Wirtschaft
anders denken.

Green Deal mit Hindernissen

29.07.2024
Schild mit Aufschrift "There is no Planet B" Helge PeukertFoto: Markus Spiske»There is no planet B«.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte vor dem Europaparlament an, beim Klimaschutz weiter voranzugehen. Wie viel dieses Versprechen wert ist, bleibt abzuwarten.

Es war schon etwas besonders: Nach der Wahl der alten und zugleich neuen EU-Kommissionschefin am vergangenen Donnerstag durch das Europaparlament hatten einige Grünen-Abgeordnete Stimmerklärungen abgegeben. Darin antworteten sie auf eine eigentlich nicht gestellte Frage: Warum ich heute Ursula von der Leyen gewählt habe. Ein zentraler Punkt dabei war das Festhalten von der Leyens am sogenannten Green Deal. »Entgegen unserer Befürchtungen wird der europäische Kampf gegen die Klimakatastrophe nicht aufgeweicht, sondern nachgeschärft«, erklärte etwa Daniel Freund, der im Juni zum zweiten Mal für die deutschen Grünen in die EU-»Volksvertretung« eingezogen ist, zu seinem Ja-Votum.

Tatsächlich hatten die Grünen im Europaparlament ihre Zustimmung zur Wiederwahl der Amtsinhaberin von der Leyen von deren politischen Prioritäten abhängig gemacht, die sie in ihrer Bewerbungsrede vor der Abstimmung und einer schriftlichen Erklärung unterbreitete. Genauer: Von den Vorstellungen der Kommissionschefin zur Fortsetzung des Green Deal. Und die CDU-Politikerin lieferte, was viele im Parlament hören wollten: »Wir müssen und werden bei all unseren Zielen auf Kurs bleiben, auch bei den Zielen des europäischen Green Deal.«

Der European Green Deal gehört zu den sechs Prioritäten, die Ursula von der Leyen für ihre seit 2019 laufende Regentschaft in der EU festgelegt hatte. Verfolgt wird mit dieser Strategie das Ziel, in der Europäischen Union die Emissionen von Treibhausgasen schrittweise bis 2050 auf null zu bringen. Untersetzt ist der Green Deal mit Einzelmaßnahmen in praktische allen Wirtschaftsbereichen – von Energieversorgung über Agrarwirtschaft, Handel, Industrie bis hin zu einer Finanzpolitik, die den Umweltzielen dient. Bereitgestellt wurden zudem über den sogenannten Just Transition Mechanism und einen entsprechenden Fonds Gelder in Höhe von 150 Milliarden Euro (2021 – 2027), um vor allem jenen Regionen, die überdurchschnittlich von fossilen Brennstoffen abhängig sind, den Übergang in eine klimafreundliche Zukunft zu erleichtern.

Unter dem etwas kryptischen Titel »Fit for 55« hatte die von-der Leyen-Kommission im Juli 2021 ein ganzes Paket von modifizierten Richtlinien (müssen jeweils in nationales Recht umgesetzt werden) und Verordnungen (gelten unmittelbar in allen EU-Ländern) zur Umsetzung des Green Deal vorgelegt. Insbesondere werden Maßnahmen konkretisiert, um einen wichtigen Zwischenschritt – nämlich die Reduzierung der Emissionen bis 2030 um 55 Prozent (gegenüber 1990) – zu erreichen. Dazu gehören unter anderem die Neufassung der Richtlinien zu Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und Emissionshandel.

In ihrer Rede in Straßburg und ihren Leitlinien hatte von der Leyen das Gesamtpaket zum Klimaschutz noch einmal zusammengefasst und erweitert. »Wir brauchen in den ersten 100 Tagen des Mandats einen neuen Deal für eine saubere Industrie, um für eine wettbewerbsfähige Industrie und hochwertige Arbeitsplätze zu sorgen«, hieß es etwa. Erreichen wolle man ein Emissionsreduktionsziels von 90 Prozent bis 2040, »das wir in unserem Europäischen Klimagesetz verankern wollen«. Diese Zielsetzung war tatsächlich neu. »Bei jeder Etappe werden wir mit der Industrie, den Sozialpartnern und allen Interessenträgern zusammenarbeiten. Wir werden einen Rechtsakt zur beschleunigten Dekarbonisierung der Industrie vorlegen, um Industrie und Unternehmen beim Übergang zu unterstützen.« Nicht zuletzt: »Wir werden die Energiepreise weiter senken, indem wir uns weiter von fossilen Brennstoffen unabhängig machen, die gemeinsame Beschaffung von Brennstoffen verstärken und das für eine echte Energieunion erforderliche Steuerungssystem entwickeln.«

Ob sich die Vorstellungen von der Leyens umsetzen lassen, steht freilich auf einem anderen Blatt. Einerseits hat die EU-Kommission bereits in der Vergangenheit immer wieder bei der Klimapolitik nachgeregelt – und zwar »nach unten«. Ein Beispiel ist die sogenannte Taxonomie, bei der Kernenergie und Erdgas als nachhaltig und grün eingestuft wurden, mit Zustimmung der Mehrheit des Europaparlaments übrigens. In ihrer Straßburg-Rede hatte von der Leyen sich ebenso für Ausnahmeregelungen für das eigentlich beschlossene Verbrennermotoren-Aus ausgesprochen. Ihr Satz, die neue EU-Kommission werde beim Klimaschutz »pragmatisch vorgehen«, lässt nichts Gutes ahnen.

Andererseits ist völlig unklar, ob – oder wie lange – von der Leyen die Angriffe auf den Green Deal aus ihren eigenen Reihen, sprich der konservativen Fraktion im Europaparlament, abwehren kann. Oder will. Bereits beim Renaturierungsgesetz, mit dem kaputte Ökosysteme wieder auf Vordermann gebracht werden sollen, hatten die Konservativen auf der Bremse gestanden.

Es wäre nicht das erste Mal, dass von der Leyen mit ihren Ankündigungen in einem zentralen Bereich europäischer Politik als Tiger springt und als Bettvorleger landet.

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