Wirtschaft
anders denken.

Gelesen: Gabriel Zucman, die Superreichen, die Steueroasen und die Finanzverbrechen

05.11.2017
OXI

Die »Zeit« hat mit dem französischen Ökonom und Steuerexperten Gabriel Zucman über Steueroasen gesprochen – über wachsendes Offshore-Vermögen, Finanzverbrechen und fehlende Strafen. Ein Lesetipp.

Über Maßnahmen gegen Steuerhinterzieher, legale Steuervermeidung und Steueroasen liest man immer wieder. Jedenfalls darüber, dass Politiker versprechen, endlich etwas wirksam dagegen zu tun. Solche Worte klingen meist dann laut, wenn gerade einmal wieder ein Fall der Offshore-Bereicherung aufgeflogen ist. Aber wie weit ist die Regulierung hier wirklich gekommen? Das liest man in der »Zeit« in einem Interview mit dem französischen Ökonom Gabriel Zucman, der in Berkeley über Vermögensverteilung und Besteuerung forscht – und darüber, wie diese Besteuerung nicht klappt, weil die Superreichen ihr Vermögen immer noch in Steueroasen verstecken können.

Offshore: Wie hoch ist das Vermögen?

Zucman (mehr über ihn hier) rechnet mit einem Betrag, der vor der Finanzkrise bei »etwa zehn Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung« lag und heute »näher bei zwölf Prozent«. Das weltweite Offshore-Vermögen wachse schneller als die Weltwirtschaft. Allerdings gibt es Verschiebungen, durchaus auch dank neuer Regeln – »erhebliche Vermögenswerte wurden aus den traditionellen europäischen Oasen wie der Schweiz, Luxemburg und den Kanalinseln verlagert – und zwar vor allem in die wachsenden asiatischen Oasen, vor allem Hongkong und Singapur«. Es werde in Europa heute auch mehr dem Fiskus gemeldet – allerdings schätzt Zucman, dass es sich um 20 Prozent der Vermögen handelt, früher waren es nur fünf bis zehn Prozent. Aber: Auch wenn das Vermögen nun woanders vor Besteuerung versteckt wird, sind es immer noch »dieselben Banken, dieselben Anbieter von Firmendienstleistungen«, sagt Zucman.

Zucman berichtet dort, dass »der Einsatz zwischengeschalteter Aktiengesellschaften, Holdings und Stiftungen schnell zugenommen« hat, allein dazu, »um die Verbindung von Vermögen und Eigentümer zu verschleiern«. Seinen Worten zufolge werden »60 bis 65 Prozent dieses Reichtums über solche Konstruktionen gehalten, und die Regierungen haben keine guten Daten darüber.«

Superreiche: Hat sich die Lage verändert?

Und: »Die Banken konzentrieren sich auf die ultrareiche Klientel«, sagt Zucman – das Durchschnittsvermögen der bestehenden Kunden in den Steueroasen habe sich »verdoppelt oder verdreifacht«. Dies sei für die Banken gewinnbringender, weil die Gebühren sehr hoch sind, und es mindere das Risiko von Leaks: weniger Kunden, weniger Berater, weniger potenzielle Whistleblower. Zucman rechnet das in dem »Zeit«-Interview anhand der Daten der Schweizer Großbank HSBC vor, die durch die »Swiss Leaks« öffentlich wurden: »Rund 80 Prozent des Vermögens in Steueroasen gehören den reichsten 0,1 Prozent der Haushalte. 60 Prozent, also drei Viertel davon, gehören den 0,01 Prozent ganz oben – Menschen, die mehr als 50 Millionen US-Dollar Nettovermögen besitzen.«

Sanktionen: Was schlägt Zucman vor?

Weit schärfere Strafen. »Es fehlen harte Sanktionen«, sagt der Ökonom und verlangt »klare Prozeduren gegenüber Banken, die das Gesetz brechen und auf diese Weise Steuerflucht, Geldwäsche oder Terrorfinanzierung ermöglichen. Wir müssen sagen: Wenn eine Bank das macht, ist sie weg vom Markt. So viel kostet es eben, Finanzverbrechen zu unterstützen.« Die HSBC zum Beispiel habe 2 Milliarden Dollar Strafe wegen Geldwäsche zahlen müssen – in einem Jahr, in dem ihr gewinn bei rund 20 Milliarden Dollar gelegen habe. Nicht zuletzt weiß aber auch Zucman: »Die Nachfrage nach Steuervermeidung bleibt bestehen in einer Welt, in der der extreme Reichtum wächst.«

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