung trommelt bei einer Reihe von Regionalkonferenzen für ein Ja der Mitglieder zu Schwarz-Rot«, meldet die Deutsche Presse-Agentur. Noch-Außenminister Sigmar Gabriel sagte, die SPD verkaufe ihre Ergebnisse unter Wert. Auch Andrea Nahles wirbt und wirbt – und bringt mal eben den Satz unter, dass, würden Fraktions- und Parteivorsitz zusammengelegt aber von Regierungsämtern getrennt, Raum für Themen und Zukunftsdebatten »jenseits der Regierung« geschaffen würden.
Das ist Ansichtssache, genauso wie die Bewertung der Stimmungslage an der SPD-Basis. Manuela Schwesig äußert sich zuversichtlich: »Es gab eine lange und sehr faire Debatte, in der sich zeigte, dass doch viele vom Inhalt des Koalitionsvertrages überzeugt sind. Das stärkt meine Zuversicht für ein positives Votum.« Die dpa schreibt hingegen: »Der Widerstand gegen eine weitere große Koalition ist in Teilen der Partei groß.« Darauf antwortet im medialen Ferngespräch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in der »Rheinischen Post« mit noch mehr Optimismus: »Ich bin zuversichtlich, dass es eine Mehrheit für den Koalitionsvertrag geben wird.«
In der Vorabmeldung liest man dann auch Sätze, die wir eigentlich nie wieder hören wollen: »Die SPD müsse eine mutige Vision für die digitale Gesellschaft entwickeln und ›die Frage beantworten, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen‹.« Das ist schon richtig, aber mal ehrlich: Erst wieder reden, wenn diese Visionen da sind. Immer nur ankündigen ist ein bisschen, ähm: sozialdemokratisch.
Apropos: SPD-Urgestein Erhard Eppler sieht in den Sozialdemokratinnen derzeit die besseren Führungsfiguren, unter anderem lobte er im »Südkurier« Andrea Nahles. »Aber wir haben eine ganze Reihe Frauen, die herausragen. Für mich sind die Frauen im Moment in der SPD die besseren Führungsfiguren als die Männer.« Es handelt sich hier nicht etwa um eine Einzelmeinung. Auch die schon zitierte Schwesig sieht die Frauen als klüger an, eine Aussage, die sicher überhaupt nicht dazu dienen soll, auch Licht auf das eigene Haupt zu lenken.
In der »Nordwest-Zeitung« wird Schwesig gefragt: »Sie, Andrea Nahles, Malu Dreyer, Katarina Barley, Simone Lange aus Flensburg: Bahnt sich da ein Frauenpower-Machtkampf an?« Und die Ministerpräsidentin aus dem Nordosten antwortet: »Das ist Quatsch. Wir sind klüger als die Männer. Wir werden nicht gegeneinander, sondern miteinander für die SPD arbeiten. Die alten Machtkämpfe der Männer haben der Partei massiv geschadet. Wir Frauen werden es anders machen!« Das Ausrufungszeichen steht wirklich da.
Zum Schluss noch das Thema Angst. Was das mit dem SPD-Mitgliederentscheid zu tun hat? Nun, der Politikwissenschaftler Tilman Mayer meint, eine Menge. Er sei sich »sicher, dass die desaströsen Umfragewerte erheblich zur Verunsicherung der Mitglieder beitragen. Die Angst vor einem weiteren Abrutschen dürfte der SPD am Ende tatsächlich helfen, eine GroKo-Mehrheit beim Mitgliederentscheid zu erzielen. Die Lage ist inzwischen so ernst, dass die Mitglieder sicher immer weniger riskieren wollen, die Wähler mit einem GroKo-Nein zu verprellen.«
Bis hierhin ist das eine analytische Feststellung, die auch zur Erklärung von Äußerungen wie jener von Thomas Oppermann dienen kann, der ein Nein zur GroKo als »lebensgefährlich« bezeichnet hat. Andere Sozialdemokraten haben mit dieser Masche auch schon für ein Ja geworben – in Wahrheit ist es ja eher ein Werben gegen das Nein, denn im Zentrum des »Arguments« steht eigentlich nur die als Drohung gemeinte Aussage, andernfalls gehe die SPD unter.
Die Frage ist naturgemäß umstritten, das NoGroKo-Lager beantwortet sie auch mit Ja – nur eben für einen anderen Fall, nämlich den des neuerlichen Gangs in eine Große Koalition. Was der zitierte Mayer dann noch zum Thema sagt, gehört eher in die Abteilung »Meinung«. Er glaubt, »dass ein Nein die Zweifel der Wähler am Urteilsvermögen dieser Partei vergrößern würden«. Kevin Kühnert glaubt das für den Gang in die GroKo. »Der Bedeutungsverlust, den die SPD in der kurzen Ära Schulz erlitten hat, ist beispiellos. Sie sehen immer deutlicher, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist«, sagt Mayer. Man könnte hier auch sagen, der Bedeutungsverlust fand schon vorher statt, Schulz gelang es wie anderen auch nur nicht, das Loch zu füllen.
Und dann kommt eine der Standardnullparolen: »Die Wähler verlieren immer mehr die Geduld mit der SPD. Sie haben das endlose Warten satt und wollen eine Regierung sehen«, so Mayer. Im Ernst? Eine nicht repräsentative Umfrage unter Wählern hat hier jedenfalls ergeben, dass es für die meisten nicht eine Frage der Geduld ist, sondern des Inhaltes. Und mal ehrlich: Es geht ja auch mit einer »nur« geschäftsführenden Regierung die Welt nicht unter.
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